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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Reber, Franz von: Über Bühnendekorationen
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II. Iahrgang. Left 7

Ianuar )ZZ7


Kevcrusgegeöen von Ivieövich 'Aecht

^Die Kunst für Atle" erscheiut in halbmonatlichen Heftcn von 1V2—2 Bogen rcich illustrierten Textes und ca. 4 Bilderbeilagen in Umschlag. Abonnementspreis im
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Über Bühnrndel,0rati0nen.
Von Franz von Reber

S>I>ls lnir einiger Zeit in einer illiistrierten Zeitnng An-
sichten vom Äußern nnd Jnnern des neuen Thenters
in Pest erschienen, konnte sich der Verfnsser dieser Zeilen
angesichts der Gestaltnng des Podiums eines im doppelten
Wortsinne schwindeligen Eindruckes nicht erwehrein Ein
so kvmpliziertes Raffinement der Bodenverändernng, der
Hebnng nnd Senkung beliebiger Teile mit geradezn be-
ängstigendem Gernstwerk konnte ihm zwar als ein Trinmph
des Maschinisten, iiimnierniehr aber als ein Dienst gegen
die Kunst erscheinen. Und das Betrachtungsergebnis war
nni so peinlicher, als bei näherer Erwägung kein Zweifel
bleiben konnte, daß diese Behandlnng des Podinms keines-
wegs eine vereinzelte Ausschreitnng sei, sondern daß maii
sie als konsegnente Bcthütignng jener Grundsütze zn be-
trachten habe, welche in der Jiiszenicrnngskunst der Gegen-
wart immer mehr znr Herrschaft gelangen. Denn die
Gegenwart drüngt im Bühnenwesen namentlich nach zwei
Dingen: erstlich nach möglichster Realität der Bühnen-
erscheinnng, zweitens nach Überraschnngen und nach Ueber-
bietung aller bisherigen. Soll ja doch die Szene ge-
legentlich in Luft nnd Wasser versetzt werden: was Wunder,
wenn man auch die Bodenerscheinung in ihre vollen Rechte
einzusetzen strebt. Seit in Paris wirkliches Wasser für
die Darstellung der Sündflnt verwendet worden ist, seit
auch bei uns wirkliche Wasser in der Wolfschlucht ranschen,
kann es nnr eine Frage der Zeit sein, daß der Schwanen-
nachen des Lohengrin anf einem wirklichen Teich heran-
schwimmt, daß die Ufer mit wirklichem Schiis besetzt werden
und überhanpt das Treibhans eine Rolle im Bühnen-
magazin spielt, und endlich daß auch die Dielen des Pro-
szeniums hinter Rasenflecken oder Rasenimitationen ver-
schwinden, dnrch welche sich Waldwege mit plastischen oder
gemalten Baumwurzeln hindurchziehen.
Jch kann nicht leugnen, selbst oft hingerissen zu sein
von zauberhasten Leistnngen der Ansstattungskunst. Aber
ich bin dennoch überzeugt, daß hierin jetzt zu viel ge-
schehe. Ganz abgesehen von dem Anfwand, der nicht
selten über ein gesundes Maß hinausgeht nnd die Mittel
zum Zweck anßer Verhültnis setzt. Denn ich glaube, daß
dem Wesen des Dichterwerkes dadurch eher Abbruch als
Die Runst für Alle II

Fvrderung erwachse, wenn die Szenerie nnd der szenische
Eindruck zu gleicher Bedeuüing wie die Darstellnng oder
gar zum Übergewicht über dieselbe gesteigert wird. Denn
man mag sagen, was man will, über eine gleichmäßigc
Jnansprnchnahme des Seh- nnd des Hörsinnes und über
das homogeiie Zusammenwirken des Produktes beider in
nnserer Phantasie, ich bin sicher, daß eine solche Einheit
sich nicht erziele, und daß die Konzentration des Hörers
anf den Jnhalt dnrch eine üppige Beschäftignng des AngeS
mit den dlccedentien nur leiden könne.
Älls bei einer illufsührung von Shakespeares JulinS
Cüsar durch die Meininger der Vorhang aufflog, entlocktc
mir die Szenerie des Fornm Romannm einen Ansruf der
Bewunderung. Jn dem Gegenstande einigermaßen zu
Hause, mußte ich mir sagen, daß die Szene historisch und
archüolvgisch vollkommen richtig und getreu und ein wahr-
haftiges Panorama des Forum Nomannm der augnstei-
schen Zeit sei. Die szenische Wahrheit war anch zeitlich
so weit getrieben, daß die Basilika Julia, welche bekannt-
lich erst in angusteischer Zeit geweiht worden ist, als ini
Ban bcgriffen dargestellt war, wodurch übrigens anch der
malerische Reiz sich nicht wenig erhöhte. Allein — ich
überhörte dabei einen großen Teil des ersten Aktes, da
es mir unmöglich war, mein Denken von dem szenischen
Schauspiel loszumachen. Vielleicht hat es dieses mir mehr
angcthan, als andern, weil mich eben der Gegenstand
speziell interessierte, aber ich hörte auch von Bekannten,
daß sie des wiederholten Besnches einer der neuesten
Wagner'schen Opern bedürften, nm von der szenischen Ans-
stattuiig nicht mehr präokkupiert zu werden nnd z. B.
über dem Schanen des Schwimmlebens der Rheintöchter
oder der Regenbogenpassage im Rheingold znm eigentlichen
Genuß der musikalischen Schönheit zn gelangen. Jch bin
auch sicher, daß ein Wandelpanorama, wie im Parzifal,
dem mnsikalischen Effekt nicht vorteilhaft jei. Denn die
durch unser Gesicht und unser Gehör auf das Zentral-
organ ansgeübten Wirkungen können nmnöglich zn einer
reinen Einheit werden, und um so weniger, je niehr die Er-
scheinung znm Nachdenken übcr die der Szenerie zn Grnnde
liegenden Kräfte auffordert. Wird die maschinelle Lösung
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