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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Die Hirth'schen Publikationen
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Aus Rom: (geschrieben im Mai d. J.)
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunst-Literatur und vervielfältigende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0465

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Z6ö Aus Rom — personal-
versunken, die alten Hände auf dem alten Hute gefaltet da vorne
an der Säule halb kniet, halb sitzt, in festen Strichen
meisterhaft wiedergegeben. — Jn seinem Atelier, das >ch da-
nach aufsuchte, bestätigten inir die angefangenen Bilder eines
orgelspielenden Mönches und eines Kinderporträts, die Uber-
zeugung der großen Zukunft, welcher dieser blutjunge unschein-
bare Mensch entgegengeht. Die liebenswiirdige Frische des kleinen
Kindes im Griinen empfand ich als doppelte Erholung auf die
Litanei von konveutionellen Leinwanden und Statuen hin, welche
die letzte und älteste der Ausstellungen im ralarro äelle Lelle
ä.rti, wie schon flüchtig erwähnt, umschließt.
Jn ihr vertritt der Venezianer G. Barisson allein mit
echtem Humor und geschicktem Pinsel das schwierige Unternehmen
— so heißt auch das Bild — dem Leben seine Züge so abzu-
lauschen, daß man gleich hier von dem übermütigen Lachen des
schwarzäugigen Mädchen erfaßt wird, womit dieses den ver-
geblichen Versuchen des muntern, alten Fischers zusieht, ihre
Nadel wieder einzufädeln. Die hübsche Schelmin hat den Alten
jedenfalls rascher und dauerhafter eingefädelt, als es ihm mit
ihrer Nadel gelingen dürfte. Selig das Volk, dessen gute Laune all-
zeit obenauf wie der Kork schwimmt und wär' es auf den schmutzigsten
Wässern eines Venezianer Seitenkanals. — Von Emilio Gioja
wäre das Jnnere von Araceli als virtuos .... gekleckst in Fortuuys
Manier zu erwähnen. Vorzüglich trifft Gioja den gedämpften Ton
dieser uralten Säulenhallen, die verdroßen dem Wandel der
Götter und Zeiten staudhalten, während die flüchtige, vvrlaute
Gegenwart sich in entsprechend grellen Farbenpunkten bemerkbar
macht.
Nenne ich noch den — recht unnützerweise — lebensgroßen
Abruzzesen des G. Simoni, dessen kernige dunkle Gestalt mit
Stock und Dudelsack über das Kalkgebirge daher kommt, so sind die
nennenswerten italienischen Leistungen erschöpft. — Einen liebens-
würdigen Übergang von dieser südlichen zu unserer nordischen
Weise bietet eine Leinwand des Österreichers Benedikt Knüpfer,
deni eine heitere Fantasie das liebevolle Versenken in den Schmelz
der italischen Luft und der italischen Gestade belebt. Über Meer
und Küste lastet regungslos der heiße Scirocco und lockt das
weiße Nixenvolk aus der Tiefe ans Ufer, zwischen dessen blendenden
Felsenklippen sie cinen ruhenden Satyr erspähen und übermiitig
neckend umkreisen, indes Luft und Wasser von der afrikanischen
Glut graublau angehaucht, sich in meisterhafter Perspektive in der
Ferne verlieren.

Abseits von modischen Ateliers und Ausstellungen, geht der
in Rvm geborene Deutsche Ludwig Seitz seinen besondern Weg.
Durch die Richtung seines Vaters, eines, trotz Türkenfez, Beduinen-
Mantel und arabischer Leibbinde, tüchtigen Nazareners, in der
Overbeck'schen Tradition aufgewachsen, zugleich mit dem Studium
der großen heitern Meister der Nenaissance genährt, wurde er als
Jüngling schon darin selten vom Glücke begiinstigt, daß er an der
Seite seines Baters durch Bischof Stroßmayer zur Ausmalung
des Domes in Diakovar berusen, sein Talent voll und frei ent-
falten konnte. Zugleich bewahrte ihn die Mannigfalligkeit seiner
?lufgaben vor Einseitigkeit; denn riefen ihn im Sommer seine
frommen Fresken außer Land, so schmückte er dagegen hier ini Winter
die große Eingangshalle zu den Wohnräumen der Farnesina im
lebensfrohen dlrabeskenstile der Raffael'jchen Loggien aus und
schuf manch' ernstes Staffeleibild. — Seit vorigem Jahre nun ist
L. Seitz im Vatikan damit beschäftigt in der Sala dei Candelabri,
— wo das Museum in antiken Kandelabern mid sonstigem
Marmor-Schmuck ausklingt, — die abgepaßten Felder des Tonnen-
gewölbes mit dem Wirken des jetzigen Papstes — mehr oder
minder allegorisch in Tempera auszufüllen. — Der Anfang in
schreienden Farben und von nüchternster Auffassung gehört einem
römischen Maler, als dessen Nachfolger Leo XIII. unseren tüch-
tigen Landsmann eiligst benef, um deu llnfug zu enden, und
diese Arbeit, welche ihm menschlich nahe geht, seiner Absicht
gemäß würdig gelingen zu sehen. Fünf Felder sind bereits fertig.
Auf deu vier kleineren, deren Lage einander gegenüber am Ab-
satze der Wölbung, sie dem Zuschauer mühelos genießbar macht,
hat der Künstler den glücklicheu Einfall gehabt: Allegorie und
Wirklichkeit in Ton und Komposition so klar zu unterscheiden, daß
es dem einfachsten Auge verständlich sein muß.
Hier z. B. illustriert ein Engel die Kraft des Gebetes
durch einen Rosenkranz, den er dem vor ihm knieenden Krieger
als Waffe gegen die Üngläubigen in die Hand drückt, während
im Hintergrunde grau in grau die Schlacht von Lepanto tobt. —

und Ateliernachricbten
Gegenüber pstegt ein anderer Himmelsbote, im blaurotgelb schillern-
den Gewande der drei christlichen Tugenden, ?lrme und Kranke.
?luf den zwei andern F-eldern ruhen in verschiedenen Lagen je
paarweise edle Frauen in warmen Farben und reicher Gewandung:
die beiden mit der offenen Mappe und dem Zirkel — dem Symbole
des künstlerischen Maßes — vor dem geschickt in seinen Haupt-
punkten zu einer Silhouette zusammengezogenen Rom; die beiden
anderen — Wissen und Glauben, — jchirmend und zügelnd,
vor den Hörsälen der päpstlichen Schulen, die man grau wie alle
Theorie in voller Thätigkeit erblickt. — Jm Mittelstück feiert diese
von Leo VIII. so thätig angestrebte Verschmelzung von blindem
Glauben und sehendem Wiffen nicht wie es logisch wäre, etwa
in der Gestalt eines Einäugigen ihr Symbol, sondern sie triumphiert
in der Person des großen Acquinaten und der als Mutter der
Gläubigen, über ihm erhaben thronenden Kirche, der St. Thomasius
demütig stolz seine Scholastik darbringt. Um anzudeuten, wie viel
der große Kirchenlehrer auf dlristoteles gehalten und aus ihni
geschöpft, ist dieser schmächtige Heide unter ihm in Gedanken vor-
loren zu sehen. — Versöhnung bildet hier den Grundton, im
humanen Sinne eines weltklugen Kirchenoberhauptes sowohl, als
in der künstlerischen Jntention des Malers, dem das merkwiirdige
?lmt geworden, auf dem Felsen Petri das Millennium vorbereiten
zu helfen, das die Welt umsonst ersehnt, seit es ihr in einer
Weihnachts-Bision als „Friede den Menschen aus Erden" vor bald
zweitausend Jahren verkündet worden ist.

Personal- und Akeliernachrichirn
—r Berlin. Der Präsident der königlichen ?lkadenüe der
Kiinste zu Berlin, Historienmaler Professor Karl Becker, so-
wie das Mitglied des Senats der Ilkademie, Geh. Ober-Regie-
rungsrat vr. M. Jordan, welche bekanntlich bei Gelegenheit
der diesjährigen F-lorenzer Feste die Berliner Akademie offiziell
vertraten, sind zu korrespondierenden Mitgliedern der SocietL
Lolombaria in Florenz erwählt worden.
V. kt. Miinchen. Der junge Bildhauer Gamp dahier hat
seiner „Jägerin" eben jetzt die Marniorsigur eines „Fischers" folgen
lassen, welche einen entschiedenen F-ortschritt sowohl in der ?luf-
fassung als Durchführung zeigt. Beide sind zum Schmuck deS
Parks von Slschau durch die Besitzerin, die F-reisrau von Cramer-
Klett bestimmt, die sich damit ein um so größeres Verdienst er-
warb, je seltener solch' thätige Kunstförderung sich bei Damen zu
äußern Gelegenheit hat. — Unser Fischer nun ist eben im Begriff,
zum Fang auszuziehen und steht, das Ruder in der Hand, das
Netz überm ?lrm, den nacklen F-uß von der Woge benetzt, den
Blick voll Beutelust, da, im Begriff das Bot zu besteigen. Da-
durch erhält die jugendlich srische Gestalt etwas Belebtes und kiihn
?lnmutendes, was nicht nur der Bestimmung durchaus entspricht,
sondern auch den angenehmsten Eindruck macht.
OI. Der gegenwärtig inMünchen wohnhaste österreichische
Maler Karl Karger wnrde vom Kaiser von Österreich aus Vor-
schlag des Nnterrichtsnünisters v. Gautsch zum Professor der
F-achschule für Zeichnen und Malcu an der Kunstgewerbeschille
des Wiener Museums sür Kunst und Jndustrie ernannt, während
sein Vorgänger, Maler Julius Berger als ordentlicher Pro-
fessor der allgemeinen Malerschule an der Ilkademie der bildenden
Künste in Wien eingesetzt wurde.
vm Die Künstlerkolonie, welche in jedem Sommer die
kleine Jnsel F-rauenwörth im Chiemsee zu bevölkern pslegt, zählt
in diesem Jahre auch den Berliner Malcr Felix Possait zu
ihren Gästen. Derselbe ist dort eifrig mit einer Landschaft be-
schüftigt, welche die gegeiüiberliegende Jnsel Herrenwörth mit
dem Prachtschlosse Herrenchiemsee in dlbendbeleuchtung darstellt.
vm Von den beiden in engere Konkurrenz gezogenen Be-
werbern um die Ausmalung des Treppenhauses der
Düsseldorfer Kunsthalle, Karl Gehrts und Ernst Roeber,
hat ersterer den Sieg davon getragen. Das Konkurrenz-
komitee hat unter Vorsitz des Regierungspräsidenten Frhrn. von
Berlepsch einstimmig beschlossen, scine Entwürfe zur Ausfiihrung
zu empfehlen, so daß jedenfalls auch die Entscheidung des Kultus-
ministers zu ihren Gunsten ausfallen wird.
— Professor Woldemar Friedrich in Bcrlin ist vom
Kultusininister v. Goßler beauftragt worden, die Aula des neuen
Gymnasiums zu Wittenberg mit eincm großen Wandgemälde zu
schmücken, welches ein Ereignis der Reformationszeit zum Vor-
wurf haben wird. Für die AuSsührung ist ein Kostenbetrag von
20—25,000 M. ausgesetzt.
 
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