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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Stockbauer, Joseph: Noch einmal die orientalischen Teppiche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0166

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ck?och rinmal die oririilsüschrn Leppiche

(Siehe Heft 3)

1 oran erkennt man die alten orientalischen
Teppiche? Was ist beim Einkauf solcher
Teppiche zu beachten? Wie unterscheiden sich
die einzelnen Arten? Diese drei Fragen zu
beantworten, will ich nun versuchen.

Volcharischrr Teppich

1. Vor mehreren Jahren kam ein ganz
besonders schöner, in seiner Art 'einziger,
orientalischer Teppich in den Besitz eines
reichen Wiener Kaufmanns, und Sach- und
Fachvcrsiändige drängten sich an die Er-
klärung und Bestimmung dieses seltenen
Stückes. Eine in ihrer Art mustergiltige
Abhandlung darüber erschien aus der Feder
des gelehrtesten Wiener Orientalisten und
versuchte mit kaum anfechtbaren Wahrschein-
lichkeitsgründen, daß der Teppich aus dem
Ick. Jahrhundert stamme. Jahre vergingen,
da erschien ein zweites Exemplar dieses
Teppichs und man konnte Nachweisen, das;
dieses in den 70 er Jahren ds. Jhdts. ge-
fertigt worden war. Auf der vorjährigen
Teppichausstellung in Wien waren beide
Teppiche nebeneinander zu sehen und —
kaum zu unterscheiden, und heute ist die
Frage noch ungelöst.

Altes und Neues von einander zu unter-
scheiden, erfordert selbst bei gewöhnlicheren
Kunstwerken und Arbeiten einen durch viele
Übung geschärften Blick und selbstverständ-
lich ein gründliches, kulturgeschichtliches und
archäologisches Studium. Ohne dieses werden
sichere Schlüsse kaum möglich sein. Nament-
lich gilt dieses aber von den Erzeugnissen
des Orients, über deren Geschichte wir weit
weniger unterrichtet sind als man gewöhn-
lich glaubt, und zu den allerschwierigsten
Kapiteln der orientalischen Gewerbegeschichte
gehören die Teppiche. Welche Legenden haben
sich doch um die sogenannten Polenreppiche
gesammelt, bis die genannte Teppichaus-
pellung mit den hauptsächlichsten derselben
aufgeräumt hat! Es gicbt allerdings einige
sichere Kennzeichen für die Altersbestimmung
alter Teppiche, z. B. Inschriften und Zahlen.
Diese kann aber nur ein gründlicher Kenner
der Sprache und Schrift verwerten. Kommen
an einem Teppich Anilinfarben vor, so ist

leicht zu bestimmen, daß derselbe der neuern
Zeit angchöit. Schwieriger wird der Schluß
aus der sichtbaren Abnützung, denn häufig
hat dieselbe nicht im Alter, sondern in der
barbarischen Behandlung früherer abend-
ländischer Besitzer ihren Grund. Tie innern
Gründe für eine Altersbestimmung orien-
talischer Teppiche aus der Arbeit selbst und
der Musterung können aber erst dann wirk-
sam ins Feld geführt
werden, wenn wir
über die Geschichte
dieser Kunst besser als
jetzt unterrichtet sind.
So viel ist heute aber ^
schon sicher, daß, je
konventioneller das
Ornament ist, desto
jünger der Tevpich ist.
Je älter eine Kunst- !
leistung ist, desto origi- >
neller ist die Deko- j
ration, desto mehr i
lehnt sie sich an das ^
ewige Vorbild der Na- ^
tnr an. Auch die'
Solidität der Arbeit
bürgt in der Regel für
höheres Alter und ^
weist auf eine Zeit ^
zurück, in der der
Massenexport noch
nicht jenen Umfang
i angenommen hatte, wie heutzutage.

Einen ganz wesentlichen Beitrag für die
Klärung unsrer Frage darf man von dem
großartigen Werke über orientalische Teppiche
erwarten, welches das österreichische Handels-!
museum hcrauszugeben angefangen hat.

2. Was hat man bei Ankauf alter
orientalischer Teppiche zu beachten? Bor
allem das, daß sie schön und gut erhalten
seien. Nun sind aber Schönheit und Alter
zwar zwei oft nebeneinandergehende Begriffe,
die aber nicht immer zusammenfallen, ge-^
j radeso wie bei andern kunstgewerblichen i
! Produkten auch. Was uns an alten Sachen i
^ anzieht, ist neben der Pietät, die für die-
selben empfunden wird, ihr originelles, indivi-
! duelles Gepräge. Es fehlt ihnen die schab-
lonenhafte Monotone, die uns an modernen
j Arbeiten oft so abstößt, jene mechanische
I Ode, jener gelockte, schwächliche Zug. Gerade
! bei den orientalischen Teppichen macht sich
j aber diese moderne Eigenschaft im allge-
j meinen weniger breit, weil Tradition
^ und Technik und die hausindustriellc Her-
> stellung derselben dagegen stehen. Der
etwas derbe, kräftige Zug, de> die alten
Teppiche auszeichnet, findet sich vielfach auch
noch an jüngeren Arbeiten und dabei jene
originelle Abwechslung der Farben an einem
und demselben Ornament, so daß man kaum
die Wiederholungen merkt und endlich jene
malerische Ungenauigkeil, die keinen besondern
! Wert darauf legt, daß eine Hälfte wie die
j andre, ein Zwickel wie der andre und eine
Ranke wie die andern sei. So frei der
Orientale in der Behandlung des ornamen-
talen Teiles seines Teppichs ist, so gebunden
erachtet er sich aber an technische Voll-
^ kommenheit, und Teppiche, die nicht^streng
j rechtwinklig schließen, die verschiedene Seiten-
^ längen haben, sind wohl nur im Abend-
^ lande an den Mann zu bringen.

Ist ein alter Teppich zu Schaden ge-
kommen, so wird er oft in der unverantwort-
lichsten Weise von ungeschulten Händen
restauriert und nicht selten begegnet man
roh eingesetzten Flecken und Stücken an wert-
vollen Exemplaren. In Wien und auch
anderswo bestehen eigene Geschäfte, die sich
mit der Reparierung beschädigter Teppiche
befassen; freilich kommen derartige Aus-
besserungen ziemlich hoch zu stehen.

3. Wie unterscheidet man die orienta-
lischen Teppiche nach Herkommen und Her-
stellungsart ?

Der gelegentlich der vorjährigen Wiener
Ausstellung veröffentlichte vortreffliche Kata-
log führt die ausgestellten Teppiche sehr
detailliert beschrieben auf, aber bei vielen
und gerade den interessantesten Stücken ist
weiter nichts als „Altorientalisch" angegeben.
Dieses beweist, was übiigens allen Fach-
leuten bekannt ist, daß ein bestimmtes Urteil
über Herkommen und Land nicht möglich —
wenigstens zur Zeit nicht möglich ist. Wir
unterscheiden große Gruppen, die persische,
zentralasiatische, kaukasische, auatvlische,
marokkanische, dann bosnische, serbische und
griechische Teppiche, aber in diesen Gruppen
treten wieder viele einzelne Unterschiede auf,
die das Bild außerordentlich vielgestaltig
machen. Dazu kommt noch, daß die Handels-
benennungen in vielen Fällen nicht ganz
richtig sind.

Die persischen Teppiche werden vorzugs-
weise in Ferahan, Senne, Kaschkai und
Koraffan gearbeitet. Der Ferahan-Teppich
bevorzugt ein kleines, aus verschiedenen
Blumen scheinbar unregelmäßig zusammen-
gesielltes Muster, welches nach der Stadt
Hcrat genannt ist, und eine aus auf- und
absteigenden Palmwipfeln bezw. Federn ge-
bildete Borde. Der Senne-Teppich ist be-
kannt durch seine Feinheit, seine Noppen-
dichtigkeit und sein zierliches Blumenmuster.
Er dient selbst im Orient weniger als Fuß-
teppich als vielmehr als Behang und Divan-

Kruchnlischrr Teppich
 
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