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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Pecht, Friedrich: Rundschau
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Vom Kunstmarkt - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0061

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42

Rundschau — Personal- und Ateliernachrichten

steht der Mann hemdärmelig auf der Freitreppe, um
sich mit der Frau und den jubelnden Kindern den Spek-
takel unten behaglich anzusehen, während sich die Bauern
und Straßenjungen unten gaffend um die fremdartigen
Vierfüßler gesammelt haben, die ihr Führer mit seinem
vollendeten welschen Spitzbubengesicht gerade so lange
paradieren läßt, bis sein phantastisch aufgeputztes
Mädchen mit dem Sammelteller überall herumgekommen.
Es ist eine Szene, wie sie in jedem oberbayerischen
Dorfe alle Tage genau so Vorkommen kann, und doch
hat ihr der Meister einen malerischen Reiz abzuge-
winnen verstanden, wie er nicht größer gedacht werden
kann, und durch das anscheinend so ganz Zufällige und
Ungesuchte derselben noch unendlich erhöht wird. Denn
darin übertrifft Menzel eben alle modernen Nebenbuhler
und Vorgänger, daß seine Bilder niemals komponiert
aussehen, durch solche anscheinende Absichtslosigkeit die
größte Glaubwürdigkeit erreichen. Während unsre ganze
Kunst von David und Mengs bis auf Piloty das Thea-
tralische nie los wird, spielt er allein nie Komödie und
hat dadurch ganz revolutionär gewirkt. Goethe definiert
irgendwo das Genie „als die Kraft, die durch Handeln
und Thun Gesetz und Regel giebt." Das gilt nun von
unsrem Meister mehr als von jedem andern modern
deutschen Künstler, denn seine Wirkung war eine geradezu
ungeheuere, er hat unsrer Kunst offenbar die Wege ge-
wiesen, die sie in Zukunft gehen soll — speziell hat er
nicht nur das meiste was die heutigen „Sezessionisten" erst
anstreben bereits geleistet, sondern auch eine Reihe außer-
ordentlicher Werke hinterlasscn, die noch für Jahrhunderte
so maßgebend für unsre Kunst bleiben werden, wie es
Dürer und Holbein auch heute noch sind. Tenn seit
diesen Tioskuren haben wir keinen so spezifisch nationalen
Künstler mehr besessen, keinen, der unsre Tugenden und
Fehler, unser ganzes innerstes Wesen so genau und
absichtslos zugleich in seinen Werken widerspiegelte!
Ohnehin hat er in seinen Bildern von Friedrich des
Großen Zeit wie aus der Wilhelms I., des Schöpfers
des Deutschen Reiches, diese unsre beiden großen Helden-
perioden mit einer schlichten Wahrheit und Anspruchs-
losigkeit der Nachwelt anfbehalten, daß ihm das deutsche
Volk schon dadurch zu ewigem Dank verpflichtet bliebe,
auch wenn er ihm nicht in seinen übrigen Werken einen
Spiegel seines individuellsten Empfindens vorgehaltcn
hätte, wie ihn unsres Wissens keine andre Nation besitzt.
Ohne Zweifel ist es gerade die Abwesenheit alles falschen
Pathos, die Schlichtheit und das anscheinend selbst-
verständliche in seinen Werken, welche deren allge-
meinen Anerkennung lange im Wege gestanden ist. —
Heute aber, nach einem halben Jahrhundert ist man sich
doch allmählig ihres ungeheuren Wertes für die Nation
ziemlich überall — selbst in Süddeutschland — bewußt
geworden, und so mag denn der kürzlich stattgehabte
Aufenthalt des großen Meisters unter uns die will-
kommene Gelegenheit bieten, ihm unsrer aller Verehrung
auszusprccheu, ihm, der die deutsche Malerei erst auf
gesunde und dauernde Grundlagen gestellt, indem er
Türersche Wahrheitsliebe mit Rembrandtschen Zauber zu
verbinden verstand.

Personal- u. Melier-Nachrichten

tb. Rom. Über den neuerdings so vielgenannten Florentiner
Bildhauer Cesare Zocchi, den Schöpfer des Viktor Emanuel-
Denkmals in Pisa und zahlreicher anderer Werke von Bedeutung,
schreibt man uns aus Rom: Cesare Zocchi wurde vor 40 Jahren
in der schönen Blumenstadt am Arno geboren. Ein früh ent-
wickeltes Talent, erhielt er, 14 Jahre alt, seinen ersten Preis in
der Akademie der schönen Künste, und zwar im Studium des
Nackten. Dies trug dem kaum recht dem Knabenalter Entwachsenen
ein auf drei Jahre berechnetes Stipendium ein. Nach weiteren
drei Jahren errang Zocchi sich bereits die goldene Medaille. Nach-
dem er sich zur Fortsetzung seiner Studien längere Zeit in Rom
und Neapel aufgehalten, erhielt er auf der Nationalausstellung
von Florenz (1877) mit seiner „Frine" wiederum eine goldene
Medaille, der Medaillen und Preise auf anderen Ausstellungen,
so in Venedig :c. folgten. Tie Kunst-Akademie seiner Vaterstadt
ernannte den so rasch berühmt gewordenen Florentiner darauf
zum Professor bonoris causa, später zum wirklichen Professor.
Zocchis Hauptwerke sind, außer dem obengenannten Viktor
Emannel-Denkmal, eine Statue Bufalini's in Cesena, ein Denk-
mal für die gefallenen Freiheilshelden in Ravenna, ein Garibaldi-
Denkmal in Florenz, zwei Grabkapcllen im Camposanto von
Cesena und das Mausoleum der Familie Bellenghi in Ravenna.
Von seinem für Trient bestimmten Dante-Denkmal ist leider
nicht dasselbe Gute zu sagen, wie von den obenerwähnten
Werken. Es fehlt demselben die Einheitlichkeit und Klarheit, die
unter dem Beiwerk der die Basis umgebenden zahlreichen
Gruppen leidet. lnssl

tr. Düsseldorf. Am 13. September feierte Professor
Julius Roeting, ein Altmeister unsrer Kunstschule seinen
siebzigsten Geburtstag in seltener Rüstigkeit. In Dresden 1822
geboren, gehört Roeting der Düsseldorfer Kunstschule seit beinahe
40 Jahren an und wirkt seit fast einem Menschenalter als Lehrer
an der kgl. Kunstakademie. Als Porträtmaler hat Prof. Roeting
insbesondere einen großen, wohlbegründcten Ruf. Auch als
Historienmaler hat er sich rühmlich hervorgethan. Das Museum
zu Dresden besitzt ein Bild von ihm, „Kolumbus vor dem
Kollegium von Salamanca". Hervorragende Werke von Roeting
sind ferner sein für die Kirche zu Leuten in Kurland gemalter
„Christus am Kreuz" und seine große „Grablegung Christi".
Unsre städtische Gemäldegalerie besitzt von ihm die vorzüglichen
wertvollen Bildnisse Wilhelm von Schadows und Carl Friedrich
Lessings.

u. Homburg vor der Höhe. Der deutsche Kaiser kaufte
am 18. September im hiesigen Atelier des Malers H. Corrodi
von Rom das Oelbild einer „Darstellung des Tempelplatzes vor
der Omar-Moschee in Jerusalem mit dem heil. Brunnen." l>4S7i
U. Berlin. Der Tiermaler Richard Friese, welcher
sich auf Wunsch des Kaisers nach den Romintner Jagdgefilden
begeben hatte, ist von dort mit äußerst interessanten Studien zu-
rückgekehrt. U47LI

— Düsseldorf. Ferdinand Brütt und Julius
Gehrts haben dem Ausschuß für die Notleidenden Hamburgs
je ein wertvolles Bild überwiesen. U4K4I

tb. Rom. Wie uns aus Rom geschrieben wird, hat der
bekannte römische Bildhauer Cesare Aureli ein Denkmal des
Kardinals Massaia vollendet, das aus dem Grab des durch seine
jahrzehntelange Missionsthätigkeit in Abessinien berühmt ge-
wordenen Kapuziners zur Aufstellung kommen soll. Tie sämt-
lichen Kosten des Denkmals werden durch eine nationale Sub-
skription bestritten, die von dem Abgeordneten und Afrikaforscher
Grafen Anlonelli eingeleitet wurde. l>4ssj

Breslau. Am 16. August ist der Landschaftsmaler
und Restaurator bei der Gemäldegalerie des Schlesischen Museums
der bildenden Künste, Gustav Ölbricht, gestorben. Geboren
am 22. Mai 1850 zu Ullersdorf in der Grafschaft Glatz, dann
nach Breslau übergesiedelt, hatte er den Grund zu seiner Künstler-
schast in den Ateliers von O. Kreyher und A. Drcßler gelegt.
Er war ein feinsinniger Maler, der die intime Landschaft an-
ziehend darzustellen wußte; als Restaurator vereinigte er große
Erfahrung mit einer ganz seltenen Geschicklichkeit. li^ss;

— München. Dem Präsidenten der Münchener Künstler-
genossenschaft, E. von Stieler, ist das Lffizierskreuz des
.sächsischen Albrechtsordens verliehen worden. lires)

tr. Düsseldorf. Am 14. September starb zu Delfst in
Holland ein alter „Düsseldorfer", der Genremaler Philipp M.
Lindo, der 1821 in London geboren, 1837 hieher kam, sich
auf der kgl. Kunstakademie ausbildete, dann selbständig sein Atelier
 
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