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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Barth, Hans: Aus dem Deutschen Künstlerverein in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0219

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Aus dem Deutschen Unnstlerverein in Rom. von i)r. löans Barth.

Rätin, Hochwohlgeboren, von der Spree. Es soll meine
Pflicht sein, die weise Dame zu interviewen und
Ihren Lesern dann das Urteil des einzigen menschlichen
Wesens kundzuthun, das Max Klinger versteht.

Eilen wir zur Skulptur. Wir haben bereits Tnaillon
erwähnt, dessen entzückende Bronzestatuette (die im Sessel
träumende Phryne) eine Grazie und Natürlichkeit der
Modellierung bekundet, die man bei manchen seiner
Kollegen vermißt. Professor Sommer, der berühmte
Papa des Teufels auf der Fliegenjagd, bringt diesmal
einen Brunnencentaur und eine allerliebste Statuette:

io 80N0 8i§nore" (italienischer Gassenjunge, der
sich stolz einen gefundenen Handschuh anzieht). Mit

Gs

jüngst verstorbene Martin Eiffe mit der Porträtbüste
des Dichters von „Schleswig-Holstein meerumschlungen",
M. F. Chemnitz, vertreten, endlich Klinger — jawohl, Max
Klinger, dem sein Spiritus tamiliaris in der „Trance" statt
des Pinsels einmal den Meißel in die Hand gedrückt hat.
Es ist eine Büste, eine mehrfarbige Frauenbüste, „Die
neue Salome", mit welcher der geniale Träumer von
der Piazza Tartaruga als Bildhauer debütiert. Eine
Schöpfung, von der man in der That nicht weiß, ob
sie mehr großartig oder mehr bizarr sei; vielleicht beides.
Man denke sich eine in allen Farben des Regenbogens
schillernde, gefühlskalte, japanesische oder chinesische Bajadere
in Pagodenhaft steifer Haltung, aber gleichzeitig und

liebenswürdigen Arbeiten ähnlicher Art erfreuen uns
auch Stanislaus Cauer und Seeböck, letzterer
ein glücklicher Schüler Sommers. Katsch-Berlin stellt
die energisch durchgeführte Figur eines auf den Plan
tretenden Fechters, Volkmann eine bemalte griechische
Männerstatue, Professor Gerhard ein edles Grabrelief,
endlich Jllitsch eine Kolossalgruppe (Adam und Eva)
aus; ein Sujet, das der junge Michelangelo iu spe —
sintemalen und alldieweilen bereits einige „berühmte
Muster" dafür existieren — vielleicht besser erst nach
reiflicherem Studium behandelt hätte. An Talent fehlt
es Jllitsch jedoch sicher ebensowenig, als an Kühnheit.
Im Porträt ist Kopf mit einer seelenvollen Mädchen-
büste (des Mädchens Klage), E. Fuchs gleichfalls mit
einer, notabene reizenden, weiblichen Büste, dann der

trotzdem von einer Grazie und Natürlichkeit der Formen,
daß man bei den Armen und Händen geradezu auf
Naturabguß schließen möchte. Die starre, weibliche Figur
mit dem braunroten Haare, dem chinesisch geschnittenen
schmalen Gesicht, dem die eingesetzten matten Bernstein-
augen etwas Unheimliches, Fürchterliches verleihen, sitzt
ruhig und teilnahmslos da, wie ein Heiligenbild in
einem Astartetempel; die feingebauten Arme sind über
dem grünen, faltigen Gewände gekreuzt und vor der
Figur lehnt rechts und links je eine Maske mit blut-
unterlaufenen, geschlossenen Augen; zwei Larven, wie die
vom Rumpf getrennten Köpfe von Enthaupteten, hier
der Greis, dort der Jüngling — beide Opfer der mo-
dernen Salome. Der Eindruck, den das Werk macht,
ist schwer zu definieren; zur Freude über die Viel-

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