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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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August Noack: zu seinem 70. Geburtstage
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Pecht, Friedrich: Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0060

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August Noack — Rundschau

Darmstadt für Zeichnen und Malen, waltet der Künstler
seines Amtes noch heute in ungeschwächter Kraft und
erfreut sich der herzlichsten Verehrung seiner zahlreichen
Schüler und Bekannten, bei glücklichem Familienleben,
wodurch sich der bejahrte Meister Herz und Sinn jung
zu erhalten wußte und als Siebzigjähriger mit freudigem
Schasfensdrange und nicht ermüdendem Fleiße sich immer
wieder neuen Aufgaben zuwendet, unwandelbar treu
seinem künstlerischen Glaubensbekenntnis, daß das Wesen
der Kunst in der gleichmäßigen Durchdringung von Natur
und Idee enthalten sei.

Kundschau

vom Herausgeber

ie Pforten des Glaspalastes sind nunmehr geschlossen
und alle Welt ist wenigstens darüber einig, daß
diese Ausstellung in Bezug auf die geschmackvolle Anord-
nung und den wohlthuenden Eindruck des Ganzen die
gelungenste war, die wir bisher in München gesehen.
Und das obwohl ihr in Bezug auf den Wert einzelner
Produktionen manche ihrer Vorgängerinnen unstreitig
überlegen waren, da es eigentliche Zugstücke, Schöpfungen
allerersten Ranges diesmal kaum gab. Um so deutlicher
sprach sich aber im Ganzen der Gang aus, den unsre
gesamte Kunstentwickelung seit Anfang des Jahrhunderts
nimmt. Sie offenbart deutlich ein Fortschreiten zu immer
größerer Freiheit der Behandlung und zugleich die Her-
stellung eines innigen Zusammenhanges zwischen den ein-
zelnen Künsten. Dabei übernimmt jetzt die Baukunst
wieder die Führung und man wird gestehen müssen, daß
ihr dieselbe noch nie so glänzend gelungen ist als Heuer
im Glaspalast. Selbst abgesehen von den beiden Lenbach-
schen Kabinetten, diesen Meisterstücken stimmungsvoller
Anordnung, gab es noch eine Menge Räume, wir nennen
hier nur den großen Skulpturensaal, die lange Galerie und
andres, wo man nicht in einer vergänglichen Schöpfung
des Tages, sondern in einer mit aller Sorgfalt langsam
geschaffenen und ausgewählten Kunstsammlung sich zu
befinden glaubte. Das kann man jedenfalls mit Be-
stimmtheit behaupten, daß Plastik und Malerei sich dank
der dekorativen Kunst der Architekten noch niemals so
innig verbunden gezeigt haben bei uns in diesem Jahr-
hundert, die Einheit der drei bildenden Künste niemals
so deutlich hervorgetreten ist.

Fragen wir uns nun aber, wer zu dieser als das
Hauptziel der heutigen Kunstbewegung zu bezeichnenden
größeren Leichtigkeit und malerischen Freiheit unsres
Kunstschaffens am meisten beigetragen habe unter den
Lebenden, so stoßen wir bei den Deutschen alsbald auf
den Altmeister Menzel als den Mann, welcher unstreitig
auf die heute herrschende Kunstrichtung bei weitem den
größten Einfluß ausgeübt. Mit der nachtwandlerischen
Sicherheit des ächten Genies hat er schon vor einem
halben Jahrhundert, also zu einer Zeit, wo man ihn
noch gar nicht zu würdigen verstand, ihn höchstens als
den schärfsten Charakteristiker unter den Lebenden schätzte,
unwandelbar auf dies Ziel vollendeter Freiheit losge-
steuert. Man sieht dies schon in seinen Illustrationen
zur Geschichte Friedrich des Großen, die in ihrer merk-
würdig malerischen Behandlung so wunderbar abstechen
gegen das steife, pedantische Wesen seiner Vorgänger,

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eines Krüger oder Peter Heß, die Sklaven des Kon-
turs bleiben bei allem, was sie machen, genau wie Cor-
nelius oder Overbeck auch, die der schönen Linie gar oft
selbst die Wahrheit des Ausdrucks opfern, während Menzel
schon damals den Kontur so viel als möglich zu ver-
stecken sucht. Wie Menzel aber nach und nach auch ein
Meister des Helldunkels wird, es bald wunderbar ver-
steht, bei jedem Bild durch die bloße Gruppierung und
Form der dunkeln und Hellen Flecken uns schon von
weitem ahnen zu lassen, was vorgeht auf dem Bilde,

Seid gegrüßt, sürchtek euch nicht! von A. Noack

das sieht man nirgends besser als auf seinen kleinen
Kabinettstücken in Guache, wie wir heute unsren Lesern
eines vorzuführen haben. Da überläßt er sich erst ganz
seiner Schilderlust und der Freude am malerisch Reizen-
den, was es auch sei. Unstreitig ist er da Rembrandt
näher gekommen als irgend ein Neuerer, und doch ganz
selbständig und modern, ja spezifisch deutsch dabei ge-
blieben. Er zeigt uns da das Auftreten von einer
italienischen Gauklerfamilie mit Kamelen und Affen in
einem süddeutschen Gebirgsdorfe, wo sie gerade vor
einem Hause mit Sommerfrischlern halten. Von diesen

Die Kunst für Alle VIII

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