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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Die Columbus-Ausstellung in Newyork
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86

Die Lolumbu^-Aufstellung in Oewnork

ie 400jährige Jubelfeier der Entdeckung Amerikas
sollte — so lag es in der Absicht einiger verdienst-
voller Männer — auch auf dem Gebiete der Kunst
Rechenschaft darüber ablegen, was die Neue Welt zu
leisten vermöge. Die Säle der ^.cackein^ ot OesiZn,
wo auch die Newyorker Jahresausstellungen stattfinden,
öffneten sich in den Oktoberfesttagen, um den Hundert-
tausenden, die aus allen Landesteilen zur Columbusfeier
herbeigeströmt waren, eine Sammlung von Bildern her-
vorragender zeitgenössischer Maler vorzuführen.

Daß man hiebei eine Übersicht über die amerikanische
Kunstproduktion gewann, läßt sich nun freilich nicht be-
haupten. Vermutlich hielt ein Teil der Künstler seine
Werke für das eigentliche Turnier, die Weltausstellung
in Chicago zurück, die ja auch dem Entdecker Amerikas
gewidmet ist. Doch was vorhanden war, ließ immerhin
einen Schluß auf Richtung, Vorzüge und Grenzen des
hiesigen künstlerischen Schaffens ziehen. Kurz zusammen-
gefaßt : Man sah zahlreiche und vortreffliche Landschaften,
vereinzelte, und nur in seltenen Fällen das Mittelmaß
überragende Figurenbilder und kein einziges Historien-
bild höheren Stils, wiewohl die Veranlassung geradezu
nach einem solchen schrie. Eine 400jährige Jubelfeier,
die vorüber ging, ohne daß man des Gegenstandes der-
selben auch nur erwähnte! Es ist bisher kein hervor-
ragendes Talent für die große Kunst unter den ameri-
kanischen Malern erschienen, aber wenn es da wäre (und
zum Beispiel an dem Deutsch-Amerikaner Karl Marr
in München hätten die Vereinigten Staaten einen treff-
lichen Künstler großen Stils besitzen können), dann hätte
es die Wahl zu verhungern, oder sich der Landschaft,
dem Porträt oder bürgerlichen Sittcnbilde zu widmen.
Das ganze Mäcenatentnm ruht hierzulande auf den
Schultern reicher Privatleute, die begreiflicherweise weder
Herz noch Hand für umfangreiche Haupt- und Staats-
aktionen offen haben. Staat und Stadt Newyork, so
reich sie sind, verwenden keinen Cent auf die Ausstattung
ihrer Gebäude mit Kunstwerken. Man darf an Rat-
häuser und Parlamente zu Wien, Berlin, Paris nicht
denken, wenn man City Hall in Newyork, oder das
Kapitol in Albany besucht. Und die Bundesregierung
scheint für alle Zeiten und Geschlechter genug gethan zu
haben, als sie am Anfang aller Dinge die Rotunde im
Kapitol zu Washington mit historischen Fresken und der
berühmten Bronzethüre ausschmücken ließ.

Der ältere Jnneß mit fünf seiner Bilder nahm
den Ehrenplatz auf der Columbus-Ausstellung ein. Er
ist noch immer der erste unter den amerikanischen Land-
schaftsmalern, ein starkes ausgeglichenes Talent, das un-
beeinflußt von der Geschmacksrichtung des Tages mit
klaren Augen die Natur sieht und das Geschaute treu
wiedergiebt. Die Mehrzahl seiner ausgestellten Bilder
waren Herbstlandschaften; Jnneß malt sie mit Vorliebe.
Vielleicht würden die glühenden roten, orangefarbenen
und violetten Farbentöne seines Baumschlags außerhalb
Amerikas ein ungläubiges Kopfschütteln Hervorrufen.
Hier aber treibt der Herbst eine unbeschreibliche Farben-
verschwendung; bei einer Klarheit der Atmosphäre, die
Europa nicht kennt, streut er dem Maler die glänzendsten
Lichteffekte geradezu in den Schoß, und Jnneß wirft sie
mit breiter Pinselführung auf die Leinwand. Ungleich

dem alten Bierstadt, der als menschenscheuer Einsiedler
in seiner Villa am Hudson haust und nur noch selten
mit einem neuen Werke hervortritt (in der Ausstellung
befanden sich nur ältere Bilder von ihm, darunter der
Donnersee, der dem Metropolitanmuseum gehört), hat
George Jnueß kein Auf und Ab in der Wertschätzung
seiner Landsleute gekannt, keiner der ihm nachstrebcnden
Maler hat ihn aus der Gunst des amerikanischen Publi-
kums zu verdrängen vermocht.

In der jüngern Schule der amerikanischen Land-
schaftsmalerei macht sich der Einfluß der Dupre Daubigny,
Corot, die sich hierzulande einer so gewaltigen, förmlich
ausschließlichen Beliebtheit erfreuen, fast allzu merkbar
geltend. Es ist wahr, sie haben dem Landschaftsgemälde
von heute die Richtung vorgezeichnet, aber etwas mehr
vom eigenen Geiste wäre den Künstlern doch zu wünschen.
Nachahmung auch der trefflichsten Arbeit ist beinahe nicht
wertvoller als das Kopieren derselben. Doch waren die
beiden Harts, der eine mit einem Tierstück, der andre
mit einem Frühlingsbilde, Chase, Krouseman Van
Elten mit guten Landschaften und Seestücken vertreten.

Des Deutschamerikaners Ulrich solid gemalte
„Glasbläser von Murano", ein tüchtiges, ehrliches Sitten-
bild, wirkten erfreulich. Remington, der Judianer-
maler, hatte einige von seinen Bildern aus dem fernen
Westen, die obschon etwas schwer in der Farbe, durch
Leben, Ausdruck und Gegenständlichkeit der dargestellten
Vorgänge wirken, ausgestellt. Von Browne, dem glück-
lichen Verewiger der Newyorker Gassenbubenschaft, sah
man einen seiner ewig lachenden, genügsamen Boot-
Blacks, der kleinen Italiener, die auf offener Straße
den Herren die Schuhe wichsen, nebenbei ein Genrebild,
das man an jeder Straßenecke Newyorks mit Behagen
studieren kann. Das Porträl hatte man, als in den Rahmen
einer Columbusausstellung nicht passend, ausgeschlossen.
Dies war bedauerlich. Auf diesem Gebiete pflücken die
Newyorker Maler gewöhnlich ihre besten Lorbcern. Es
kommt vor, wie es vor nicht allzulanger Zeit mit Sar-
gents Bilde der kleinen Beatrice Goelet der Fall war,
daß ein Porträt die Sensation einer Ausstellung bildet.

Probe-Illustration aus Tbeden „Im Zauber der Dichtung"
 
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