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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Barth, Hans: Aus dem Deutschen Künstlerverein in Rom
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Pecht, Friedrich: Rundschau
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Preisausschreiben - Vermischtes
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0220

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170 Aus dem Deutschen Uünstlerverein in Rom. — Rundschau, vom Herausgeber. — Personal- und Ateliernachrichten.

seitigkeit des Klingerschen Talents gesellt sich ein Gefühl
des Unbehagens, das wir selbst bei den düstersten Szenen
in seinen Radierungen nicht empfinden. Aber auch hier
— wir gestehen es unumwunden zu — auch hier spürt
man das Walten jener unbewußten, geheimnisvollen Kraft,
durch die der junge Künstler so Gewaltiges vollbracht
hat — jener Macht, deren Gaben aber auch zuweilen
Danaergeschenke sein können.

Rundschau.

vom Herausgeber.

edermann fällt gewiß die ungewöhnliche Verschieden-
heit der Kunstrichtungen auf, wie sie sich in unfern
heutigen Bildern ansspricht, wo man zuerst der edel und
groß komponierten Himmelfahrt Mariä von P. Kießling,
einem Klassizisten der Cornelianischen Schule, der offen-
bar sich zu malerischer Selbständigkeit durchgerungen,
begegnet, um von ihr zur Abendmahlsfeier eines ganz
modernen Naturalisten überzugehen. Dann muß mau
sich aber auch noch durch einen Engländer zu venetia-
nischen Gondolieren an den Canal grande führen lassen,
oder gar in die Lofoten Norwegens wohl mit einem
ehemaligen Schüler Gudes verirren! Das zeigt uns wieder
einmal recht deutlich den rastlosen Wechsel, in den unser
von allen Seiten beeinflußtes Kunstschaffen hineingeraten
ist. Denn wer denkt heute noch an den einst in München
und Dresden so abgöttisch verehrten Cornelius oder gar an
den doch noch lebenden, ja erst vor 15 Jahren auf der
Pariser Weltausstellung mit der Ehrenmedaille gekrönten
Gude? Es ist aber geradezu unglaublich, was wir in
Deutschland wie in Frankreich seit 80 Jahren für eine
Menge Unsterblicher hervorgebracht haben, die nach zehn
Jahren für die Welt gestorben sind, weil sie schon
niemand mehr kennt! Unsre Heroen waren wenigstens
nur in Deutschland berühmt, aber die französischen großen
Namen hatten in der ganzen Welt Geltung und dennoch
ist es ihnen noch schlimmer ergangen. Oder wer spräche
heute noch von David, Gros, Gerard, oder selbst von
dem einst von Kaisern und Königen um die Wette ge-
feierten Vernet, von Ingres, Delaroche, Scheffer —, sie
sind alle in Frankreich fast so spurlos vergessen, als jene
antikisierenden Vorgänger oder gar die sämtlichen künst-
lerischen Vertreter des zweiten Kaiserreichs, von denen
fast nur Meissonier noch im Gedächtnis fortlebt. Geblieben
sind außer diesem dort einstweilen nur noch wenige Land-
schafter und ein paar Genremaler wie Courbet und
Millet oder Bastien Lepage, weil sie den Anstoß zur
naturalistischen Kunst der Republik gaben. Man muß
also von Vorneherein zugeben, daß die Mode bei uns
wie in der ganzen Welt eine nicht geringere Macht aus-
übt über die Geltung der führenden Geister im Reiche
der Kunst, als über die Form der Röcke und Hosen, die
sie tragen. Das scheint untröstlich, denn wie soll sich
bei diesem unaufhörlichen Wechsel jemals ein Stil aus-
bilden? Oder gar eine nationale Kunst, wie es die der
Italiener, Deutschen, Spanier und Niederländer vom
15. bis 17. Jahrhundert war? — Damals existierte die
Mode wohl auch, aber sie verbreitete sich doch so langsam,
daß jede Richtung Zeit fand, sich vollkommen auszuleben,
während heute, wo es keine Entfernungen mehr giebt,
das was in Madrid oder Norwegen auftaucht, morgen

schon in Paris oder München nachgeahmt, übermorgen
aber wieder vergessen wird. Indessen giebt es — auf-
fallend genug — immer einige Ausnahmen von dieser
Regel des Vergessenwerdens; es sind das gerade die
Künstler, welche den Genius ihres Volkes ganz besonders
scharf ausprägen, so Menzel bei uns und der obenge-
nannte Meissonier oder Delacroix bei den Franzosen.
Ja Menzel ist merkwürdigerweise im Laufe der Jahre
immer noch gewachsen, man versteht und würdigt ihn
jetzt zweifellos viel besser sogar als vor einem halben
Jahrhundert, und Meiffoniers Bilder vollends werden
in dem reichen Paris mit Gold ausgewogen. Überhaupt
wird man bald die Bemerkung machen, daß man be-
kanntlich nichts so sehr verachtet, ja haßt, als die Mode
von gestern, dagegen manche sich langsam zur allgemeinen
Geltung aufringen, die eigentlich gar nie in der Mode
gewesen sind, andre auf einmal wieder ausgegraben und
auf den Altar gestellt werden, nachdem sie schon Jahr-
hunderte im Grabe gelegen waren, wie der arme Fla-
mänder Watteau, der die vornehmen Franzosen unter
Ludwig XIV. besser schilderte als je ein andrer. Ist ja
auch Chodowiecky bei uns lange Jahre ganz vergessen
gewesen und eigentlich erst durch seinen sehr viel größeren
Nachfolger Menzel wieder zu Ehren gekommen. Und so
wird einer nach dem andern von den Kunstforschern
wieder heraufgeholt, und wenn er nur wirkliches Ver-
dienst hat, sogar viel unparteiischer gewürdigt, als da
er noch lebte, wo dem Überschätztwerden die gänz-
liche Nichtachtung oft auf dem Fuße folgt. Allerdings
ist es für die noch bei Lebzeiten Vergessenen recht un-
bequem, wenn sie sich damit trösten sollen, daß man sie
nach Verlauf eines Jahrhunderts erst recht wieder schätzen
werde, da man von dieser Verehrung der Nachwelt doch
eigentlich sehr wenig hat. Da kann man den Betreffenden,
die von ihrer Mitwelt so unbillig behandelt worden nur
raten, sich ihrer künftigen Wiederauferstehung nur einst-
weilen im Stillen pränumerando zu freuen. Wenn sie
nur erst überhaupt etwas wirklich Gutes gemacht
haben, so wird es ihnen an Bewunderung früher oder
später sicherlich nicht fehlen. Es ist sogar ziemlich gleich-
gültig, ob dieser ächte Kunstgehalt in der Zeichnung oder
Färbung, in der gesunden Auffassung des wirklichen
Lebens oder, wie bei Böcklin, in Gestaltung einer phan-
tastischen Traumwelt und ihrer geschickten Verbindung
mit der Natur liege —, wenn er nur irgendwo zu finden
ist, so wird er auch unfehlbar gefunden werden. Nur
handelt es sich bei der Kunst immer ums Können, nicht
ums Wollen!

-X-

Personal- u. Melier-Nachrichten.

tr. Düsseldorf. Carl Gehrts hat für die Bühne im
„Malkasten" einen Vorhang gemalt, der am heil. Dreikönigentage
feierlich enthüllt und eingeweiht wurde. Derselbe ist ein neuer
vornehmer Schmuck des schönen Künstlcrheims im alten Jacobischen
Garten. Die Hauptggruppe der reiz- und phantasievollen Kom-
position bildet eine ideale Frauengestalt, die Verkörperung der
Kunst und Künstlerpoesie. Neben ihr sitzt eine Puttenfigur, die
Schalknarrenmütze auf dem Kopf, welche eine Gerte in der Hand
hält, mit der sie eine griesgrämig dreinschauende Eule, einen
Kauz, kitzelt und neckt. Uber dieser Gruppe treiben Amoretten
mit Malergerätschasten ihr lustiges Spiel in der Luft. Die
landschaftliche Szenerie ist diejenige des Jacobischen Gartens mit
seinen uralten Bäumen, unter denen schon Goethe und andre vor-
 
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