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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Adelung, Sophie von: Eine Plauderei über Modelle
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Pecht, Friedrich: Weihnachtsbücherschau [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0078

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Line Plauderei über Modelle — lveiknachtsbücheischan

Der musikalische Verein bei Baron v. Fraunhofer, von F. Graf v. Pocci

durch allerlei hübsche Dinge, die ich ihr schenkte, aufzu-
heitern. Sie lachte auch bald wieder und vom Schwester-
lein war nie mehr die Rede. In mir aber wurde der
schwarze Verdacht rege, ein Verdacht, den ich seither
nie mehr losgeworden bin — daß Minele die kleine
Rührszene improvisiert hatte, um eine Viertelstunde lang
das ihr verhaßte Sitzen los zu sein und daß das
„Schweschterle" niemals existiert hatte. Am Schluß einer
solchen, ebenfalls sehr verunglückten Sitzung rutschte sie
seelenvergnügt von ihrem Stuhle und vom Podium herab,
lief in die Mitte des Ateliers, schüttelte dort ihre kurzen
Röckchen aus und rief mit strahlendem Gesicht: „Das
sag i aber —! wenn i amol groß bin, nachher laß i
mer au Simpelfranze wachse!"

Ein neunjähriges blondhaariges Modell ist hingegen
ein Muster von Artigkeit und Geduld. Mariele ist ganz
von Pflichtgefühl durchdrungen, so daß es ein Vergnügen
ist, die blonde rotwangige Kleine zu malen. Sie steht
unbeweglich in ihrem kurzen weißen Röckchen und den
herabgetretenen Schühchen hinter dem geschnitzten Banern-
stuhl, die gefalteten Händchen auf dessen Lehne gelegt.
Von Zeit zu Zeit wirft sie einen prüfenden Blick auf
die fest ineinandergeschlungenen dicken Fingerchen, wie
um sich zu vergewissern, daß auch noch alle zehn da
sind. Wenn ich sie aber frage: „Nun, Mariele, bist
wolmüde?" dann schüttelt sie zuerst ernsthaft den Kopf.
Dringe ich aber in sie und sage: „Mariele, du möchtest
jetzt gewiß wieder einmal ausruhen, nicht wahr?" dann
kommt zuerst ein tiefer, langgezogener Seufzer so recht
aus innerster Seele und dann ein „'s geht scho no!"

Das ist aber doch im großen Ganzen eine Aus-
nahme und ich kann es dem kleinen Knaben, welcher zu
seinem Porträt sitzen mußte, nicht gar so sehr verdenken,
wenn er sagte: „Ich wollte nur, ich wäre ein großer

Bär — dann würde ich alle Maler auf der Welt auf-
fressen!" — Daß er sich da an manchen eine tüchtige
Indigestion zugezogen hätte, davon ahnte er freilich nichts.

So lange wir aber nach der Natur malen — und
das möge nie aufhören, so lange ein Maler lebt — wollen
wir danach trachten, unsre Modelle, diese bescheidenen
und doch so unentbehrlichen Hilfsmittel, nicht bloß als
lebendige Gliederpuppen zu betrachten, sondern als Wesen,
deren Beruf auf eine geachtetere Stufe zu heben ist und
die es im Interesse der Kunst sowohl als der Menschheit
verdienen, daß man sie aus berufsmäßigen Nichtsthuern
zu bewußten Mitarbeitern an der großen Aufgabe macht.

WeihnachtMlchcrschau

vom Herausgeber

rnold Böcklin. Eine Auswahl der hervorragendsten Werke
des Künstlers. 40 Photogravüren. Verlagsanstalt sür
Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann. (Preis
in Mappe, vor der Schrift 200 M., mit der Schrift 100 M.)
Selten noch waren wir so glücklich, unsre Weihnachtsrevue mit
einem so reizvollen Werke eröffnen zu können, als es uns Heuer
mit dieser so wunderbar gelungenen Sammlung der besten Werke
des berühmten Schweizer Künstlers gegönnt ist. Seit 4a Jahren
beschäftigt dieser merkwürdige Meister in fortwährend steigendem
Maste die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde, weil er mit seiner
unnachahmlichen Mischung von barokem Humor und bestrickendem
Schönheitssinn, von reinstem Idealismus inmitten einer immer
naturalistischer und nüchterner werdenden Welt, mit seiner durch-
aus eigenariigen Gestaltungskraft eine in unsrer Knnstwelt ganz
unerhörte Erscheinung darstellt, die ebenso einzig in ihrer Art
bleibt als Menzel in der seinigen. Ja die beh aller Abwendung
vom wirklichen Leben kaum weniger als dieser ein scharf aus-
gesprochenes nationales Gepräge allen ihren Werken ausdrückt.
— Wenn Böcklin nun unleugbar von allem Anfang an die
Gabe hatte, uns unwiderstehlich zu fesseln, so verdankt er das

Der musikalische Verein bei Baron u. Fraunhofer, von F. Grafv. pocci
 
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