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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Floerke, Gustav: Pour arriver, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0026

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kour Lrriver. Von (Anstav ^lverke



gefunden, an dem ihn das Publikum erkennt; und mit
einem Schlage ist er bekannt. Auch der Düminste kann
nun vcm weitem sagen: Ah, ein echter Schulze! wie man
auf 20 Schritt sagt: ein echter Jules Breton! rc. lknd
sehen Sie die andern, die sich jedesmal ein neues „Pro-
blem" stellen, es ernstnehmen. Es gibt ja auch hier
solche sehr ehrenwerte Leute unter den Künstlern. Aber
dazu gehört dann gleich sehr viel, mehr als Sie bei-
sammen haben, mein edelster Lord. Dazu gehören mora-
lische Anlagen, Charakter — aber das geht Sie als
Maler nichts an — und meistens muß man dabei genau
wissen, wo es das unverdaulichste Essen gibt, damit man
seinen Magen möglichst zwei Tage mit einer Mahlzeit
beschäftigt. Na, hier hälts so einer selten lauge aus; ist
kein Pflaster für ihn das. Also 4—5 Motive! Bedenken
Sie stets, daß Jhr Publiknm wechselt, aber doch immer
das gleiche bleibt.
Auch eiu Tizian oder sowas im Atelier macht sich
gut. Es zieht und sieht wohlhabend aus. Der große
Charles Meyer hatte immer einen Tizian im Atelier.
Natürlich war es keiner. Ein Touristentizian, das genügt.
Jeder Kunsthändler leiht Jhnen so einen Schmarren.
Jm Privatbesitz sieht dergleichen immer echter, vertrauen-
erwcckender aus und ist also verküuflicher. Aber freilich
muß man dazu erst ein präsentables Atelier haben.
llnd dazu wollen Sie erst kommen.
Grob werden gegen die Leute können Sie wohl
nicht? sagte der Alte die Gestalt mnsternd, ziemte sich
einstweilen auch wohl kaum. Schade. Die nötige Lieb-
lichkeit, um deu schönen Rassael zn jpielen, haben' Sie uun
nial von der Natur nicht mitgekriegt. Da hätte ich Jhnen
nun geraten: praktisch und schnell entschlossen! Machen
wirs anders, nmgekehrt. Jeder muß lhuu, was er kann,
protzen Sie also zur Abwechslung mit mögtichstem Knoten-
tum. Aber das paßt nicht für Sie. Sie, edler Lord,
setzen Sie sich erst mal, ich kann das Vor-mir-stehen
nicht leiden, und geben Sie mir nicht immer Feuer. Jch
bediene mich selbst.
Also fangen wir noch weiter von vorn an, wieder
bei der notwendigen Kundschaft. — Mäcen haben Sie
keineu? Seien Sie froh. Also brauchen wir selbstgeschaffene
Klienten!
Lernen Sie hier in Rom reiten oder malen?
Malen? Falsch. Lernen Sie erst rciten. Erst reiten,
dann malen. Wenden Sie Jhren letzten Franc, — ein
Stipendium haben Sie? — also Jhr Stipendinm daran,
jedes tc>x dounting mitzuniachen und sich Engländern
anzufreunden. Hat erst mal einer vor einem Bild bei
Jhnen gesessen,- lassen Sie ihn nicht wieder aus. Und
beißt einer, komnien mehrere. Jm nächsten Jahre köunen
Sie dann schon auf die Landsitze Jhrer Freunde in Old
England reisen und thun, als ob man Sie erwarte, als
hätten Sie ein bei Spillmann beim Sekt bestelltes Bild
abzuliefern, und dann lassen Sie sich an die Nachbarschaft
weiter empfehlen.
Kein Sprachtalent? Dann gehen Sie Table d'hote
speisen, obgleich Sie dabei schon mehr Koiikurrenteii haben.
Jn teuren Hotels natürlich, damit Sie nicht reinfallen
und anstatt eines reichen Bankiers oder Rittergntsbesitzers
bloß eincn bildnngsbcflissenen Regierungsrat als Tisch-
nachbarn erwischen. Oder fahren Sie bei jedcm uen ange-
kommenen Amerikaner vor, geben eine tadellose Visiten-
karte ab und bitten um Atelierbesuch.

Was haben Sie uun wieder nicht? Keine llmgangs-
formen? Keiu Geld? Also was anderes. Leihen Sie sich
100 Frcs. und gehen damit ins Bad, Seebad womöglich,
denn das regt die Weiber auf. Später werden Sie
dann auf 14 Tage krank und lassen sich Pflegen. Jhr
Maler seid Mode, — ihr jungen nämlich: Wohlthätig-
keit, öffentliche natürlich, auch. Geben Sie acht, alles
nimmt sich des liebenswürdigen Künstlers an und Sie
kommen mit der Tasche voll Auftrüge oder verlobt wieder
hier an.
!--- ^ ' Sie können keine Bekanntschaften niachen? Jhrc
Haare, Jhr Hnt, Skizzenbuch, Schirm, Plaid, Jhre
Zurückgezogenheit, Jhre llnbehilslichkeit gerade thun das
für Sie. Hocken Sie nur überall hiu und skizzieren.
Starren Sie auf der Straße oder wo sonst jede junge
wohlhabende Dame an, bis es uugezogen wird, und stam-
meln Sie dann, der Geist der Kunst habe Sie ganz ver-
wirrt: Oh mcin Fräulein, machen Sie mich zum größten
Maler nieines Jahrhunderts. Dies Proffl! Van Dyck
hat niemals einen solchen Vorwurf gehabt. —- Oder lanfen
Sie kleinen Prinzcn nach nnd wnndern sie an, bis in
die Villa, bis man Sie hinauswirft und am anderen Tag
den originellen Kerl kommen läßt llnd je öfter die
Fürstin-Mama lacht und sagt: Nein, wie naiv! nm so
besser. Oder sie sagt: nein, wie wunderbar doch Gottes
Fügungen sind! Daß in einem solchen Bauernjuiigen ein
Künstler stecken kann! Das ist gewiß das echte gott-
begnadete Talent. — Wenn man auf Jhre großen Füße
sieht, sagen Sie, auf denen seien Sie anch uach Rom ge-
laufen. Ilnd reden Sie bayrisch oder österreichisch, das
ist Mode, d. h. bei Herrschasten; sonst zieht es nicht mehr.
Nur kein Hochdeutsch. Sie werden sehen: Naivität ist
ein ausgezeichnetes Geschästsprinzip. Älrbeiten Sie nach
berühmten Mustern!
Wie Sie wollen, — jeder Barou hat seinen Ge-
schmack. Also wieder was anderes. Halten Sie sich
an die kleinen Bürgermädchen, deutsche nnd schweizer
Hoteliers-, Schlächters-, Bückers- und sonstige Töchter. Jn
dem Fall brauchen Sie einen Samtrock und hohe Stiefel
ä. la Makart, oder tragen Sie wenigstens „soo" große
Schleifen an den Schuhen. Weun Sie sich die Haare
noch etwas wachsen lassen und einölen — denn die kurz-
geschorene Eleganz a la. Guy, Gaston uud Gontran zieht
in diesen Kreisen noch uicht, ist nicht romantisch genng —
damit haben Sie Talent zn irgend etwas Besonderem,
Ausländischem, hält man Sie meinetwegen für armes ge-
meines Ratzimausiges, aus Steppe einsame, melancholische,
was ist geworden, weiß nicht worum, Maler großes, vicl
trauriges, voll tiefes Heimweh und Poesie. So wie bei
Haufs: „Geheimer Gram" — „verschlossenes Kämpfen" . ..
Glauben Sie ja nicht, das sei abgekommen. Geben Sie
mal acht, wie das auf die jugendlichen „Alabasterbusen"
wirkt. Sie kennen Hauff gar nicht? Ja so, das ist
Litteratur, davon brauchen Sie als Maler nichts zn wisseu.
Also seheu Sie her: So lehnen Sie sich — nehmen wir
mal an im Kursaal — in die Ecken oder an die Thür-
pfosten und starren düster — üben Sie das vrdentlich
vor dem Spiegel, das ist immer noch leichter als malen
und zieht viel mehr — also düster starreu Sie auf all
das leichtsinnigc Volk — nnd dann wieder so — sehen
Sic?
(Der Schluß im nächsteii Hest.l
 
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