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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Die Jahresausstellung der Düsseldorfer Künstler
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Relling, ...: Die Ausstellung der "XI"
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Die Iahresausstellung der Düsseldorfer Künstler.

O. Kirberg, Oehmichen, Sounland und Sondermann. Auch
hier ist die Bildnismalerei durch mehrere vorzügliche
Werke vertreten, H. I. Sinke!, Ernst Bosch, L. Schäfer
nnd E. Daelen haben gediegene Porträts ausgestellt.
Die Historie ist nur durch das Bild vertreten. Albert
Baums mit Temperafarben gemaltes sehr wirkungsvolles
Bild zeigt das Innere einer Arena zur Zeit der großen
Christenverfolgung in Rom, wo hungrige Bestien der
Wüste zähnefletschend auf die Opfer warten, die ihnen
überliefert werden. Den Mittelpunkt des Bildes bildet
eine junge schöne Christin, welche in verklärter Re-
signation ihrem schrecklichen Tode entgegengeht. Der
Römische Cirkus, die Zuschauer und die handelnden
nnd leidenden Personen sind mit genauer Kenntnis des
römischen Lebens jener Zeit dargestellt. Ferner ist
Hubert Salentins innig empfundenes Madonnenbild, „Maria
mit dem Kinde" darstellend, und die im Ausdruck lieb-
liche Madonna von I. A. Graß zu nennen. Die Tier-
malerei vertritt Carl Lutz noch mit einem Geflügelbilde,
das einen Zweikampf von Enten aus Eifersucht sehr ge-
lungen darstellt. Eine lebendig wirkende Parforcejagd
bringt Emil Hunten. Der Bildhauer Josef Reise bot
einige sehr gute Skulpturen, in Holz ausgeführt, eine
„Flucht nach Egypten", eine „Aufopferung im Tempel"
und einen „hl. Bernard". Die streng im kirchlichen
Stile gehaltenen Darstellungen sind für eine katholische
Kirche in Heile bei Crefeld bestimmt. Auch verschiedene
gut gemalte Stillleben sind hier; die wirkungsvollsten
sind die koloristisch sehr interessanten Blumenstücke. Die
beiden Ausstellungen erfreuen sich eines sehr lebhaften
Interesses. Beide haben einen illustrierten Katalog heraus-
gegeben; derjenige der Freien Vereinigung ist in Quart-
format wie im vorigen Jahre, reich illustriert durch
Reproduktion der Bilder, welche von den Künstlern selbst
auf Stein gezeichnet sind.

-X-

Die Aufstellung der „XI".

von vr. Relling (Berlin).

c^lln ihrer zweiten Ausstellung bei Schulte hat die

Vereinigung der „XI" das gehalten, was sich von
ihr erwarten ließ. Schärfer noch als im vorigen Jahr
tritt der Gegensatz zwischen den Modernen und den
wenigen Altvätrischen hervor, die wohl ausgenommen
sind, damit auch die Kunstreaktionäre etwas für ihren
stehen gebliebenen Geschmack finden. Die „XI" sind
drei, denn nur Max Liebermann, Franz Skar-
bina und Ludwig von Hofmann sind selbständige
Größen, die andern sind entweder kleinere Nummern
derselben Gattung, oder Altväterische, d. h. also sie
bleiben bei dem stehen, was schon zur Zeit der Väter
die Kunst vermocht hat.

Die drei aber sind die Vorkämpfer der „XI", um
sie allein dreht sich der Streit. Sie folgen keinem Pro-
gramm, aber so verschieden sie uns erscheinen, so haben
sie doch dasselbe Ziel: sie wollen modern sein. Modern
ist ja heute unerhörterweise ein Kampfwort, ja ein
Schimpfwort geworden. Es wird zur Bezeichnung einer
Richtung und einer Schule in Kunst und Litteratur ge-
braucht, von der die alles zu fürchten haben, die im

Die Ausstellung der -XI-. von vr. Relling. 2t?

Beharren beim ererbten Schlendrian das einzige Heil
sehen. Wird das Wort gebraucht, so rücken sie sich zu-
sammen und hören schon, wie ein Parlamentsredner
sagen würde, „die dröhnenden Schritte der Arbeiter-
bataillone". Tenn nicht ihre Kunst wird den Modernen
verdacht, sondern ihre Tendenz, ihre angeblich sozialistische
Tendenz. Es giebt keine konservative und keine liberale
und keine sozialdemokratische Malerei, aber in einer
konservativen oder liberalen Aera werden die in ihr
entstandenen Kunstwerke etwas von der herrschenden
Strömung erkennen lassen. Uns beschäftigt heute mehr
als alles andre die soziale Frage und im Begriffe, uns
eine neue Zivilisation zurechtzuzimmern, scheinen wir
auch unsre gesellschaftlichen Zustände umzuordnen. Wie
kann man es da den Künstlern verargen, wenn sie das,
was alle bewegt, in ihrer besondern Sprache zum Aus-
druck bringen. Aber modern zu sein ist ihnen verwehrt,
sie sollen mit dem ererbten Trödel auskommen und wohl
gar noch im Kleide der Vergangenheit ihre Menschen
darstellen. Denn für die Kunstreaktionäre ist die Historien-
malerei das Ideal, für die Modernen aber ist sie das
Verlegenheitsprodukt einer kunstöden Zeit. Nun gelten
aber doch gerade von den Künstlern vergangener ruhm-
reicher Kunstperioden die uns am höchsten, die in ihrer
Zeit die modernsten waren, die also ein bestes Spiegel-
bild der Kultur ihrer Tage geben. Darum haben die
Florentiner Maler des 15. Jahrhunderts einen hell-
klingenden Namen, weil sie uns die frische Kraft der
italienischen Renaissance verkörpern und Dürer preisen
wir, weil der tiefe grüblerische Geist der deutschen
Humanisten aus seinen Werken zu uns spricht.

Ludwig von Hofmann ist der modernste der „XI".
Für jedermann sind seine Bilder nicht. Wer noch un-
verdorben von Kunstgeschichte und Ästhetik, Natur und
Kunst vergleichen kann, der muß hellauf jubeln, über
diese erste künstlerische Fassung dessen, was der moderne
Mensch in der Natur sieht: einen Wolkenbruch von Licht
und ein Chaos von Farbe. Da ist ein kleines Ölbild
„der Abendfriede". Ein Mädchen, impressionistisch ange-
deutet, liegt auf einer Wiese, die sinkende Sonne be-
leuchtet den Hintergrund in farbigen Streifen, die Bäume
violett und rot, die Laubgruppen dahinter blau, grün
und gelb. Was stellt die Farbensymphonie dar? Ich
glaube Felsen und Wasser, aber ich weiß es nicht genau.
Was soll die subalterne Frage nach der Darstellung,
wie gleichgiltig ist es doch, ob ein nackter Mann, Adam
oder Apollo, ein nacktes Weib Eva oder Venus genannt
wird. Ich weiß nur, daß die Symphonie in Blau und
Rot ein herrliches Ding von lustkreischender Farbe ist.
Hofmann ist nervös und er malt hastig. Da glückt
nicht alles so, wie es der stets korrekte Zeichenlehrer
wünschen mag. Wie gut ist aber in dem kleinen Pastell
der nackte Mann auf dem trinkenden Pferd gezeichnet.

Von allen Modernen hat Hofmann das intensivste
künstlerische Empfinden. Ob er seine Aufgabe zwingen
wird, ist heute noch nicht zu sagen. Leicht wird es
ihm jedenfalls nicht gemacht. Denn wie so manche erste
Nummer in Künsten und Wissenschaften in ihren An-
fängen wird er zunächst verlacht und für verrückt er-
klärt. Er mag sich über diese Behandlung mit denen
trösten, die das gleiche erlebt haben und dann mit dem
Satz, daß dem Durchschnittsmenschen keine neue Offen-
barung sofort verständlich ist.

Die Aunst für Alle VIII.

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