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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Heilbut, Emil: Schweizer Reisebrief, [2]
DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [26]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0420

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Schweizer Reisebrief. Von ^erman Selferich — Unsere Bilder. vom Herausgeber

ausbildet. Und das Auge freut sich immer und immer.
Diese Baumstämme! wie das Sonnenlicht auf ihneu
spielt, die hellen Flecke und die durchsichtig fliiumernden
Schatten! Wie das goldgelbe Haar der Baslerin vom
Azur sich hebt, zu dem sie hinaufschmachtet; die
flammenden weißen Wolken und die fernen Hügelketten
die ini Dufte schwimmen! Vor der dunkelgrünen Baum-
gruppe die die Silhouette des Mittelgrundes bildet, steht
ein hellgrüner Busch, der durch das tiefe Blau des durch
seine Blätter schauenden Himmels hell und fröhlich erscheint.
Dieses Wunder von blumenreicher Wiese! und dieser Bach,
dieser kühle wonnige Bach mit flachen Ufern, auf braunem
Moosboden das rieselnde Wasser. Die Blätter wachsen, die
Zweige schlagen aus, und die Baslerin mit dem weißeu
Leib, die fich gegeu den Banm lehnt, ein rotes Gewand
um die Hüften, durch das der Unterkörper rosig hin-
durchleuchtet, haucht die wouuigsten Frühlingsgefühle ein.
Man sieht dieses Gemälde und glaubt der Frühling
ziehe in die Seele; nicht Leinwand und Farbe mehr,
sondern Wesen, nicht als Kuust wirkend, nein wie Natur
selber durch allerhöchste Bethätigung von Kuust.
7' Mit eiuem starken Gefühle des Jammers sieht mau
die anderen Bilder an, die das Unglück habcn im selben
Raume zu häugen; sie sehen aus als wären sie verstaubt

und farblos. Etwas wie Unduldsamkeit gegen das, was
nicht Genie ist, bemächtigt sich der Seele. Man glaubt nur
die höchsteu Genien seien berechtigt zu schaffen. Aber man
macht einen Rückschluß auf sich selbst, will fich selbst doch
nicht gar so viel Leides anthun und sucht sich über d!e
Stimmuug hinwegzubringen. Wir können halt nicht Alle
Spezialisten für Feuersalamauder sein . . .
An plastischen Schöpfungeu sah ich in Basel von
Böcklin au der Knnsthalle Masken von Schildbürgern in
Überlebensgröße. Der Argwohn mit herabgezogencm Muud,
Schilfgott oder Feuerlöschmann; der Dummpfiffige mit
Nashorunase; einer, dcr erschreckt aufpfeift, einer mit ge-
schwollenen Backen uud einer, der einen Spuck sieht. Alle
von dem kräftigsten Lebcn und hahnebüchenem Humor,
realistisch-phantastisch wie Gottfried Keller.
Auf dem Rückwege vou der Schweiz besichtigte ich
in Augsburg uoch die Galcrie, welche mir eiu Galcrie-
diener aufschloß, der wie eiu bayerischer Eiscnbahnschaffner
aussah, und in München ging ich in die AuSstellung des
Kunstvereins, in der abcr nicht viel Erbauliches war;
eiu Bild vou eincm Aialer Nonnenbruch hing darin,
welches dcu Titel trng: dcr jnnge Gclehrte. Jch
würde mehr dafür gcivesen sein, es ein uener Anzng zn
uenneu.


Unsere Bilder
vom lheransgebcr
^T^aß die Engländer jeht auch eine klassizistische Richtung
haben, kann mau an der Phryne ihres Akademie-
direktors Sir Frederick Leightou seheu, der bekauntlich
seine Bildung in Frankfurt bei Steinle erhalten hat, der als
frommer Nazareuer freilich über diese Auweuduug seiner
künstlcrischen Prinzipien die Hände überm Kopf zusammcn-
schlagen würde. Wird niemand die vollendete Meister-
schaft bestreiten können, mit welcher dcr Körper der vor
Gericht stehcnden Dame modelliert ist, welcher ihr An-
walt eben zum Schluß seiner Verteidigung den Mantel
abgenommen hat, so wird dieser Theaterkoup auch durch
das unzweifelhaft Hetärenhafte des Ausdrucks der schöneu
Sünderin gerechtfertigt. Daß das Ganze sthr akadenüsch
und eher abkühlend als sinnlich reizend wirkt, liegt wohl
daran, daß dieser Phryne alle schalkhafte Koketterie ab-
geht, an der sie es bei dieser Gelegenheit gewiß nicht
fehlen ließ. Das ist nun zwar sicherlich nicht atheniensisch,
dafür aber so spezifisch englisch, daß es gerade dadurch noch
ani besten gerechtfertigt wird. Denn weshalb sollte ein
Engländer nicht euglisch empfinden?
Um so erfrischender tritt die Leighton ganz abgeheude
Schalkhaftigkeit in des Venezianers Bressanin „span-
nender Erzählung" eines Buckligen auf, der in einer ita-
lienischen Küche das Personak durch eine Schnurre ver-
blüfft, deren Spitze die zwei älteren Küchengrazien wohl
verstehen und belachen, während sie die jüngste unerfah-
rene noch nicht begriffen hat. Das, sowie das vollkommen
blöde Staunen der dabeistehenden Kinder ist mit eben-
soviel Wahrheit und guter Laune gegeben, als die Spitz-
büberei des Buckligen. Es zeigt uns die uaturalistische
Aus A. Fellmans Skizzenbuch Malerei der Ftaliener von einer ebenso charakteristischen
Seite, als Leightons Bild den Klassizismus der Engländer,
 
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