Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Rundschau
DOI Artikel:
Tovote, Heinz: Erika, [1]: Novelette
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Rundschau, vom Herausgeber — Feuilleton

NS

Wie die Sozialdemokratie die nationalen und Stammes-
unterschiede vollständig aufzuheben sucht, welche unsrer
Bauernmalerei einen so großen Reiz geben, ja wie sie sogar
das Vaterland verleugnet, so geschieht das ziemlich genau
so auch in der naturalistischen Malerei, die weder Charak-
tere und Stände, noch Individualitäten, sondern nur
Proletarier kennt. — Man hat daher ein Bild, das uns
wie das heutige vonVa u ti er, einen Schwarzwälder Bauern
zeigt, der eben die Nachricht erhält, daß seine Tochter
von ihrem Mann oder Liebhaber treulos verlassen worden,
entweder den Helden als bereits als einer vergangenen
Zeit angehörig zu betrachten, oder doch sein Schicksal als
eine Folge der nunmehrigen Verhältnisse, wo der Bauer
und seine Angehörigen immer die Betrogenen sind. Das
aber ist von dem alternden Meister erschütternd genug
geschildert worden, um ein Denkmal der heutigen Lage
des Bauernstandes abzugeben.

Erika.

Novelette von Deinz Tovote.


Es war früh morgens und er belegte mich sofort
mit Beschlag, ich mußte mit ihm ins Atelier kommen,
wo er mir die Arbeit der letzten Wochen zeigen wollte;
denn er gehörte zu jenen Ausnahmen unter den Künstlern,
die zum Ansporn immer erst das Urteil anderer nötig haben.

Sobald ihm die Idee zu einem neuen Bilde kam,
fing er an davon zu sprechen, er erörterte alles im
Freundeskreise und redete sich dabei schließlich in die
hellste Begeisterung.

Dann fing er den ersten Besten ab, schleifte ihn
mit, zeigte ihm seine Skizzen, seine Entwürfe, forschte
nach seiner Meinung, und selten war jemand so un-
höflich, um ihm nicht beizustimmen, ihm nicht Mut zu
machen, eine angefangene Leinwand zu vollenden.

Er hatte nichts lieber, als wenn man ihn besuchte
und den ersten besten Unbekannten mitbrachte — dann
gefiel er sich, mit seinem ganz hübschen Talente zu
paradieren, den Herrn und Meister des Ateliers zu spielen,
und das selbstverständliche Lob derartiger Gelegenheits-
besucher mit Genugthuung einzuheimsen.

Ohne den steten Trieb von außen kam er zu nichts,
verlor er zu leicht den Mut, weil er im Grunde nicht
so recht an sein Talent glaubte, zu langsam und zu
schwer arbeitete. Das Schwungrad mußte erst immer
von anderen in Bewegung gebracht werden; dann war
er aber unverdrossen bei der Arbeit wie einer. —

Auf dem Wege der Potsdamerstraße, über den
Lützowplatz nach der Kleiststraße erzählte er mir mit
einer unnachahmlichen Selbstzufriedenheit von seinem
neuesten opus, ohne daß ich mir klar wurde, was er eigent-
lich damit darstellen wollte.

Die Septembersonue lag mit mildem Morgenscheine
über den Straßenszenen des Westens, die an uns vorüber-
zogen.

Wir schritten hastig aus, während Erich ohne Unter-
brechung auf mich einredete; er hörte sich gar zu gern
sprechen.

So kamen wir jenseits des Lützowplatzes an ein
paar Neubauten vorbei, aus denen uns jene eigentümliche
Kälteluft entgegenschlug, untermischt mit dem dumpfen
Geruch nach Kalk und nassen Steinen.

Wir blieben einen Augenblick auf dem Damme
stehen, um uns den prächtigen Sandsteinbau zu betrachten,
der seiner Vollendung entgegenging.

Bus Eugen Ulimschs DkiMnbuch

Als wir wieder auf den an der Planke sich hin-
ziehenden Brettersteig zugingeu, stand an dem Ausgange,
wo von einem Wagen eben ein mächtiger rohbehauener
Steinklotz abgeladen wurde, ein diesen Vorgang beauf-
sichtigender Maurer, offenbar ein Polier, der Plötzlich
stutzte, mit vergnügtem Grinsen die Mütze Herabriß, als
auch Erich ihn schon begrüßte und dem Manne herzhaft
die Hand hinstreckte, der die seine erst tüchtig an seiner
Hose abwischte, ehe er sie dem Maler gab.

Ich hörte, während ich weiterging, ein paar Phrasen:
wie es zu Hause gehe — gut; der Erika ginge es sehr
 
Annotationen