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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Was mir grad so einfiel
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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [24]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0380

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lvas mir grad so einfiel. Von ks. E. von Berlepsch — Nnsere Bilder

297


Ilus Novrrrdv. L>on 6- E- von Bcrlepsch

zum Zwecke eines Besuches dort sich die Erlaubnis in
Forin eines Scheines erholen nnd zwar auf dem Platz-
kommando. Gegen halb drei würd' ich das Gewünschte
erhalten, sagte mir einer der Soldaten. Jch war pünkt-
lich dort, mnßte aber warten. Vier Kalkwände, ein detto
Plafond und hölzerner Fnßboden — das ist die änßere
Erscheinung des ganzen Empfangszinlmers. Änßerst de-
korativ wirken ein paar Fahrtenplüne und Reglements, sowie
zwei ordentlich eingedrückte österreichische Kommißmützen
nebst Yatagan, die an der einen Wand hingen. Mitten
im Zimmer ein großer Schreibtisch nnd dahinter ein
Regal mit einer Menge pon Aufschriften: Fener-Melde-
Zettel, Garnisons- und Kastell-Vorschriften, Snmmarien,
Ablösnngs-Rapporte, Verordnungsblätter rc. rc. Draußen
auf dem Domplatz war's ganz still. Blos das Wasser
der großen Fontaine machte ein klein wenig Geräusch und
ein paar Schwalben strichen über das Kirchendach schwir-
rend hin, sonst nichts als Hitze. Dazu kritzelte die Feder
des Schreiber-Soldaten in einem dicken Buch hin nnd
wieder; ich las die Titel auf dem Gestell erst von oben
nach unten, dann umgekehrt, hernach in horizontaler Rich-
tung, endlich singen sie an, sich zn drehen, wahrhaftig, sie
fingen an zu.tanzen. Ein Reglement hatte ein Sum-
marium zärtlich angefaßt, der Ablösungs-Rapport nmfing
die Kastell-Vorschrift nm die Taille und aus dem dnnkeln
Grund eines Faches schaute das bleiche Frauengesicht mit
den großen Augen, hinter blühenden Nelkenbüschen
hervor-— da ging die Thüre auf, und der jonr-
habende Offizier trat ein, alles war wieder am alten
Platz und ich schoß selber wie ein Blitz in die Höhe.
,Leider war's mit dem beabsichtigten Besuch im Kastell
nichts, weil drinnen gereinigt nnd geputzt wurde.
Jetzt klingen aus dem Thal unten die Mittags-
glocken herauf. Der Wind streicht vom Garda-See her
Dre Aunst für Alle II.

über die Berge und mir ist, als brächt' er einen
Gruß; ein sehnsüchtig Tönen geht dnrch das alte Vel-
thurner Bischofsschloß, ein Klingen wie lang vergessene
Lust und verweht' Leid vergangener Tage, und von drüben
her winken die starren Dolomiten in nebligem Sonnendnft!
Vielleicht hör' ich den Wind etwas erzählen und das
erfahrt Jhr dann ein andermal.
Ostern 1886

Ll n s e r e Vilder
vom kserausgeber
V^eute haben wir das Vergnügen unseren Freunden in
Professor Jägers für das Nürnberger Rathaus ge-
malter Darstellung einer Sitzung, die der Kaiser Max
Dürer zu seinem bekannten Porträte gewährte, ein Historien-
bild vorzuführen, bei welchem wirklich alle die Nmstände
zusamnientrefsen, die für ein gutes Ergebnis notwendig
erscheinen. Zunächst die genaueste Kenntnis der Epoche,
dann der lokalen Sitten und Gebräuche, endlich ein un-
gewöhnliches Verständnis der auftretenden Personen. Nicht
minder aber auch jene vollkommene Beherrschung der
künstlerischen Mittel, ohne welche diese Kenntnisse alle nichts
helfen könnten. Auf Jägers Gemülde sieht man dann auch
angenblicklich, daß er ein sehr bestimmtes Bild von jedem
der Dargestellten in sich trug. Jst er doch geborner
Nürnberger, verkehrt im Geiste täglich mit dem großen
Meister, dessen Spuren er in seiner Vaterstadt aus Schritt
nnd Tritt begegnet. Seine Auffassung Dürers ist darnm
eine nngewöhiilich lebendige und überzeugende. Nicht minder
die des Kaisers, der es nicht verschmähte in die enge Be-
hausung des Künstlers hinaufzusteigen und dann freilich
durch ein Bildnis belohnt ward, das in seiner schlichten aber
nervig hingeschriebenen Art unübertresflich ist, da es mit
den geringsten Mitteln die höchste Wirkung erzielt. Neben
dem Kaiser sehen wir dann noch Herrn Wilibald Pirckheimer,
dem Fürsten die lange Rolle haltend, auf welcher dessen
Triumphzug aufgezeichnet ist, und osfenbar im Begriffe,
denselben durch allerhand spitzfindig ausgeklügelte Allegorien
noch unverdanlicher machen zu helfen. Zluch die übrigen
Nebenfiguren sind vortrefflich und nüt jenem Hnmor ge-
geben, der uns vollkommen begreiflich macht, wie lästig die
vielen Herren dem Maler in der engen Stube geworden
sein müssen. Frau Agnes im Hiutergrund ergreift darum
offcubar das richtigste Mittel, diesem Übelstand zu be-
gegnen, d. h. sie schickt den Herren zu trinken. Gewiß ist
die ganze Komposition so aumutig, daß sich die Nürn-
berger nicht weniger als wir freuen dürfen, jene glänzende
Vergangeuheit so lebendig vorgeführt zu finden.
Aian kaiin sich kaum eiuen größeren Gegensatz denken,
als er zwischen Jägers prunkvoller und wohlangeordneter
Szene und der demütigen Armut stattfindet, von welcher
uns Diez das erste Erscheinen des Messias begleitet zeigt.
Aber welche Wahrheit und Jnnigkeit hat er seinen Figuren
zu geben verstanden! Es ist da eine Tiefe des Gemüts
in der Schilderung des Akutterglückes, der Teilnahme der
Hirten und ihrer Kinder entwickelt, die das Bild zu einem
der größten Meisterstücke des Malers machen, der die
wunderbarste Anspruchslosigkeit über die Darstellung zu
breiten verstand, wie es uur je ein Rembrandt vermochte. Hier
ist auch die „Ehrlichkeit" der Jmpressionisten, und zwar
noch in ganz anderem Maße zu finden, als sie denselben
 
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