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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Relling, ...: Die Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0369

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Vo» vr. Relling.

29,

Münchnern Schulter an Schulter kämpfen. Da war Klinger Sezessionist bevor es eine Münchener Sezession gab. Die
Klingersche Pieta wirkt auf den ersten Blick befremdend und über manches Herbe in der Farbe kommt man schwer hinweg.
Und doch ist es auch koloristisch die abgewogenste Schöpfung, die Klinger bislang geglückt ist. Auf dem Deckel
des offenen Steinsarges liegt lang ausgestreckt der Leichnam Christi, dessen gelbblondes Haar mit dem dunklen
Ton des Fleisches kontrastiert. Am Grabe sitzen Maria und Johannes, Maria in dem unermeßlichen Schmerz,
der keine Thräne mehr kennt, in gefaßter männlicher Trauer Johannes. Er faßt die Hand der Maria, während
die Mutter die Hand Christi hält. Unübertrefflich schön sind diese Hände. Im Hintergrund ein stiller Wald,
in dem gleichsam das Schluchzen über den größten Schmerz, den die Erde erlebt, leise verklingt. Man kommt sich so
impertinent vor, wenn man als kleiner bescheidener Kunstschreiber ein solches Kunstwerk lobt. Wie gut das
Bild sein muß, geht übrigens schon daraus hervor, daß die maßgebenden Berliner Zeitungen es in der Ein-
mütigkeit, die ihnen so wohl ansteht, verdammen. Dieses sichere Zeichen für die Güte eines Kunstwerkes trügt
nie. Eine Nymphe am Wasser von Klinger zeigt ein ähnliches dunkles Kolorit des Fleisches wie der Christus
auf der Pietü. Einen wunderbaren koloristischen Effekt bringt Klingers L'henre bleue zur Anschauung. Nackte
Menschen im Mondlicht am Meer mit den roten Reflexen eines von Felsen verdeckten Feuers. Der führende
Münchner F. v. Uh de hat zunächst das schon vorher vielbesprochene Porträt eines Schauspielers ausgestellt.
Er ist in beauemer Haustracht und memoriert in nervöser Erregung eine Rolle. Doch will es scheinen, als
ob sich Uhde in diesem Bild zahmer gebe, als wohl sonst. Mich wenigstens spricht das lachende Mädchen
am Kaminfeuer mehr an, das ist ein prächtiges, gesundes Bild. Man hat ja mitunter noch Gassenjungen-
wünsche. So möchte ich, daß dieses Bild in der Berliner Akademie aufgehängt würde und jeden Tag müßten
die würdigen Professoren am Ohrläppchen vorbeigezogen werden, bis ihnen die Blätzchen und Mucken ausge-
trieben sind, bis sie gelernt haben, was an diesem Bild so gut und so gesund ist und bis sie das auch aus-
zusprechen wagen ohne Furcht vor dem bewußten Daumen.

Eine besondere originelle Kraft unter den Münchnern ist Franz Stuck. Er überrascht uns in einer-
großen Kreuzigung durch die besondere Auffassung der religiösen Malerei, die sich von der bisherigen, auch von der
Uhdes, selbständig hält. Auf einem Gerüst steht links das niedrige Kreuz mit dem gerichteten Erlöser zwischen den beiden
Schächern, rechts die ohnmächtige Maria von Jüngern umgeben, der vorderste im prächtigen großen Mantel.
Am dunkelroten Himmel links das Phänomen der Sonnenfinsternis. Unten im Grund die Köpfe der empor-
starrenden Menge. Dieses Motiv hat schon der Spanier Francesco Goya einmal ähnlich in einer Radierung
verwendet, mit dem sich Stuck manchmal vergleichen läßt, so auch in dem kleinen Bild „der Mörder".
Vielleicht ist es eine unbewußte Uebereinstimmnng. Zwei herrliche Akte sind Adam und Eva auf dem Bilde
„Die Versuchung" und außerdem
eine ganz originelle Auffassung
des in alter und neuer Zeit so
vielfach gemalten Vorwurfes.

Denselben Gegenstand hat auch
Exter, aber in anderer Weise
gemalt. Hier stehen die ersten
Menschen im hellgrünen Licht
unter Bäumen in schön bewegten
Stellungen, während unten in
der Ferne eine grüne Landschaft
verdämmert. Das in breiter,
dekorativer Weise gemalte Bild
giebt in seltsamer mystischer Be-
leuchtung zwei schöne nackte Men-
schen im Freien, Stuck aber hat
die Handlung der Versuchung
gemalt. Exter ist von den
Münchnern der, der dem My-
stizismus und dem Symbolis-
mus am meisten zuneigt. Nächst
ihm Hierl - Der 0 nc 0 in
seiner Pietü, die in der ge-
spenstischen blauen Färbung so
erschreckt und erschüttert. An

sie schließt sich noch der trcss- Jenseits von Gut und Vöse. von Gabriel tttar.

llche i l h e l m Volz au mit Sroße Berliner Nunstausstellung 1893.

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