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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Tovote, Heinz: Erika, [2]: Novelette
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Pecht, Friedrich: Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0177

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Feuilleton — Rundschau

^35

Die Sonate. von Joseph Nunsch

Ich will mal sehen, ob ich das Ding finde. —

Er fing an, in einem Schranke im Nebenraume zu
suchen, ich hörte ihn poltern und ärgerlich werden, und
wollte gerade sagen, er solle doch jetzt nicht — als es
klingelte und er ganz bestaubt zurückkam und die Thüre
öffnete.

Das Modell, das sich verspätet hatte, — sodaß er
das arme Wesen mit ein paar kernigen Worten begrüßte,
die dem schnippischem Dinge durchaus nicht zu imponieren
schienen, da es sich ruhig lachend entschuldigte.

— Siehst du, wandte er sich zu mir, so sind sie
nun: bummeln bis in die Nacht, kommen am andern
Morgen erst um Mittag, und denken dann während der
ganzen Sitzung an was anderes, daß man ewig schimpfen
muß. Sie wollen es nicht besser haben. Nun aber
dalli, mein Kind, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Du entschuldigst mich schon, wandte er sich zu
mir, ich suche dir das Ding gelegentlich vor. Ta ist
ein Staub, scheußlich. Du läßt dich aber bald wieder
sehen, wenn das da ein bischen weiter ist. Wenn das
verfluchte Mädel bloß pünktlicher wäre, nicht gar so
fahrig. Aber was soll man machen ...

Ich kletterte die fünf Stiegen wieder hinunter; und
auf dem Heimwege ging ich den Weg zurück, den wir
gekommen waren, wieder an dem Neubau vorüber —
aber die Steinwinde ruhte jetzt. Es war Frühstücks-
pause.

Wahrscheinlich würde ich den rechten doch kaum
wiedererkannt haben, so gern ich mir den Mann mal
in der Nähe betrachtet hätte. —

-X-

Ich wollte schon jene erste Frage eines jeden Menschen
an ein Kind thun: Wie heißt du denn, Kleine — als
mir einfiel, daß das nicht gut ging. Ich wußte ja doch,
wie sie hieß.

Die Kleine zog sich vor mir schüchtern zurück und
lehnte sich an den Vater, mich fortwährend mit großen
Augen anstarrend, ganz seltsam.

Dann sagte sie dem Manne etwas ins Ohr, was ich
nicht verstand, während er lachte, und ihr schmeichelnd
über das Haar strich.

Es schien offenbar kein zweites da zu sein.

Die beiden Eltern ergingen sich in Lobeserhebungen,
was für ein gutes Kind es sei, folgsam, und doch kein
Mucker, so lustig und aufgeweckt, manchmal recht mut-
willig, aber nie ungezogen. Es war ihr Stolz und all
ihre Freude.

Und ich konnte zu all dem nur ja sagen, und saß
da, wie auf Kohlen.

Dann kaufte ich dem Kinde — ich traute mir nicht
einmal in Gedanken zu sagen: meinem Kinde — eine
Kleinigkeit; wir gaben uns wieder alle treuherzig bieder
die Hand, das hübsche kleine Mädchen sah mich mit seinen
großen Kinderaugen noch einmal so seltsam fragend an,
dann ging ich. —

Der Name Erika paßte eigentlich gut. Sie sah
recht aus, wie so ein wildgewachsenes Heideblümchen.

Die Geschichte hat mir nie recht aus dem Kopse
wollen; jetzt denke ich oft daran.

Ich habe mal versucht das Gesichtchen festzuhalten,
aber es ist nichts geworden, und ich habe nicht den Mut
gefunden, die Leute aufzusuchen, wie gern ich das Kinder-
köpfchen auch hätte.

Kundschsu

Vom Herausgeber

-geboren werden, Heiraten und Sterben, diese drei
Hauptereignisse im Leben der Mehrzahl aller Menschen
haben von jeher auch Poesie und Malerei am meisten
beschäftigt. Besonders die oft sehr weitläufigen Vor-
bereitungen dazu. Haben Geburt und Tod den Reiz
des Geheimnisvollen, der Berührung mit dem Unbe-
kannten für sich, so ist dagegen das Heiraten für die Be-
teiligten in der Regel weit angenehmer. Die Malerei
besonders hat sich deshalb zu allen Zeiten dieses Vor-
wurfes mit besonderer Liebe bedient, und von der Hoch-
zeit der Thetis mit Paleus, oder der von Kanaan bis
auf die allerneuesten fürstlichen Vermählungen zieht sich
eine ununterbrochene Reihe von berühmten, sie dar-
stellenden Kunstwerken, unter welchen die des Paul
Veronese und Rubens heute noch den ersten Platz ein-
nehmen, denen in unsrer Zeit nur Makart Ähnliches in
seiner Catarina Cornaro, Cleopatra re. erfolgreich an
die Seite zu setzen bestrebt war. Tie weitaus am meisten
gemalte aller Hochzeiten, die von Kanaan hat indes auch
noch das Eigentümliche, daß man vom Brautpaar selber
verzweifelt wenig weiß. Anders verhielt sich die modernste
Richtung unsrer Kunst zu diesen Aufgaben. Sie be-
gnügte sich anfangs mit den Bauernhochzeiten, besonders
den silbernen und goldenen Wiederholungen derselben,
wie denn Knaus durch die seinige vor 30 Jahren ganz
Rheinland in Aufregung versetzte. Der allermodernste,
Allers, begründete mit seiner silbernen Hochzeit eines
ehrlichen Hamburger Schneidermeisters sogar seinen Ruf,
indem er dem stolzen Bürgertum seiner Vaterstadt da-
 
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