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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Floerke, Gustav: Pour arriver, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0025

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?our Ärrivoi'
von
Guftav Floerke

^ii- haben Recht, junger Mann, sagte der Alte, Rom ist
ein ausgezeichneter Platz. Kommen Sie vertrauensvoll
zu mir ins Atelier, — ich gebe Jhuen soviel unsehlbare
Nezepte ,,pour urriver", als Sie wollen. Aber kommen
Sie gleich morgen. Rime is mons)-, für so strebsame
Leute wie Sie.
Jch saß mit meinem würdigen Freuud — Maler
und aus Rußtand — zusammen beim Wein, als er dies
deukwürdige Versprechen abgab. Ein ueu zugereister Lands-
mann (von der nicht alles wissenden Sorte, die immer
seltener wird) harrte uns geoenüber aller möglichen Auf-
klärungen und Anweisungen, gedrückt von jener Hochach-
tung, auf die man hier als augesiedelter Deutscher so
billig Anspruch ersitzt.
Mein Freuud — an dem irgendwo ein Professor-
titel häugen geblieben war — beschüftigte sich für ge-
wohnlich — so modern er dachte — damit, die Kunst
crust zu uehmen und noch immer das Lernen dem Lehren
vorzuziehen. Was cs ihn kostete war zum Glück bei
seinem Vermögen gleichgültig. Mein lieber Landsmann
hingegen zählte zu jener erdrückenden Majoritüt, welche
solche Mittel einstweilen noch sehr nötig und zu deren
Erwerb das Malen erwählt haben. All seine ängstliche
Sorge gipfelte daher seit seiner Ankunft in der ewigen
Fremdenstadt in der einzigen Frage: Rom ist doch gewiß
cin guter Platz; aber was macht man nur, um hier auch
so in die Höhe zu kommen wie der und der und der?
Man kann sich denken, daß ich aus die versprochenen
Belehrungen seitens meines alten Freundes neugierig war.
Am auderen Morgen erschien unser Jüngling. Ter
Alte war, wie immer, im Malkittel, den Schlapphnt mit
eincr Pfauenseder daran auf einem Ohr. Jch saß im
offenen Nebenzimmer mit allerlei aus Tunis mitgebrach-
tem Kram beschäftigt.
Ah, mein edler Lord, hörte ich den Alten sagen,
sehen Sie, ich bin gleich zu Jhren Diensten. Zigarrette?
Rauchen nicht? Falsch, falsch! Männer, die nicht rauchen
und die keinen Wein trinken — wie Sie gestern Abend —
halten die Weiber — Gott segne sie, sagte der Alte sich
dreimal bekreuzend und verneigend, — halten unsere
lieben Frauen nicht für voll. Nnd auf die kommt bei
Jhrer Karriere alles an. (Draußen an seiner Thür stand
mit Kreide st L st M st L).
Also mein edelster Lord, Sie möchten es auch so
herrlich weit bringen. Zunächst also bilden Sie sich mal
nicht ein, daß es dazu Talent braucht. Kein Talent,
oh bewahre, im Gegenteil, das ist gefährlich. Bilder
malen für Nichtkünstler, für das liebe Publikum, ist leicht,
sehr leicht; beim Verkaufen fängt bekanntlich die Kunst an.
Hier in Rom braucht man kein Talent, sondern Lohn-
diener, Führer, die den Fremden bereits auf dem Bahn-
hos zerreißen. Ta muß es von vornherein heißen: Nur
Müller! — Nein! Nur . . . wie heißen Sie? Schulze?
Das stimmt vortrefflich,— nur Schulze! — Titus Schulze-
Blankenese — ist der größte Fremdenmaler der ewigen
Stadt. Also nur Lohndiener. Denn die Fremden, die
nach Rom kommen, werden vor lauter Hochachtung oder
Begeisterung alle dnmm, wenii sie es nicht sonst schon
Runst für Alle II

sind. So das Rundreisevolk kauft sich Photographien zu
sanimen; die Herrschaften, die Sie was angehen, kaufen
sich dasselbe in Öl: Wasserleitung, Peterskuppel und sowas,
oder wenn es Figuren sein sollen: irgend ein Cocciaren-
kostüm mit einem Modell drin. Einmal malen Sie die
Person halb nackt, einmal angezogen — das sind zwei
Studien — mal in der Kirche, mal mit dem Lämmlein
und mal mit der Spindel oder mit dem Schatz — dazu
siud noch vier Studien nötig. Das ist alles und das
will ich selbst meinem Pudel beibringeu. Photographieu
vder auch nur die „Wachsrl-Schachteln" regen die Phantasie
mächtig an und Sie sehen zugleich, was geht. ?luch viel
Durchzeichnen aus dem jsournal arnusant, kuncli ic., nach
Mars und Dumaurier besonders, ist gut und erhält
niodern. Ebenso einfach ist die Sache, wenn Sie laud-
schaftern wollen. Ein halb Dutzend gangbare Motive
— e basta. Und das mnß in allen Größen vorrätig
sein, damit keiner aus irgend einem Vorwand wieder weg-
gehen kann. — Was kostet das, Herr Professor? fragt
einer. — Jn der Größe? 2000 Frs. — Und in dieser
hier? — Kann ich Jhneu bereits um 1500 geben. Oder
es sagt eine: — Himmlisch, entzückend! Aber leider zu groß.
— Oh, Sie können es auch um eine oder zwei Nnmmeru
kleiuer haben. Giovanni! — einen Diener brauchen Sie
natürlich, einen interessauten schwarzen Jtaliener, den Sie
am Geschüft beteiligen, wenn Sie ihn nicht gleich zahlen
können — Giovanni! zeig der Frau Baronin das Sopha-
bild „U.0NIL aeterna", nein, das mit Sonnenuntergang
„Ave Maria in Rom" in kleineren Nummern. Uud
dabei malen Sie, als mit Aufträgen überhäufter Professor
— Professor ist man hier immer — ruhig weiter.
Kauft jemand und zahlt auf irgend einer freien Tischecke
mit Papier oder einem Check, so sagen Sie, so mit einem
halben Blick von der Arbeit weg: Natürlich verstünden
sich Jhre Preise in Gold. Er kann doch nicht mehr
zurück, und Sie verdienen immerhin noch 15 "/<> Agio.
Apropos, versäumen Sie ja nicht, die Ecken Jhrer
größeren — natürlich immer „historischen" — Landschaf-
ten mit den Namen hoher Besteller zu beschreiben. Es
sieht genial aus, daß Sie dasür kein Gedächtnis haben,
für welchen Sterblichen Sie gerade Jhre unsterblichen
Gedanken bemühen. Und was dabei noch ganz anders
zieht, ist, daß der Käufer sagen kann: „Jn Rom selbst
gekauft. Das Pendant hängt bei Rothschild", oder „Fürst
Lömenstein hat sich gleich eine Wiederholung bestellt."
Bei dem großen Calanie in Genf — auch so einer
Fremdenstadt — standen die Leinwände immer so be-
schrieben umher.
Und jetzt — nur seine Spezialität nicht verlassen.
Spezialität, sagte ich, nicht Jndividualität, mein edelster
Lord, das ist beiläufig das Gegenteil. Nur nichts anderes
malen; das sucht man nicht bei Jhnen. Jmmer das
gleiche heißt der richtige Spruch. Sehen Sie z. B. nur
uach Paris. Hat einer ein bischen was Unterscheidendes
in seinem Bilde, was die Kollegen merken, so heißt
es: Vous etes arrive naon cliar. Dabei bleiben
Sie! Nur nichts anderes mehr machen! Und sie
haben recht, darauf kommt es an: er hat seinen Typ

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