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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [28]
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Pecht, Friedrich: Die Hirth'schen Publikationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0461

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5S2

Unsere Bilder — Die Hirthschen Publikatiencn

herab hineinsieht. Die ganze Landschaft ist übrigcns don
der Abendsonne dermaßen mit Gold übergosscn, daß man
drob schon die Armut und das Elend vergessen kann, die
ench da in nächster Nähe umgeben.
Jndessen empfängt uns auch hier dcr fcierliche, fast
düstere Ernst, welcher der ganzen Umgebnng Roms in so
hohem Grade eigen, wo alles, Kirchcn nnd Schlosscr, wie
die Häuser der misera plebs einen rnincnhastcn Charaktcr
trägt, aber euch auch von einer glanzvollcn weltbchcrr-
schenden Vergangenheit erzählt, welche wie die Abendsonne,
mit ihrem Schimmer die dürftige Gegenwart vergolden
muß. Diesen Glanz wiederzugeben, ist nun nnscrm Mnlcr
anch hier vortrefslich gclnngen, und so glaubcn wir ihm
denn, selbst wcnn wir eiust das genaue Gegcnteil dcsselbcn
geseheu hätten. Denn ist anf dieser Wclt voll gcmciner
Wirklichkeit und Enttänschung nicht der schvuc Schein dcr
Kunst allein das echte und ewig dauerhafte?
Wie die germanische Vergangcnheit zn der Zeit be-
schaffcn war, wo Jtaliens Glanz die Wclt übcrstrahlte,
das zcigt nns dann D iez' „Verhör", das cin wohl anf Nürn-
berger Kaufleute lauernder Naubrittcr mit cinem des Wegs
daher gekommenen Bäuerlein anstellt. Dic Formalitäten
dieses Examcns sind allcrdings uicht geciguct, unsere Schn-
sucht nach der Wiederkchr jcncr guten alten Zeit zn vcr-
mchrcn, wo man die Gerechtigkcit in dcr Weise handhabtc.
Der köstliche Hnmor abcr, mit dem sie uns Diez schildert,
ergötzt uns um so mchr, je sicherer wir uns vor deren
Wicderkchr glanbcn. Ja man frent sich nnwillkürlich, daß
wir uns aus derselben hcrans zu dcr heutigcu Blüte empor-
gcarbeitet haben, die andere nur in der Vcrgangcnhcit zu
snchen gezwungen sind. Noch mchr ersrent abcr die unver-
glcichliche Meisterschaft, mit welchcr Diez das alles so
lebcnssprühend zu -schildern wciß, daß man ihm nnbedingt
glanbt. Wie meistcrhaft ist nur das Waldgestrüpp gcgeben,
in welcheni sich die Schnapphähne versteckt haben, wie
stimmt der grane Rcgcnhimmel znr herbstlichen Landschaft,
in der sich diese erbauliche Jagdszene abspielt.
Weshalb aber unsere Maler immer nur impertinent
wahr werden, wenn sie deutsches Lcben schildern, dagegcn
alsbald zu verschönern und zu schmeicheln anfangcn, wenn

sie die Fremde wiedergeben, das mag ein anderer unter-
suchen. Chauvinismns ist es wenigstens nicht, sondern
weit eher das Gcgcnteil.
Welch ausgezeichneter Bildnismaler Gnssow sci,
das weiß nian in Berlin jedenfalls noch besser als im
übrigen Deutschland. Unser Bild eines jungen Mannes
von demselben mag das auch anderen bewciscn. Allerdings
konimt Gussow Vvn der änßeren Wahrheit des Fleisches,
der Haare, Farbe :c. znr inneren, nicht nmgekehrt wie
Lenbach. Die Hanptsache ist aber, daß er sie beide rcgcl-
müßig erreicht.
Auch Paul Höcker glückt das bei scincn vier im
Grüncn ballspielendcn Kindern, die offenbar Geschwister
siud, da sie cinen so verwandten Z»g haben, daß nian
darüber nicht im Zweifel bleibt, obwohl sic in eiue blondc
und eiue schivarze Hälfte zerfallen. Trefflich gclnngcn ist
dcm Maler aber die Wiedergabe der Kindlichkcit.
Das Sonnenlicht, welches Baisch sonst so geschickt
anf die Leinwand zu zaubcrn versteht, wird niau sclbst
anf scincr Zeichnung einer Viehherde wiederfinden, wo
daruni mit den einfachsten Acitteln eine reizende Wirkung
crzielt ist, welche durch das Ungesuchte der Komposition
noch sehr gesteigert wird. Man seufzt unwillkürlich, weiin
doch vielen andcren dic Menschen nnr cbenso anspruchslvs
gelingen wolltcn, wie ihm hier die Ochsen!
Mit welchcm Reichtum man jetzt sclbst Schiffskajüten
ausstattet, mag man an den beiden Jnnenansichten dcr
„Aller" und „Trave" sehen, jener beiden ncncrbaiiten
Orientdampfer des norddeutschen Lloyd, deren innere Aus-
stattung die Firma Bembs in Mainz übernommen nnd
mit solch geschmackvoller Pracht durchgeführt hat. Tabei
sind die Bilder, welche sie zieren, von keincu geringercn
als Arthnr Fitger und Lndwig Lesker gcfertigt, die
da offenbar einen Teil der reichen Makartschen Erbschaft
verwerteten. Wer wollte sich aber nicht darüber freucn,
daß unsere dekorative Kunst solche Triumphe iu allen
Weltteilen davonträgt? Es ninß uns darüber tröstcn,
daß dcr Lloyd für gut fand, die Subvention des Reiches
dazu zu vcrwenden, die Schifse selber in England bauen
zu lassen, also mit unserem Geld unscre Konkurrenten
zu stärken.

Die Likth'schen publikationen
vom Uerausaebcr

nstreitig wollen die Werkc des Or. Hirth, welche be-
kanntlich so große nnd verdiente Verbreitung gefunden,
in ihrem Ziisammenhange betrachtct sein, wenn man die
Thätigkeit ihres Herausgebers vollständig würdigen soll.
Haben sie doch alle den Zweck dnrch eine genauere Kcnnt-
nis der Vergangenheit bildend nnd veredelud auf das
Schaffen der Gegenwart einzuwirken. Das gilt nun wie
vom srühesten derselben, dem weltbekannten „Formenschatz"
so besonders auch von der zweiten Publikation mit der
wir hier beginnen, weil sie für den Charakter des Ver-
fassers selber am bezeichnendsten ist: „Das deutsche
Zimmer". (3. Auflage. München. G. Hirths Verlag. Preis
10 M.) — Dieses in seiner Art vortresfliche Werk verdient
diesen großen Beifall vollständig, den es gefunden, sowohl
durch seine vielen, die allmähliche llmbildnng des Geschmacks

iu sechs Jahrhunderten überaus deutlich darstelleudcn Ab-
bildnngen, als durch des Herausgebers bcglciteiiden Text,
der ganz gesnnde Knustauschanungen nnd eine wahre Fülle
vou fruchtbaren Gedanken enthält. — Besonders wenn er
jene Vereinzelung der Kunstwerke und Loslösuug vvn ihrer
llmgebung beklagt, wie sie von 1800 bis 1850 fast dnrch-
weg bei nns stattfand und selbst hente noch keineswegs
überwunden ist, während das Bild, die Statue doch blos
die höchsten Glanzpunkte der ganzen Dekoration zu bilden
hätten. — Wenn dergleichen nun dem Verfasser besonders
gut darzustelleu gelingt, so hat das seinen Grund wohl
darin, weil ofsenbar selbst eine Künstlernatnr in ihm steckt,
wie die reizende Ausstattung seines eigenen Hauses beweist,
von der wir hier nnr eine Saalpartie als eines der köst-
lichsten Muster mvderner Münchener Dekoration mit-
 
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