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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Was mir grad so einfiel
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2YZ


Zchloß Vrlthurns.
von k>. E. von Berlexsch

Da sitzt sich's verguüglich, bei Gott, uud was der
Souneuscheiu, der draußen durch das bliiheude Gezweige
siimmert, nicht vermag, dem hilft der rote Terlauer, —
's ist wahrhaftig kein schlechter Tropfen, auf die Beine.
Dazu ist's obendrein Ostersonutag uud was für ein
Sonntag! Als ob's die Berge wüßten, die riesigen Ge-
sellen von Dolomiten, groß, schroff, steil, unnahbar und
bei alledem nicht etwa hochnäsig, wie's andere Jndividuen
sind, wenn sie sich anf ihre Schroffheit nnd Grobkörnig-
keit etwas zu gute thun, wohl auch gar manchmal vor-
handene Mängel damit zuzudecken bemüht sind. Nein,
diese Dolomiten sind brave, wnchtige Erscheinnngcn, ohne
kleinlich zerrissene Kontur, g'rad wie große Menschen,
die sich um kleinlichen Einzelnkram nnd Klatsch nicht
scheeren. 's fiel mir dabei eine Strophe aus einem bis
jetzt unedierten Gedichte von Scheffel ein, wo er auch von
solchen Bergindividuen sagt:
Die stehen unerschütterlich
Auf festem Grimde da,
Und lachen ob dem Türkenkrieg
Und ob der Cholera!

uv mir rlrud sa einfirl
Von r>. L. von Berlepfch
^^lühende Zweige von Schwarzdvrn, wnudcrreizende weiße Steruchcn
an lustig knorrigem Gezweige, steheu in einem mächtigen, bemalten
Thongeschirre vor mir. Das letztere ist eine ornamentale Schöpfung
bäuerlicher Phnntasie, grober, gesunder Anschauung entsprungen, mit
friesartig um eiucn Schild angcordneteu Blattverziernugcn, zwischen
denen der folgeude wunderbare Bcrs steht:
Freund, Dn suchst vergebens,
Du weißt nicht, wem Du dieneu sollst.
Die Freudeu dieses Lebens
Sind nicht alle gschmolzt (geschuial.zeu!.
llnd anf der andern Seite steht noch eiu Vers, daueben ist ein
blancs Herz mit roten Flammen abgebildet:
Mein Sckiatz ist galaut
Das ist bekannt
Jui ganzen La::d.
Der Hafner war sicherlich ganz ernsthaft verliebt, als cr dieses
kernmische Produkt sormte und bcmalte. llnd nun ist's cin ganz
eigenes Zusammentreffen, daß zwischen den blühenden Zweigen durch
eiu blonder lacheuder Mndchenkopf mir zuschaut, wie ich schreibe, eiu
Mädchenkops, zn dem sicherlich keiu blaucs Herz zugehörig ist; 'sist
auch so ein Stück blühenden Schwarzdorns mit aller haud neckischem
Zweigwerk und stecheuden Dorucn. Weiter znrück am Fcnster seh' ich
ein Stück roten, vom Zugwiud hiu und her bewegten Vorhangstoffes,
danu kvmmt draußen allerhand Stamm- uud Astwerk, leicht überflogeu
von grünlich-grauem Schimmer crsten Blätterschmuckes. abcr rcich, über-
reich beladen niit köstlich dufteudeu Blüten, in denen das geflügelte
Jnsektenvolk eine tiefe Baßmelodie singt und summt. Tamit ist aber
die Aussicht noch kcineswegs crschöpft — oh, das geht noch viel weiter,
auf Mauern und Zinuen und darüber hinaus geht der Blick ans
blaue, ganz tiefblaue, beinahe schwarze Berghänge mit Tannenwälderu,
zieheuden Wolkenschatten, die sind bald tief unten, danu wieder ganz
weit oben, biegen eiu in die Schluchten uud Wildbachrunseu, steigeu
hinauf am bleicheu, halbzerborsteueu Gesteiu der Schroffen. Darüber
kvmmen in ganz unzusammenhängeudem System kleine und großc
Schueeflecken, wie sie eben der Sonne Strahlen noch haben liegen lasseu,
danu Wolken und wieder Wolken, da und dort ein Stück blanen
Himmels und mauchmal, wie ein traumhaft Gesicht, eine von dcn
hoheu, gauz hohen Bergspitzen.
Herrgott, wenn die anfangen, zu lachen, so muß es
dröhnen wie die Posaunen, die man weilaud vor Jericho
blies. Sie haben's, wie's scheint, schon damals verstanden,
in die Lärmtrompete zu blasen und verlernt haben sie's
bei Gott bis zur Stuude nicht, diese braven Belagerer
von Jericho.
Nnd wollt' nuu einer wissen, wo dieser göttliche
Erdenwiukel sei, wo ich mich momeutan befinde, so mach'
ich ihm kein Hehl d'raus. Ein Dorf ist's am westlicheu
Be:gabhang des Eisakthales, ein Dorf, allwo ein alt
fürstbischöflich Schloß steht, das weilaud den geistlicheu
Herren vou Brixen gehörte, welche es iu frohem Sinne
für die schöne Natur und init künstlerischem Geschmack
für schauende Meuschenkinder gebaut haben — so heißt's
ungefähr auf der lateiuischeu Jnschrift über dem Thor-
bogen. Sie sind längst gezwuugenermaßen zu Thal
gezogen, denn mau nahm's ihnen einmal in harter Kriegs-
zeit weg uud nachher, wie gewöhnlich, kam nichts Besseres
an die Stelle. Der Name ist Velthurns.
Schon lange hätt' ich für unsern verehrten Meister
Pccht etwas schreiben sollen. Nun ist mir zwor allerhand
 
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