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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [14]
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Personal- und Ateliernachrichten - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunst-Literatur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0187

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Unsere Bilder. von Friedrich pecht — personal- u
des aus dem Sattel gehobeuen Ritters, den die hiuzu-
stürzenden Knappen aufheben, wie prächtig hebt sich der
stolz sein Roß parierende Sieger vom sonnigen Himmel
ab, wie glücklich sind die Gruppen rechts nnd links er-
funden, welche nns den weiteren Verlanf des Turniers
nnd die Zuschauer verdeutlichen. Alles ist hier voll
sprühender Lebendigkeit, so daß man das Splittern der
Speere, das Klatschen und Jubeln der Zuschauer, das
Schmettern der Trompeten zu hören mcint, alles nnd
jedes hat auch die denkbar malerischste Gestalt ge-
wonnen, die nnsere Phantasie unwiderstehlich anregt, das
Gebotene zu ergänzen. Dabei trägt die Szcne ganz den
festlichen Charakter, den solch stolzes, mannhaftes Kampf-
spiel ohne Zweifel gehabt hat, wie wir die atemlvse
Spannung sofort mitempfinden, in die das krachende Zu-
sammentressen der Reiter ohne Zweifel die Zuschaner versetzte.
Jch habe das Bild seinerzeit entstehen sehen, weit
draußen in einem wüsten Hofraum der Vorstadt, in einer
leichten Bretterbude, die sich der Künstler dafür eigens
hatte erbanen lassen, da ihm kein Atelier groß genug war.
Der Novcmberwind blies bereits durch die Halle, daß mir
im Pelzrock schauerte, deu jungen bildhübschen und kern-
gesnnden Westfalen störte das aber gar nicht, er malte
mit einer Siegeszuversicht weiter, als ob ihn die reinsten
Mailüftchen anwehten. Er ward denn auch richtig so um
Weihnachten herum fertig mit dem riesigen Bild, das nun
den gotischen Saal der Drachenburg ziert. Leider konnte
es hier nicht mehr ausgestellt werdeu uud so entging dcm
Künstler der schönste Erfolg. Was wir jetzt verspätet nach-
holen, ist freilich nur wenig, zumal die unserer Auto-
typie zu Grunde liegende Photographie nach dem noch
unvollendeten Gemälde hergestellt werden mußte, aber es
genügt sicherlich, um jedem deutlich zu machcn, daß hier
sich eine echte Begabung erprobt hat, in der etwas von
dem Zeug steckt, aus dem einst eiu Rubens gemacht ward.
Niemand wird auch die Krast der Phantasie ver-
kennen, die sich einen derartigeu, Jahrhnnderte zurück-
liegenden Vorgang mit solcher Deutlichkeit in allen seinen
einzelnen Tellen so zu vergegenwärtigen vermag, als wäre
der Maler dabei gewesen, wie sie ihm zugleich die kiiust-
lerisch reizendste Form zu geben verstand. — Wer möchte
aber dem hofsnungsvollen jungen Mann, dcr hier sein
Talent so glänzend erprobte, nicht noch mehr solche Be-
schützer wünschen, die ihm Gelegenheit gäben, die Erfah-
rungen, welche er hier gemacht, auch zu verwerten?
Da mit Ausnahme dieses Rickelt'schen und der von
unseren verehrten Mitarbeitern umseilig bereits besprochenen
beiden Plastiken Sommers die Originale der übrigen Repro-
duktionen dieses Heftes sämtlich die Berliner Ausstellung zierten
und in unseren Berichten über dieselbe schon erwühnt wurden, so
beschränken wir uns hier, darauf hinzuweiseu, wie bei allen
drei heute gebrachten Gemälden, bei dem von Rickelt sowohl
als bei Passinis heiterer Passeggiata anf Ponte della
Paglia, oder G o w s tiefernstem Tod Eduard VI. ein nicht
geringer Teil ihrer Vortrefflichkeit darin besteht, daß ihre
änßere Gestalt, die Verteilung der Licht- und Schatten-
massen, ja die bloße Silhouette so frappant ist, daß man
sofort beim ersten Blick und ehe man ein Detai! betrachtet,
errät, was da vorgeht, daß mau einen Kampf, einen harm-
losen Spaziergang, ein ebenso tragisches als uuabwend-
bares Schicksal vor sich habe. — Daß er diese deutliche
und zugleich den Beschauer ergreifende Gestalt findet, das
unterscheidet eben den echten Künstler vom Pfuscher.

. Ateliernachrichten — Ausstellungeii, Sanimlungen rc.
Dergleicheu ist selbst der Bildhauerei möglich, oder
wer wüßte bei Prof. Königs „Venus mit Amor" uicht
augeublicklich, daß er hier einen Hauptschelm vor sich habe,
der ebeu eine neue Bosheit aussinnt? Allerdings nicht
ohne von der herrschsüchtigen Frau Mama dazu aufgestiftet
zu werden, wie denn gerade das Mysteriöse dieser Ver-
schwörung gar reizend iu der aumutvollen Gruppe aus-
gesprochen ist, die eine würdige Ergäuzung der drei Akeister-
werke bildet, welche die „Kunst für Alle" ihreu Lesern
heute zu bieten in der glücklichen Lage ist.

Personal- und chlkrliernilchrichien
6. V. Berliu. Der Euthusiasmiis, mit welchem hier
die Auffiihruug der farbeuprächtigeu japanischeii Opcrette „Der
Mikado" aufgcuommeii ist, hat bereits iu der Malerei eiuen
lebhaften Nachhall gefuuden. So hat Kourad Kiesel ein unge-
niein reizvolles Gemnlde geschaffeu, welches die Heldin der Operette
die liebliche „Vum-Viim" iu dem reichen Kostiim dieser Nolle
verherrlicht. Auf deu iu Berliu vou vornherein fruchtlosen
Bersuch, iu deu Ziigeu dieseS Weibes deu ethuographisch richtigen
Thpus dcr Jüpanerin zu treffen, hat der Maler verzichtet.
Ähulich wie iu seiuen vieleu andereu orieutalischen Frauenbilderu
gibt er eiuer Dame uuserer Nasse uur die reiche Maskerade des
Juselreiches. Kiesel wahrt sich bei dieser Art zu schaffen den
Borteil, in den Zügeu seiuer Fraueu uur daSjeuige wiederzugeben,
waS er vou Lust und Leid ini Herzeu der F-rauen uuserer Gesell-
schaft beobachtet hat. Gerade dieser Nmstand gibt seiuen Frauen-
bilderu trvtz des exvtischeu Gemaudes das frische Geprüge eiues
dem Boden unserer eigeneu Gesellschast cutsprossenen Kunst-
werkes. Das hier dargestellte Mädcheu steht gegeu das seidene
Kissen eines RuhebetteS gelehnt und blickt nül träumerischem ?lus-
druck in die Ferne. ?luf ihren brauuen Augeusteineu liegt jener
feuchte Schimmer, welcher, gleichviel, ob er als Rest einer Thräne
oder von gelleudem, frischem Lachen zwischeu deu Wimperu zurück-
geblieben ist, daS erregte Fraueuherz verkündet. Die Stirn ist
leicht vvu dem Fächer beschattet. Der Perlenschmelz der Haut
der Wangeu tritt darum um so leuchtender hervor. Deu schmaleu
Korper bedeckt eiu ziuuoberfarbenes Seidenkleid mit groffeu ge-
stickteu Blüteuzweigeu. Jn der Darstellung dieses Gewaudes
hat der berühmte Kolorist eine tressliche LeisMug geschaffen. Unter
dem Knie schliefft das Gemälde ab. Die Darstelluug ist in ^
Lebensgröße. Das im Auftrage eines amerikauischeu Kunslfreundes
ausgesührte Bild bleibt hier aus kurze Zeit iu Schultes Kunst-
Zalon ausgestellt.
U Die Brüsseler Akademie hat an Stelle Piloth's Adols
Menzel zum Mitglicd erwählt.
vm Das Germanische Museum in Niirnberg hat kürzlich
seinen zweiteu Direktor vr. Georg Frommann durch den Tod
verloreu. Derselbe stand seiueni Amte seit dem Jahre 186ö vor.
ss Jn Wieu ist der vieruudachtzigjährige Maler F-riedrich
Amerling au Erjchöpfuug gestorbeu.
sx MalerDiefenbach, der bekaunte Vegetarianer-Souder-
liug, allen Bewohnern Müncheus durch sein hüreues weißes
Büßergewand und sein barhäupttges und barfüßiges Wanderu be-
kaunt, ist entmündigt wordeu.

Musstellungkn, SAmmlungen etr.
si: Am 12. Januar wurde zum Andenken an Ed. von
Steinle iu Franksurt a/M. eine Ausstellung seiner Werke er-
öffnet. Der Katalog weist 466 Nummern ldarunter 55 Kartons,
155 Zeichnungen, 107 Aquarelle und 27 Ölgemälde) auf. Wir
kommen im uächsten Heft aussührlicher auf diese in jeder Beziehung
interessante Ausstellung zurück.
si: Unsere vorläuffge Notiz in Heft 5 d. Bl. betr. der vom
Hamburger Kunstverein für das Frühjahr d. I. geplauten größeren
Kunstausstelluug könuen wir heute dahin ergänzen, daß dieselbe
in den z. Zt. noch nicht in Benukung gezogenen Parterreräumen
der Kunsthalle stattfinden wird. ° Der Verein ist bei der Auf-
stellung der Listen der einzuladenden Künstler von deni Bestreben
geleitet worden, nunmehr in großem Maßstabe die erfreulichen
Resultate seiner Bemühungen in Betreff Heranziehung auswär-
tiger Künstler dem kunstliebenden Publikum Hamburgs durch die
Veranstaltnng einer internationalen Ausstellung zu zeigen. Es
 
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