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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Floerke, Gustav: Pour arriver, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0049

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kollr Lrriver. von Gustav Floerke

mit Archäologen und Kunsthistorikern schadet nicht; natürlich
müssen Sie diese alles besser wissen lassen und mit ihnen
ganz besonders gebildetes Hochdentsch sprechen. Gewöhnen
Sie sich überhanpt deren Jargon an. Was haben Sie
davon, daß die Maler Jhnen recht geben! Maler kaufen
keine Bilder. Nur Leute, die nichts davon verstehen.
Und Sie wollen doch, oder müssen von der Eitelkeit der
Welt leben. Widersprechen Sie nicht. Also Sie ver-
kehren mit Kunstgelehrten, schon ihrer Fremdenbekannt-
schaften wegen und weil es gebildet und nach gesellschaft-
licher Stcllnng aussieht, wenn man mit ihnen gesehen
wird. Ruhen Sie nicht, bis auch der Dümmste und
Arroganteste bei Jhnen im Atelier war. Und dann, wie
eitel Sie auch sein mögen, machen Sie's ungefähr so:
„Nun sagen Sie mir ehrlich, Herr Doktor, oh bitte ganz
ehrlich, nicht wahr, ich habe Fortschritte gemacht, nicht
wahr? Oh, wie mich das zu hören freut — aus solchem
Munde, das macht Mut," oder so ähnlich. Und dann
sährt man sich plötzlich mit der Hand durch den Genie-
skalp, so, — Sie haben ja noch einen — springt auf
und trocknet sich den Schweiß von der Stirn: Oh, ich
muß an die Luft — freie Luft — ich bin zu angegriffen
von der Arbeit — nicht wahr, Herr Doktor, Sie be-
gleiten mich ein paar Schrltt.
Und damit werden Sie zugleich den Kerl los und
können Jhr Atelier auslüften, während Sie eine Foglietta
trinken.
Und nun, sobald ordentlich was beißt, gleich ein
zweites Studio aufgethan, in Homburg, Baden-Baden oder
sonstwo, damit Sie nicht die Sommersaison verlieren oder
gar der Biß einem andern an die Angel geht. Gerade
wie ein Badearzt muß der rechte und gerechte Fremden-
maler sein. Richten Sie sich nnr einstweilen ganz nach
irgend einem berühmten Muster, bis Sie selber ex prnxi
dahinter gekommen sind, wann die verschiedenen Saisons
beginnen, aus welchen Kreisen Jhre Kundschaft sich zn-
sammensetzt rc.
Übrigens besser als so ein deutsches Modebad ist
England, falls Sie mit meiner Reitidee anfangen wollen.
Dann brauchen Sie garnichts zu können. Die römischen
Bilder für England lassen Sie sich hier machen: — Sie
haben zuviel mit Entwürfen zu thuu, ü ls. Rubens.
Also engagieren Sie sich irgend einen talentvollen, aber
dummen und darüm hungrigen Nasfael imd sagen, daß
Sie nur Figuren malen, die Landschaft möchten Sie von
ihm dazu präpariert haben, — so und so etwa. Nach-
her entlassen Sie ihn und mieten sich einen anderen für
die Figuren und das Zusammenbringen. Damit machen
Sie in England, auf dem Lande, Effekt und Geld. Jn
London kaufen Sie sich dann ein paar gute Aquarelle aller-
»euester Manier, womöglich einen Herkomer, eine Hand
nur, einen Kopf oder sowas, Skizzen, Studien, Versuche,
und die zeigen Sie hier so nebenbei als Proben, wie
fleißig Sie in England studieren, legen aber keinen Wert
darauf, — hier sei nicht das Land für Aquarellporträts,
auch drängten größere Kompositionen. Dann hält man
sie hier bald für genial, so oder so; d. h. wer nicht

glaubt, daß die Sachen von Jhnen sind, taxiert Sie wenig-
stens für einen geschickten Zauberer, der weiß, wie's ge-
macht wird, und den man also besser in Ruhe läßt. Sie
gehören dann mit zur Camorra.
Womit ich da male? Sehen Sie, das thue ich wieder
den Jüngern der Wissenschaft zu Liebe. Das ist Petro-
leum, damit die Kunstkenner meine Bilder später mal
gleich am Geruch kennen. Malen Sie mit was Sie
wollen oder können. Daran liegt's nicht. Da hängt ja
die Wurst nicht, wie unser Freund Oberst sagt.
Ja, mein edler Lord, verzeihen Sie, ich muß noch
ausfahren. Schade, ich habe Jhnen heute nur cinige
Andeutungen geben können. Wäre ich Akademieprofessor,
würde ich ein sechsstündiges Kolleg darüber ankündigen,
mit praktischen Übungen natürlich. Adieu, mein edelster
Lord, und behüt' Sie Gott. Danke. Beehren Sie mich
wieder.
Jch hörte, wie der „Schüler" sich zurückzog. Dann
rief ihm der Alte noch über die Stiege nach: Apropos,
mein Verehrtester! Etwas Aberglauben muß jeder Künstler
haben. Vergessen Sie nicht, alles mit Siccativ de Cour-
üay zu malen. Das bringt Glück. Bilder mit Siccativ
de Courtray verkaufen sich immer.
Dann kam der alte Herr zu mir.
Na, was sagen Sie nun? Dem hab' ich's gesagt, was?
Haben Sie gesehen, wie wörtlich er meine Ratschläge
nahm? Fünf Cigaretten hat der Herr Nichtraucher in
der halben Stunde geraucht. Und haben Sie gesehen,
was das Kerlchen für kleine Hände hat? Und Leute mit
diesen energielosen kleinen Händen, die nichts ordentlich
ansassen können, taugen nie was. Pardon, ich sehe eben
erst, daß Sie auch so ziemlich kleine Hände haben. Na,
Erziehung kann ja vieles gut machen. Danken Sie Jhren
Eltern dafür. Aber das Kerlchen . . .
Er soll bei Zeiten Platten putzen lernen, sagte ich,
damit er nicht verhungert, wenn nächstens die Farben-
photographie erfunden wird. Glauben Sie nicht auch,
daß dieser größte Segen für die Kunst uns nächstens be-
scheert werden muß, wenn man's noch länger aushalten
soll?
Versteht sich, versteht sich, sagte der Alte, aber Sie
sind ein Schwärmer. Es wird nichts nutzen, gar nichts.
Mäcenas Publicus ist zu dumm, will geschmeichelt sein,
protegieren, öffentlich Geld ausgeben; er kauft nicht Bilder,
sondern Namen, er treibt Preissport. Hat der eine einen
Meissonnier um 400,000, muß der andere einen um eine
halbe Million besitzen. Daran wird die gelungenste
Farbenphotographie nichts ändern. Geben Sie acht, Ver-
ehrtester, das Kerlchen hat zugehört. Er hat kleine
Hände. Der bringts zu was, obgleich er weder An-
schauung, noch Einfälle hat, und er nichts kann als ab-
malen. Und wenn zehnmal die Farbenphotographie erfun-
den wird, der macht seinen Weg.
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* -I-
Bis jetzt weiß man noch nicht wie Titus die in ihn
gelegten Keime entwickeln wird. Aber Alles läßt sich gut
an. Zunächst ist er Antisemit oder so etwas geworden.
 
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