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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Wolf, August: National-Kunstausstellung in Venedig, [2]
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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [22]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0342

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26b

National-Aunstausstellung in vonedig. von A. Wolf — Unsere Bilder. vom Kerausgeber

zeigt uns, wie in 8. Oiovnnni e ?no1o ein Miidchen aus
dem Volke einem Dominikaner respektvoll den üblichen
Handkuß darbringt. — Ein Fischmarkt von Tito wird viel
bewundert. —N. Bordignon, der energische Lanrenti,
Daloccabianca, Barison, Dal Pozzo sind reichlich
und mit sehr ansprechenden Sachen vertreten. Jn der
Lagunen- und Landschaftsmalerei bleibt anch diesmal G.
Giardi die Palme. Er erfreut durch 6 Bilder, von
welchen besonders, außer deni in Berlin bewunderten
Lagunenbilde: „Frühlingswolken" (s. dw Abb. auf Seite 8
dieses Jahrgangs), eine Darstellung der venezianischen
Ebene mit Schnittern bewundernswert ist. Fragiaccomo
hat einige ausgezeichnete Marine- nnd Strandbilder. A.
Wolf hat versucht, in einer Wirtshausszcne (ein alter
Fischer trinkt einem jungen, im Weggehen begriffenen
Mädchen freundlich zu) modernen Anforderungcn gerccht
zn werden, während er in einem klcinen Madonnenaltare
(von Cadorin geschnitzt) zu zeigen sucht, was er von
Giovanni Bellini gelernt hat.
Lokalunterschiede in der Auffassnng nnd Behandlnng,
der Wahl der Darstellung u. s. w. gibt es in Jtalien
nicht mehr. Hvchstens dürften die Neapolitaner leicht als
solche zu erkennen sein. So lasse ich denn in buntcr
Reihe alles weitere folgen und mache mit den Jmpressio-
nisten den Anfang, welche durch die Größc ihrer Bilder,
sowie durch jedes crlanbte nnd unerlaubte Mittel das
Publikum zwingen, wenn auch fast mit Abscheu nnd
Stannen vor ihren Bildern zn verweilen. Oft nötigt die
rohe Energie, mit welcher dergleichen gemacht ist, bis zu
einem gewissen Grade von Bewnnderung. Vor allen ist
hier Camarano zu nennen. Beim Kartenspiel ist es zu
Streit nnd Blntvergießen gckommen. Einer der Spicler
liegt ermordct am Bodcn; seine Mntter will sich über ihn
hinwerfen und wird mit Mühe von einem Carabiniere
znrückgehalten. Andere snchen das cntsctzlich aufgeregte
Volk znr Ruhe zu bringen. Der Wirt will, von einem

zweiten Carabiniere zur Rede gestellt, den Thäter nicht
nennen. Mit fürchterlicher Energie ist alles behandelt nnd
würde bei größerer Durchbildung der Form tiefen Eindruck
machen. — Dem düstern schwärzlichen Ton dieses grausigen
Bildes folgt auf dem nächsten der helle Sonnenschein, der
aber hier ini steinigen Gebirge das Elend und den Jammer
bescheint. Drei arme Franen tragen schwere Holzklötze
aus dem Gebirge herab. Bon übermenschlichcr An-
strengung erschöpft, haben sich zwei an den Boden
geworfen. Die in der Mitte des Bildes stehende hoch-
schwangere Frau von entsetzlicher Häßlichkeit keucht vor
Erschöpfung und hat noch nicht die Energie gewonnen, ihre
Last abzulegen und sich ebenfalls niederzustrecken. Der
eiserne Rahmen d^ riesigen Bildes ist mit Ketten zusam-
mengeschlossen. Anf demselben ist die große Jnschrift zn
lescn: „Lestie cka 8oirm" (Lastthiere). Die Fignren sind
vom grellsten Sonnenlicht beschiencn. Nur in der jüngeren
der drei Geschöpfe hat der Maler Patini noch einiges
Mitleid mit menschlich schöner Form gezeigt. Vielleicht
zuni Zwecke, sein Bild noch eindringlicher predigen zn
lassen. — Jnmitten dieser beiden, des sozialdemokratischcn
und des Kriminalfalles sehen wir ein politisches Sen-
sationsbild von Previati, welcher den Zng eincs Mailändcr
Märtyrers von 1848 znm Richtplatz zur Anschanniig
bringt nnd die österreichischen Soldaten absichtlich häßlich
darstellt. Sehr wahr ist der Geistliche, welcher dem
Veriirteilten vergeblich vorhält, wie er seiner Familie
erhalten bleiben könne, wenn er seine Mitschuldigen nennc.
Er antwortet trocken: „tirem irmrm!" (Gehen wir vor-
wärts!) Mehr noch als diese drei Bilder macht ein
viertes schandern: Capanetta hat das Bedürfnis ge-
fühlt, einen Selbstmord darzustellen, welcher nicht mehr zu
den seltensten gehört. Ein junges Wesen in modernstcr
Kleidnng hat sich auf die Schicnen eines Bahngeleises ge-
worfen, um sich von dem soebcn nnanshaltsam daher-
brausenden Zuge überfahrcn zn lassen. tS°rtsc-ung soigt>

Wrrfeve WiLder:
vom läerausgeber

ic denffche Malerei hat sich die cinst so beliebten
griechischen Götter samt ihren Verehrerinnen schon
lange so schr abgewöhnt nnd die Bacchantinnen dnrch
Kellncrinnen, den Kothurn dnrch Wassersttefel ersetzt, daß
man ordentlich angenehm überrascht ist, ihnen auf Geigers
nnmuttgem Bilde der Verehrung des Dionysos doch wieder
einmal zu begegnen.— Es ist das um so mehr der Fall,
als es aus stacher Hand liegt, daß diese Gegenstände durch
die Freihcit, die sie erlauben, durch die Möglichkeit, die
enthüllte Schönheit des menschlichen Körpers darzustellcn, vhne
irgend nnanständig oder lüstern zu werden, sie vielmehr mit
der ganzen Unbefangenheit einer idealen Welt zu adeln,
den Maler überans begünstigen. Wer hätte das besser
verstanden als Makart, der alle die Vorteile aus dicsen
Stoffen zu ziehen verstand, die sie vor anderen voraus
haben. Sobald es sich nämlich blos um Darstellung ma-
lerischen Reizes handelt nnd der Künstler nicht beabsichtigt,
einen anderen Eindrnck anf nnser Gemüt zu machen, als
dcn, welchen eben die freie Schönhcit immer hervvrbringt:
nns zn ergnicken. Wenn uns die antiken Stoffe znwider ge-

worden sind, so hatte das keinen anderen Grnnd, als weil
man hintcr ihren Mnsen nnd Bacchantinncn überall dcn
Gipskopf mit seincr Lcblosigkeit hervorgncken sah nnd man
von der Knnst doch etwas andcres verlangt als schlecht
gespielte Komödie und konventionelle Larven statt leben-
diger Menschen. Wenn nns aber ein Titian odcr Rubens
in die heitere griechische Welt führen, wer ginge da nicht
gernc mit? Wir gehen auch mit Geiger, wcil er die
Schönheit dieser Mythen lebhaft empfindet und sie im
Geiste jener Meister darzustellen sucht.
Von Bacchus sührt nns Harburger zu Gambrinus d. h'
in die nächste Nähe des Münchener Hofbräuhauses, wo zwei
biedere Spießbürger sich in rauchiger Kneipe über die Staats-
knnst Bismarcks oder über dieReden unterhalten, die der Prinz-
regent alle hat anhören müssen, wobei sie den trockenen Stoff
dnrch häufige Anfeuchtung vergnüglich zu beleben wissen.
Etwas von dem unendlichen Behagen, das diese beiden wohl-
genährten Sterblichen empfinden, geht sofort auf den Beschaner
über, da sie der Künstler mit solcher Wahrheit nnd zngleich
so geistvoll witzig dargestellt hat, daß wir unbedingt an sie
 
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