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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Floerke, Gustav: Pour arriver, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0048

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27


kour urriver. von Gustav Floerke

?our Äi'rlvor.
von
Sustav Floerke
(Schluß)

>Lie stützen das Haupt teilnahmlos auf den Tisch,
in die weiße Hand — ist Jhre Hand weiß? —
weiß ja, aber zu klein. Leute mit kleinen Händen taugen
nichts, wie alle Jtaliener nichts, — also so — wissen
Sie, die Haare — ich hab' nur keine mehr — müssen
über die Hand fallen, und dann lachen Sie plötzlich bitter
auf, laut, scharf. . . Sie können, das ist eine andere
Nüance, auch aufspringen, ganz nnmotiviert, einige heftige
Gänge dnrch den Saal machen und sich dann erschöpft
wieder hinsetzcn. Wetten, daß das wirkt? Worüber
denken Sie schon wieder nach, Herr Titus? sragen dic
kleinen Damen, die sowas noch nicht gesehen haben und
die es wie die Nähe des Genius überschauert ^— Oh,
nichts, antworten Sie, nur eine Jdee. . . Oder Sie
singen plötzlich, höchst unpassend und als ob Sie allein
wären, ein Stück Melodie, oder Sie starren, wie oben,
ein Mädchen an, daß sie rot wird, und dann ein Brief-
kvuvert oder sowas aus der Brusttasche, und nun heimlich
beftig draus losgezeichnet, so verklärten Auges, als wenn
der Geist über Sie gekommen wäre, wissen Sie. Aber
natürlich nie zeigen, was Sie da hingekritzelt haben, sondern
schnell und keusch wieder in den Busen damit, wenn Sie
darum gebeten werden. Aber um Gotteswillen nicht ver-
legen. Thun Sie lieber wie abwesend. Das sieht genial,
unergründlich aus. Es steht zwar schon im „Galateo" des
Mons. Giov. della Casa, daß es in Gesellschaft unschicklich
sei, plötzlich Briefe hervorzuziehen und zu lesen. Glauben
Sie das ja nicht. Sie sind Künstler, und Künstlern ist
alles erlaubt. Jm Gegenteil, das Verrückteste steht ihnen
am besten. Bei euch Künstlern findet man jeden Blöd-
sinn interessant. Künstler und Fremde können hier treiben
was sie wollen und sind des Erfolges immer sicher. Man
crwartet sogar dergleichen von ihnen und ist enttäuscht,
wenn sie sich wie andere Menschen benehmen.
Studien malen Sie nur auf Felsen oder hohen
Steinen. Am Strande, wo Jhnen jedes hineinschauen
könnte, starren Sie lieber ins Blaue — es genügt
schließlich auch, daß man den Maler riecht — und wenn
Sie interessant und beobachtet genug sind, erscheinen Sie
plötzlich in der ganzen Muskelpracht Jhrer Glieder,
springen kopfüber in das berauschende Element und
schwimmen hinaus — schwimmen können Sie wieder
nicht? Jst das erste, was Sie lernen müssen. Schwimmen
ist einfach die Kunst, den Kopf über Wasser zu halten —
also Sie schwimmen hinaus in die purpurne Salzflut,
unbekümmert, nur Jhrem Bedürfnis, am Busen der
Natur zu ruhen, folgend, trotz der Haifische und Polypen,
von denen Sie am Abend vorher den jungen Damen
vorgefaselt haben. Sie sollen mal sehen, wie interessant
Sie mit solchen Nkätzchen werden, und wie bald es denen
vorkommt, als stiegen Sie zu ihnen herab, — alle sehen
zu Jhnen empor, alle sind in Sie verliebt. . . Und Sie
greifen zu, wo Sie mögen.
Übrigens geht das auch einfacher; für jeden Köder
gibt es Fische. Jch kannte einen germanischen Künstler,
der kam lediglich aus „Jtalichen" und mit „soo" einem
Karbonaromantel, den er sich rot hatte füttern lassen. Dazu

natürlich einen Kalabreser mit einer blauen Feder dran.
Sie glauben, man hätte den Helden überall hinausge-
worfen? Kein Schein. Er kam, sah und siegte. Jn vier
Wochen hatte er eine Frau damit erwischt und kann nun
das Malen bleiben lassen. Hat's nicht mehr nötig.
Überhaupt rat' ich Jhnen zum „Jdealisten", d. h.
was man so uennt. Da laufen alle mit: die sichts von
Malerei verstehen, und die, denen man nicht genug Malen
beigebracht hat. Haben Sie nicht, gleichviel woher, ein
paar heroische Landschaftsmotive, vou deuen Sie lebeu
kvnuten? Heroische! Denkeu Sie uur, wie gering und
posierend sie unter dem Titel sein dürften! Und was
das Wort doch in gebildeten Kreisen für eiuen Kläng hat
und welchen Glanz es auf Sie zurückwirft. Und wo
etmas Geld ist, suchen Sie dann gleich zu heirateu.
So, ans Heiraten denken Sie noch nicht. Das
hätten Sie gleich sageu sollen. Möchten Sie denn nicht
vielleicht fromm werden, protestantisch oder katholisch?,
das ist alles eins. Oder doch nicht. Katholisch werden nutzt
im heutigen Rom nichts mehr. Der Papst, die Kirchen
und Klöster halten an sich und gebeu kein Geld mehr ans,
der püpstliche Adel hat nichts mehr und auch augenblicklich
keine Repräsentationspflichten in Kapellenbauten, Altar-
stiften :c. Da sind Sie zu spät gekommen. Aber —
und nun noch etwas ganz besonders Billiges — ver-
süumen Sie weuigstens nicht, zu jeder Wohlthätigkeitslotterie
eiue Photographie von irgend einem Jhrer Werke sauber
aufziehen zu lasseu und zu schenken. Das Komitee muß
sich dann in den anständigsten Zeitungen bedanken und
Jhren Schmarren loben. Natürlich liegt es im Jnteresse
des Komitees, den Wert der eingegangenen Geschenke zu
übertreiben. Alle Augenblick können Sie darum Jhren
werten Namen lesen, als den eines eminenten Malers,
als unseres berühmten deutschen Freundes, als des
Tizians der Mark oder Graubündens, den Rom all-
winterlich zu bewirten die Ehre hat, u. f. w. Das ist
die billigste Reklame und rührt außerdem die Damen,
uämlich, daß Sie ein edler Mensch sind, der der Armen,
der Gefallenen und Hinterbliebenen gedenkt. Und es
kommt eins zum andern. Nicht daß die Jtaliener kaufteu;
aber Sie sind eingeführt und man führt Fremde zu
Jhnen.
Währenddessen versäumen Sie um Gotteswillen nicht,
sich an alle Journalisten zu kleben. Kennen Sie Kund-
mayer? Also. Jedem, der für Zeitungen schreibt, malt
er Fran, Kinder und Kindsmagd. Die Galerie Buonamici
(von der „Gazzetta'st besitzt allein 10 echte Kundmayer.
Dafür heißt es aber auch längst, so schwer sein Name
sür die Jtaliener ist, bei jeder Gelegenheit, „Unser Kund-
mayer". Anständig ist dieser Weg nicht gerade, unter uns
gesagt. Aber, was wollen Sie. Wer einmal a sagt,
muß auch b sagen. Was ein Wurm werden will, krümmt
sich bei Zeiten. Hochmütig können Sie gegen genug an-
dere sein, —- gegen Käufer und Journalisten nie! Entweder
ist die Kunst ein persönliches Vergnügen, und dann ver-
achten Sie, wen Sie Lust haben. Oder sie ist ein Ge-
schäft und dann küssen Sie schön die Hand. Auch Verkehr
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