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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Wolf, August: National-Kunstausstellung in Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0341

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National-Kunstausstellung in venedig. von A. Wolf

2S5

Jmpressionist zu verzeichnen. Das Figurenbild überwiegt auch
hier, ivie aus der ganzen Ausstellung und innerhalb der-
selben das lebensgroße Genre. Das originellste venezianische
Bild bringt SilvioRotta, einSohn des bekauntenAntonio:
zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilte Sträslinge,
welche spät am Abend, aneinander gekettet und von Militär-
wachen begleitet, von der Arbeit zurückkehren. Notta hat
es verstanden, die Charakteristik in den Köpfen der teils
stupiden, teils boshaften Verbrecher, deren Gaunerphysiog-
nomien mit dem leuchtenden Rot ihrer
Jacken und Mützen eigentümlich kontra-
stieren, aufs interessanteste wiederzugeben.
Luigi Nono, durch sein zweimal
preisgekröntes ,,8.etuZiurn peccawrurn" in
Deutschland bekannt, stcllte zwei farben-
glühende, prächtige Bilder aus. „Die Sonn-
tagsohrriuge" heißt das eine, „Ruth" das
zweite. Jm ersten läßt sich eine hübsche
Bauerndirne schnell noch vor dem Kirch-
gange von der Mutter stvlz nnd freudig mit
neuen Ohrringen schmücken. Schon länten
die Glocken in dem nahen Kirchdorfe. Alles
atmet Sonntagsfrende und Stille. Die
Üppigkeit der reichen, fruchtbaren Fluren,
dnrch welche die Kirchgänger dahinschreiten,
gibt deni Bilde einen unbeschreiblichen Reiz.
— Das zweite Bild stellt dar, wie nach
heißer Arbeit im Ährenfelde die Schnitter-
innen sich zurückziehen und den Ähren-
leserinnen voin Besitzer des Bauernhofes
die Nachlese gestattet wird. Auf diesem
Bilde hat der fleißige Künstler mit alleu
Mitteln versucht, die Farbenglut eines
Sonunerrabends im Venezianischeu wieder-
zugeben. G. Favretto tritt mit drei
Bilderu auf: 1. Ostermarkt auf dem
Rialto; Höhenbild mit halblebensgroßen
Figuren in bunter Farbenfreudigkeit. 2.
„II truALtto ckella ülackckalella" d. h.
eine der Überfahrtstelleu des hier im Bilde
fast unbelebteu Canal grande, an welcher
soeben ein Gondoliere ein junges Mädchen
übersetzt und mit seiner Gondel still aus
uns zukommt. Das Wasser, welches zwei
Drittel des großen Bildes bedeckt, ist un-
übertrefflich genialt. Jm dritten Bilde
versetzt uns Favretto ins vorige Jahrhundert
und vor die Loggietta der Piazetta, vor
der sich die gepuderten Herren mit ihren
Damen ergehen. A. Zezzos hat den
Schauplatz weiter nach vorn an den Fuß
der Säule des hl. Theodor verlegt und stellt den Spazier-
gang des heutigen Volkes dar. Er leitet den Blick des
Beschauers von der großen Gruppe unter der Säule mit
Wasserverkäuferu u. s. w. bis hinaus nach den Oiarckiui
pubbllci. Meisterhaft behandelt ist dies Bild in seiner
feiuen und treu der Natur abgelauschteu Stimmung. —
Der uuermüdliche Lanzerotto glänzt durch ein großes,
keck gemaltes Hochzeitsfest im venezianisch - bürgerlicheu
Familienkreise und dnrch ein fein gemaltes kleines Bild:
„Mein Atelier", in welchem einige junge Damen nach der
Natur malen. Das beste ist sein drittes, kleines Bild:
„Regatta", auf dem er es verstandeu hat, diesem prächtigen,
Die Äunst für Alle II

glänzenden Schauspiele seine originellsten Seiten abzuge-
winnen. C. Kirchmeier, ein geborener Venezianer, hat
in eineni feingestimmten großen Familienbildnisse gezeigt,
daß er einer der wenigen ist, die sich des Studiums der
alteu Meister nicht schänien. Jn einem kleineren Bilde hat
er in moderner Weise zwei nackte, auf einem Bärenfell
sich wälzende Kinder gegeben und dieselbeu Amor und Pshche
genannt. E. Blaas hat die lebensgroße ganze Figur eines
jungen blouden Mädchens ihrer Schönheit halber gemalt

und eine Wäscherin genannt. Sehr anziehend ist ein kleines
feines Bild desselben Künstlers: „Puppenspiel im Kloster."
Den im Kloster zur Erziehuug befindlicheu Töchtercheu
venezianischer Familien des vorigeu Jahrhunderts wird er-
laubt, sich währeud des Karuevals am Policinellspiele zu
ergötzen. Das unendlich fein durchgeführte Bild bringt
dies in einer Weise zur Darstellung, welche sehr vorteilhaft
von der Geistlosigkeit absticht, mit welcher sonst hier der-
gleichen Vorwürfe liehandelt werden. L. Mion hat diesmal
in zwei großen Bildern das Jnnere der Markuskirche dar-
gestellt, in einer Ophelia seine bereits beliebt gewordene
überweiche Art der Behandlung beibehalten. R. Gianetti
 
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