Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Voss, Georg: Das Berliner Lessing-Denkmal
DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [13]
DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Franz Adam
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0162

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

s20 Das Berlincr Lessing-Denkmal. Don (8e
Wirkung ihrer Silhouette wesentlich beeintrüchtigt iverden.
Gustav Eberlein hat trotz des gerade bei ihm so
stark hervortretenden Zuges 'zum Malerischen iu dem
Ausbau seiucs Teukmals die Mittelliuie streng beobachtet.
Den Hauptschmuck des Sockels bildet eiue iu außerordeut-
lich idealem Schwunge aufgebaute Gruppe: Vorn iu der
Mitte ciu Genius mit der Fackel; zu den Füßen desselben
reichen sich ein Mann und ein Jüugling über einem
Buche die Hände. Die Bedentung der Gruppe mit kurzen
Worten zu trefsen, ist schwer. Sofort verständlich ist
iudessen die ideale Begeisterung, welche aus den Zügeu
dieser drei ihre wahre uud echt meuschliche Sprache redet.
kknd das, was wir von edleu Reguugeu der Seele iu den
Zügen dieser drei lesen, gibt in glücklichster Weise den
Grnndton für die Stimmung, ans der das' Denkmal eines
Dichters betrachtet sein will. Die wesentlich kleinere
Gruppe hinten am Deukmal wirkt dagegeu komisch: Jn
der Mitte liegt die große Maske der Tragvdie, in deren
weit aufgerissenen Mund ein Knabe verwundert hinein-
schaut. Ein anderer Knabe hält mit dcr einen Hand die
Maske, mit der anderen schlägt er einen Ton in den
Saiten einer Leyer an. Jn der Statue des Dichters ist
vor allem die ritterliche Erscheinuug des lebeusfrischeu
Jünglings wiedergegeben. Ein Manuskript in der Hand
haltend, steht er lcicht gegen ein Postament gelehnt
in entschlossener Haitung da. Der Aufbau der Statue
ist in allen Linien und von deu verschiedeusteu Staudpuukten
von großer Schönheit. Toch es fehlt die hohe geistige
Bedeutung, welche in den Statuen der Entwürfe von Otto
Lessing, Siemering und Eucke zur Erscheinung kommt.
Neben diesen Schöpfungen aus bewährteu Händen
erregen die Arbeitcn von zwei jungen Künstlern ganz
besonderes Jnteresse. Ernst Curfeß aus Stuttgart hat
beim Studium der Tracht des 18. Jahrhunderts sich
so iu die Formenwelt des Rokokv vertieft, daß er die
ganze Fignr des Dichters nach den Kunstgesetzen des Rokoko
stilisiert hat. Die Statue ist mit grvßer Grazie in den
schlanksten Proportionen aufgebaut. Hochaufgerichtet schaut

rg Doß — klnsere Bilder — Franz AdaM
der Dichter mit klarem Blicke in die Ferne. Die linke
Hand ruht auf dem Torso des Laokovn; die rechte hält
eine Schriftrolle. Eine ähnliche Andeutung der Thätig-
keit Lessings als Archäolog kommt in den Entwürsen
mchrfach vor und wechselt mit der Darstellung Lessings
als Dichter ab. Jede derartige ?lndeutung sehlt der Statue
von Walther Schott. Die symbolische Darstelluug der
einzeluen Richtungen in Lessiugs Schaffen bleibt auf die
Sockelfiguren bcschräukt. Sv stellt der Bildhauer in klar
verstündlichen Allegorien links die Archäologie, rechts die
Tragödie dar. Die Archäologie, in Bezug anf die ewige
Jngend der Wissenschaft ein jugendliches Weib, das die
Büste des Laokoon betrachtet und im Begriff ist, eine Be-
obachtung in das vor ihr liegende Buch zu schreiben; die
Tragödie auf der anderen Seite zeigt im Gegensatz dazu
die in finsteres Sinnen versunkenen Züge einer Greisin.
Die anf diesem Sockel steheude Statue zeigt eine außer-
ordeutliche Euergie des Ansdrucks. Nicht ohne einen leichten
Anflug von theatralischem Pathvs hat Lessing das Haupt
stvlz erhobeu und sich mutig in die Brust geworfen. Jn
den vorn zusammengelegten Händen hält er ein geschlossenes
Buch und zugleich den leicht aufgenommenen Saum
des Mantels. Dieser obligate Denkmalsmantel — er
kommt im ganzen auf 9 Entwürfen vor — hängt in
diesem Falle nur leicht über der einen Schulter
und läßt auf der freien Seite die Gestalt in
der eleganten Rokokotracht um so charakteristischer her-
vortreten. Doch neben einer großen Schönheit der
Form ist in diesem Entwurfe die Hauptforderung des
Denkmals, die Schilderuug der geistigen Persönlichkeit,
meisterhaft gelöst. Schott's Lessing soll nicht den Archüo-
logen nnd nicht den Verfasser der Dramen schildern, sondern
den ganzen Mann, der sein Fahrhundert beherrscht. kknd
für die Freiheit und Kühnheit dieses Geistes hat der Bild-
haner in dieser dnrch keinen änßeren Zwang gebundenen
Haltung des Körpers den symbolischen Ausdrnck gefunden.
Die Jnry wird ihr Urteil am 22. Januar, dem
Geburtstage des Dichters, verküuden.

Wnsere Witdev
1". ki. Da ich deS polnischen Meisters Siemiradzki
„Christns mit Maria und Martha" wie des Engländers Reid
„Zwei Großväter" schon in der Beschreibung der Berliner AuS-
stellnng auSfiihrlich gewikrdigt, nicht minder anch aus Oester-
leps köstliches Bild voin Rordfjord aufinerksani gemacht habe,
das in feiner trefflichen Wiedergabe deS Grandiosen und llber-
wältigenden einer solchen Gebirgslandschaft ini Verein mit ihrer
ernsten Pracht eine wahre Perle genannt werden mirtz, so bleibt
mir fnr heute nnr Desreggers Mndchenkopf iibrig. Diese
Schönheit ist offenbar mit dem Melkkiibel viel bekannter, als mit
sänitlichen Schäben der neuesten deutschen Litteratur, fiir deren
Reize sie nicht einmal viel Empsänglichkeit haben dürste. Denn
jeder ideale, hiinmelwürts strebende Zug fehlt dieser Jnngfrau
leider gänzlich. S:e entschädigt dagegen fnr diesen schweren
Mangel einigermatzen durch die köstliche neckische Frische, die ans
deni schalkhasten Gesichtchen spricht nnd „wie sie kurz angebunden
war, das ist nun zum Entzncken gar", wenn sich der Sepp etwa
nnnuti machen wollte. Znr Heiligen also offenbar nicht bestimmt,
diirfte sie sich aber um so sicherer zur Schuppatronin aller
durstigen Gemüter in irgend einem „goldenen Bären" oder
„roten Ochsen" anfschwingen, zu welcher segenspendenden
Standes-Erhöhung wir ihr denn auch im vorauS Gliick wHnschen
wollen. Was aber Meister Defreggers Wiedergabe solcher Alpen-
blumen vor den aller anderen auszeichnet, das ist, datz er nns
iinmer ein ganz bestimmtes, vollkommen glaubwürdiges Jndivi-
duuin gibt, auf' dessen Skeugier, kleine Tücken irnd harmlose Bos-
heiten wir hier im voraus zu schwören geneigt sind.

Ircniz Adcrrn
nter den zu Anfang der zweiten Hälfte dieses Jahrhnnderts
auftretenden Realisten der Münchener Schnle nimmt neben
Piloty der eben dahingegangene Meister Franz Aoam unstreitig
eine der ersten Stellen ein. Wie jener Sohn eines Malers, ver-
doppelte auch er das Talent deS Vaters in seinen Leistungen,
ohne sich doch den Konsequenzen dieser väterlichen Erziehung je-
mals entziehen zn können. Denn seine malerijche Begabung be-
satz ihn, nicht er sie; ja in allen Dingen, die nicht mit der Malerei
zusammenhingen, war er darnm unberechenbar und nur zu oft
sein eigener ärgster Feind. Deshalb hat er auch nie die Wirk-
samkeit erreicht, die ihm seiner ungewöhnlichen Ftthigkeit zusolge
sonst kanm hütte entgehen können. — Die Schlachtenmalerei aber
auf einen gänzlich anderen Futz zu stellen, als er sie vom Vater
und vor allem vvn Peter Hetz überkommen, sie zur Charakter-
und Geschichtsdarstellung zn erheben, dazu hätte wohl sein
malerisches Talent, aber seine intellektuelle Veranlagung niemals
ausgereicht. Deunoch hat ihm die deutsche Kunst eine Reihe
hochachtbarer, ja sogar ein paar in ihrer Art unübertreffliche
Schvpfungen zu verdanken.
Der Vater war eine Art Landsknechtnatur gewesen, wie
sie die trostlosen Zustände Deutschlands bei Beginn unseres
Jahrhunderts, wo es ein Vaterland ja noch gar nicht gab,
notwendig erzeugen inußten bei einem Maler dieser Art. Durch
seine Schilder- und Abenteuerlust, Btut und ihre Jntelligenz,
wie sein gesundes Talent znm Soldaten des Glücks gemacht, er-
zog er auch seinen Sohn Franz in diesen Anschauungen. Dieser,
dessen Hauptstärke in dem feinen Sinn für das Charakteristische
 
Annotationen