Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Widmann, Joseph Viktor: Der Monumental-Friedhof (Cimetero monumentale) zu Mailand: eine Reise-Erinnerung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
86

Derr Wonumenta L-AvieöHof
(Limetero monumentale)
zu INailaud.
Eine Reise-Erinneruiig von I. V. Widmami


c^Iist ciuch der Allerseelentag vorüber, der, kurz bevor das Jch war schon recht ost in Mailand gewesen, ohne
Leichentuch des Winters dic stilleu Totenfelder der diesem Friedhof Aufmerksamkeit zu schenkeu. Jm Ganzeu
weiten Länder bedeckt, jene pietätvollen Züge Trauernder reist man ja überhaupt uicht nach Jtalien, um mit melau-
cholischen Dingen sich zu be-
schäftigen. Es ist iu diesem
Lande der heitern Kunst Alles
so von Lebenslust durchsättigt
und getränkt, daß man selbst
auch gern vergißt, was Schillers
Nünie klagt: „daß auch das
Schöne sterben uud zum Orcus
hinabsinken muß." Freilich!
daß diese Lebenslust und diese
heitere Kunst sogar auf dem
Friedhof ihr Recht werde
geltend macheu, das hatte ich
nicht erwartet. Jch sollte es
erleben.
Fast verdauke ich es eiuem
Zufalle, daß ich eudlich bei
meiuem letzten Besuche in
Mailand auf den Friedhof ge-
langte.
Jn einem der Photo-
graphiemagazine in der lllähe
des Doms war mein Reise-
begleiter, ein Maler, wieder
einmal wie gewöhnlich mit der
ausgiebigen Plünderung der
vorhandenen Mappen beschäf-
tigt, und ich half ihm dabei
treulich, als uus, neben sv
vielen anderen Kunstblättern,
Abbildungen zu Gesicht kameu,
Darstelluugeu Vvu plastischen
Figuren, die durch ihre phan-
tasievvlle Kühnheit uns beide
stark frappierten. Auf unser
Bestagen erfuhren wir, dies
seien Photographien uach den
Statuen des aimetero moau-
mentale. Alsobald war es
ausgemacht, daß wir die Stadt
der Toten besucheu wollten.
Ein Tramway führte uns in
zwanzig Minuten hinaus, und
nun sollten wir etwas zu
von Zkrotzmayrr, Bischof von Djakovar. Hlgemälde von Franz von Lenbach sehen bekommen, wie wir es
uus so schön, so erhaben uicht
hatten träumen lassen.
Mehr als sechszehnhundert bildhauerisch ausgeführte
Monumente, — man denke ja nicht an die Grabsteine
unserer Friedhöfe! — erheben sich inmitten eines wohl-
gepflegten unabsehbaren Gartens, in welchem als Baum
die dunkle Cypresse vorherrscht. Viele dieser Monumente
sind große Mausoleen, Pyramiden oder ganze Tempel mit
offener Säulenhalle, in welcher die einzelnen lebensgroßen
Statuen einer einzigen Familie versammelt erscheinen,

vr. I.

aus allen Ständen auf die Gräber hinaus führt, so mag
doch der Besuch eines durch die bildende Kunst so einzig-
artig geweihten Friedhofes, wie es der Mailänder Eimetero
monumentale ist, dem Leser dieser Zeilen, vielleicht als
ein Nachklang zu dem neulichen Totenfeste, nicht unwill-
kommen sein. Mir selbst aber ist der Bericht darüber eine
liebe Erinnerung an eine der erhabendsten Stunden, die
ich vor uicht langer Zeit auf lombardischer Erde zu-
gebracht.
 
Annotationen