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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [29]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0477

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Z76

Unsere Bitder
vom L;crausgebcr

TT^aß bon all' unseren Jtalieuschlldereru Ludwig Passiui
smvohl der wahrste als liebeuswiirdigste sei, ist
uachgerade cbeuso uubestrittcu, als daß es der uuvcrwiist-
licheu Amuut seiner Darstclluugeu uicht deu geriugsteu
Abtrag gethau habe, wcuu er dasselbe als uicht vou
lauter Madouueu uud Museu bewohut zeigt. Nie hat
er abcr bcide Eigeuschafteu iu höhereni Grade eutwickelt,
als bei deiu uuvcrglcichlicheu Bilde veucgiauischeu Vvlks-
lebeus, das er uus iu seineiu „Kiirbisverkäufer" gibt,
eiueni jetzt iui Besitz des Kaiscrs Vvu Osterreich befiud-
licheu Juwel. Ta sehcn wir all die Dürftigkeit uud
geuiigsaiue ülruiut, dcr die eiustige Köuigiu der Adria
versalleu, aber auch die gnuz eigeuartige Grazie ihrer
Töchter, welcher selbst der ewige Wasseriuaugel uichts au-
zuhabeu veruiag. — Welche Majestät iu dieser vou ihreu
sechs sehr lebendigeu aber uugekäiuuiteu Sprößliugeu um-
gebeueu Hekuba, wie viel Beredsauikeit vollends cutwickelt
die jüugste und hübscheste derselbeu, da sie um eiueu
Kürbis feilscht, deu ihre Schwesteru bereits uiit deu
Blickeu verschlingcu, da sie offeubar uoch uicht gefrüh-
stückt. Wie köstlich ist die Nachbariu, die sv mühsaiu deu
ebeu erstaudeuen iu ihre Wohuung fortschleppt, die Wasser-
trägeriu, die uiit dem Burschen des Verkäufers kvkettiert,
oder gar die Sylphide, die über ihm geräuschlos vorbei-
huscht. Wie echt siud eudlich die beideu Schliugel, welche
die Zukuuft dcr Natiou repräseutiereu uud eiustweileu die
Tradition des Faulleuzens mit gleichein Glück zu Wasser
uud zu Laude fortsetzen. Fürwahr die armselige Flick-
schusterbude, ja die vor Feuchtigkeit zerbröckelnde Ziegel-
mauer nebeu deiu Soltoportico rechts, ist so ccht veue-
zianisch, daß niau die salzige Luft des Kauals eiuzuatiucu
glaubt, an dem sich unser Drama abspiclt. Vor alleui
aber, daß mau das Feuerwerk von weitcm kuatteru hört,
welches so viele Weiber-Zuugen übcr deu Verkäufer ein-
prasselu lasseu! Man umß daruni das Bild ein Jdeal vou
jeucr wahrereu und feinereu Volksdcirstelluug neuueu, die,
wie sie alles bei weitein übertrifft, was die Altcu uach
dieser Seite hiu gcleistct, auch iu unserer dcutschcu Kiiust
mit Meuzel, Kuaus, Vautier uud Defregger uud unsereni
Passiui erst eiue wahrhaft klassische, weil ebcuso neue uud
eigenartige als deiu Charaktcr dcr Natiou eutsprechcude
Periode begiuut.
Behauptet uebeu deiu naiveu uud wahren das Heroische
uud Große seiu volles Necht, so erweist letzteres mit uu-
gewöhnlichem Glück Kanoldt iu seiuer Sappho, die ja
eine historische uud keiue niythische Figur ist, wo er aber
durch den die graudiose Laudschaft durchtobendeu Sturui
sofort den ahucu läßt, welcher in ihrer Brust rast uud
sie jetzt gleich iu deu Tod treiben wird. Das Bild ge-
hört zu dem Cyklus vou historischcu Landschafteu des
Künstlers, von deneu wir bereits die Autigone gebracht
habeu und die dem eiustigen Schüler Prellers ein so
schönes Zeugnis ausstellen.
Ta uusere heutige Malerei es so sehr liebt, die

Schatteuseiteu des deutscheu Lebeus darzustellcu, so dürfeu
wir uus uicht wuuderu, weuu die bei uns wohuendeu
Fremden das auch thuu. So schildert dcuu selbst der
Grieche Jakvbides die Leideu, welche deu Großvätern bei
uus durch ihre uugezogeuen Eukel bereitet werden, uud
wie eiu solcher als würdiger Nachfolger Hüons einst-
weileu dieseu edleu Ahueu statt des Kalifen ani Bart
zupft. Wer deu Schadeu hat. braucht sür deu Spott
uicht zu sorgeu, uud so hat denu auch dieser vom Askan
gemarterte Haidhauser Auchises zum Haarlasseu auch uoch
das Ausgelachtwerden um so eher fügeu inüssen, als seiue
Leideu mit so gutem Humor dargestellt sind.
Nimmt uuter alleu deutscheu Architektttrmaleru Paul
Nitter, eiu ehemaliger Schüler Graebs, uuläugbar jetzt
deu ersteu Platz eiu, so verdaukt er das offeubar uicht
am weuigsteu seiuer Geburt iu der Perle aller aktdeut-
scheu Städte, iu dem herrlicheu dtüruberg. Vielleicht aber
auch dem Unglück, daß er schou in früher Jugeud iufolge
eiuer Krankheit das Gehör verlor. Das uötigte ihn die
Seele in die Augeu zu verlegeu, uud die Steiue redeu
höreu zu lerneu. Was sie ihm alles auvertraut, erzählt
er uus deuu auch mit eiuer geistvoll liebeuswürdigen
Ülusführlichkeit in seiuen Bilderu, daß mau uicht müde
wird, es deuselbeu abzuleseu, da buchstäblich jeder Ziegcl
iu denselbeu eiue Zuuge uud sehr viel Lust zu habeu
scheint, uus seiue Lebeusschicksale zu berichteu. — Alles
lebt da auf dieseu Tafelu, uud wühreud svust die gemal-
teu Bauwerke sv leicht langweilen, wird man bei deu
seinigcu uie müde, sie zu betrachten. Sie scheineu uuter
seinem Piusel erst aufzuwacheu aus laugcm Schlaf, um
uns vou all deu Zeiteu zu berichteu, die au ihuen vor-
überzogeu, von ihrem Glauz uud ihreu Schreckeu. So hier
vom Eiuzug des als eiu Retter begrüßteu Gustav Adolph,
iu jeueui dreißigjährigeu Krieg, wo die eigeueu Lauds-
leute uuter Walleusteiu fast schlimmer hausteu, als die
nordischeu Eroberer, so lange sie ihr frommer König iiu
Zauu hielt. Odcr war es uur, daß wir deu Freiudeu
jederzeit viel mehr verziehen habeu als jeueu? Wie dem
auch sei, ich wüßte uicht, daß uiau die sonderbare Misch-
ung vou hohcm Jdealismus, tiefer Gemütlichkeit uud
Jnnigkeit samt viel uuverträglichem, eckigeu, sprödcu und
kleiulicheu Weseu, die mau deutscheu Natioualcharakter
ueuut, jemals deutlicher ausgesprochen gesehcu hätte, als
iu dicscu herrlich himmelanstrebeudeu Kircheu, stolzeu Türmen,
zierlicheu öffentlicheu Gebäuden uud eigeusiuuig fiusteru
und engeu Privathäuseru, wie sie unser Bild zeigt. Wie
jedes Eiuzelue der letzteren sich vom Nachbar möglichst
scharf abschließt uud gauz glücklich scheiut, wenn es ihm
gelungeu, deuselbeu zu übertrumpfeu, das ist gar ergötzlich
zu seheu. Der eigensiuuige Jndividualismus, der so oft
unser Verderbeu war, wie er auch die Quellc unserer
nachhaltigeii Kraft und Eigenart ist, wie wäre er noch
deutlicher zu uialeu, als auf diesem urdeutscheu Bild, wo
alles spricht, aber keiner den auderu hört?

Mphorismen. von Anselm Feuerbach')
Ls erkundigte sich eininal jemand nach der Figurengröße Um ein guter llcaler zu sein, braucht es vier Dinge:
eines Bildes von . . . . — „lvenn Leute in den Aleidern steckten, Ein weiches ^erz, eiu feines Ange, einc leichte ksand und
wären sie lebensgroß", war die Antwort. immer frisch gewaschenc jdinsel.

Aus: »Mein Vermächtnis". Wien, Gcrold
 
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