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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Relling, ...: Der Fall Munch
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Pecht, Friedrich: Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0138

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Der Fall Ntunch. Von Or. Rehling — Rundschau, vom Herausgeber

beantragte die Munchsche Ausstellung sofort zu schließen.
Der Antrag wurde von Dielitz unterstützt. August von
Heyden, doch auch einer der Alten und darum hätte sein
Wort besonderes Gewicht haben sollen, mahnte vergebens
zum Frieden und sprach den von den Jungen hell be-
jubelten Satz aus: in der Kunst muß jeder zum Wort
kommen. Vergebens. Der Antrag Eschke wurde, wenn
auch mit geringer Majorität, angenommen. Die Ans-
stellungskommission legte teilweise ihr Amt nieder. Die
Jungen verließen unter Führung von Köpping und
Hugo Vogel in Hellem Zorn den Saal und konstituierten
sich als freie Künstlervereinigung. Die Zurückgebliebenen
wählten eine neue Ausstellungskommission.

Selbst in Berlin, wo man das Leben der Künstler
wenig zu beobachten pflegt, haben diese Vorgänge doch
starkes Aufsehen gemacht. Allgemein hat man richtig
herausgefühlt, daß es sich nicht allein um Mansch handelte,
sondern um die Bekämpfung unbequemer Ideen der Jungen
und bei einigen nebenbei um die Maßregelung der Aus-
stellungskommission. Darum ist es keine bloße Vereins-
angelegenheit, sondern eine öffentliche Sache. Wer siegen
wird? Schließlich natürlich die Jungen, denn die haben

lvz

schon deßwegen das letzte Recht, weil sie die Jungen
sind, freilich ein brutales Recht. Das hätten die Alten
überlegen sollen, bevor sie sich in den ungleichen Kampf
einließen. Und auch der Gedanke hätte sie trösten und
zurückhalten müssen, daß auch den Jungen schließlich die
Stunde schlägt und sie dann als Alte ihre Jungen finden
werden, die ihnen den Kopf mit irgend einem neuen
—ismus heiß machen.

Wir draußenstehenden Kunstfreunde haben zunächst
den Schaden. Denn die frühere Kommission, mochte
man sich zu ihr stellen, wie man wollte, hatte doch das
löbliche Bestreben, interessante Bilder in reicher Abwechs-
lung zu bringen. Sie waren nicht immer jedermanns
Geschmack, aber sie interessierten doch. Ich ärgere mich
lieber über ein Bild, als daß ich mich davor langweile.
Was wird die neue Kommission ausstellen? Ich sehe
die Säle schon vor mir: lauter Bilder von Eschke,
Touzette, Scherres, Dielitz, dazwischen ein fader Düssel-
dorfer als seltene, wenn auch nicht angenehme Abwechs-
lung. So langweilig wie eine Verhandlung im Bezirks-
verein oder ein Kunstartikel in der Post. Ich werde
wohl nicht mehr hingehen.

Rundschau

Vom Herausgeber

^l^bnn man oft die Meinung aussprecheu hört, der
-1.»^ moderne Naturalismus verstehe nicht, uns tiefer
zu ergreifen, da er zu sehr am äußerlichen hafte, im
Detail stecken bleibe, um zu einer freieren Beherrschung
des Ganzen, zum Ausdruck einer erhöhten Stimmung zu
kommen, so mag man damit nur zu oft recht haben.
Dennoch giebt es fortwährend einzelne Kunstwerke, die,
obwohl der Natur in allem und jedem nachgeahmt, doch
in dieser Nachahmung eine solche Wahrheit und solches
Talent entwickeln, daß sie auf unser Gemüt gerade durch
ihre Treue und Ehrlichkeit dennoch einen erhebenden und
befreienden Eindruck machen. — Dazu gehört nun frei-
lich, daß der Künstler sich einen Vorgang und Personen
aussuche, die uns auch in der Natur, trotz deren ewigen
Unvollkommenheit erquicken müßten, wie es z. B. alle
Schilderungen des Kinderlebens thun. Tenn die Kinder
in ihrer naiven Unbefangenheit und Unschuld wirken auf
uns Alte immer erfrischend, ja oft entzückend, weil sie
selber noch so ganz bei jeder Sache, allen äußern Ein-
drücken so zugänglich sind. Darum, weil es die Kinder-
gemüter in einem Augenblick besonderer Erhebung mit
so überzeugender Wahrheit schildert, bringt denn auch
unser heutiges Bild von Frithiof Smith, eine von
der ersten Kommunion zurückkehrende Mädchenschar,
einen so entzückenden Eindruck hervor. Und das, obwohl
es uns diese Backfische in aller ihrer Bedingtheit durch
Herkunft, Stand und enge kleinstädtische Verhältnisse,
aber gehoben durch die Macht des Glaubens und die
religiöse Begeisterung, zeigt. Sieht man doch augenblick-
lich, daß das katholische Mädchen aus irgend einem
thüringischen oder westphälischen Städtchen sind, die sich
da durch ihre der Kommunion vorausgegangene Beichte,
durch die Sündenvergebung und feierliche Aufnahme in
die Gemeinschaft der Gläubigen, nebenher aber auch
durch die schönen, neuen, weißen Kleider und die Kränze

Das drischt.

)xazir' ich daneilich in
lviesendhal

Un denke an nischt Genaues,

Da watschelt dorch's Gras mit eenen Mal
So was Schwarz-un-weiß-un-graues.

Da gingk Sie sxaziren ewenfalls
Der Storch mit bedächdigen Sinne,

Ä lveidenkerbchen hatt' er um Hals,
vier Besuchen strambelden drinne.

„Nee," rief ich, „das allerliebste Zeig!

Die Guckelchen un die Häärchenl
Sagt, Meester Ulabberstorch, nur gleich,
lver krigt denn das Zwillingksbäärchen?"

„Ei", sagde der Storch in belehrenden Don,
„Da; deischt; denn ich kann Sie's bedheiern
Das eene das is Sie ä Grafensohn,

Und das andre das bring' ich der Ukeyern."

Probe aus Bormann „'s Buch von Klabberstorche"

(Siebe Seite 105)
 
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