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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Reber, Franz von: Über Bühnenkostüme
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Pecht, Friedrich: Gottfried Neureuther und das neue Münchener Akademiegebäude
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Über Bühnenkostüme. von Fr. von Reber — Gottfried Neureuther. von Fr. Pecht

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klemper berühren. Wie vornehm geht der Dichter selbst
über die Sache hinweg, wenn er in Heinrich V. den Chorus
sagen läßt:
„Ergänzt mit den Gedanken unsre Mängel,
Zerlegt in tausend Teile Einen Mauu,
lknd schasfet eingebildte HeereSkrnft . . .
.Nnd sitzt uud seht,
Das Wahre denkend, wo sein Scheinbild steht."
Shakespeare will nicht mehr als ein Symbol der Kampf-
szene, wie er dem Publiknm von der Lokalität nur den
Namen gibt. An seine „vier bis fünf zerfetzten schnvden
Klingen" stellt er gewiß anch keine stilistischen Anfvrdernngen
und bedarf der „echten" Waffen so wenig, wie er einen
wirklichen Mvhren fnr Othellv nötig hat. Kurz, realistische

Wahrheit so wenig, wie archäologische Treue, indem er
für beides die Phantasie der Zuhörer setzt. Jch kann
meine Polemik gegen die archäologische Tendenz, wie sie
sich auf der modernen Bühne breit macht, nicht passender
schließen als niit der schneidenden Jronie auf diese Richtung,
welche Heine seiner Harzreise einverleibt hat:
„Die Jntendanz hat zu sorgen .... für die Treue
der Kostünie, die von beeidigten Historikern vorgezeichnet
und von wissenschaftlich gebildeten Schneidern gemacht
werden. Und das ist notwendig, denn triige nial —
Maria Stuart eine Schürze, die schon zum Zeitalter
der Königin Anna gehört, so würde gewiß der Bankier
Christian Gumpel sich mit Recht beklagcn, daß ihm dadurch
alle Jllusion verloren gehe . . ."

Gottfrird Neurruiher kknd das ueue Münchener Akadeknienebäude

^il^'chtes Verdienst konimt in Teutschland fast immer zur
Anerkennung. Borausgesetzt freilich, daß sein Juhaber
nicht so unvorsichtig ist, vorher zu sterbeu. Letzteres kann
ihm aber um so leichter begegnen, als er vor dem ersten
halben Jahrhundert selten auf Erfolg zu rechuen hat.
Wenigstens als Architekt. So mußte unser Neurenther
erst fünfzig Jahre alt werdeu, bis er nur zu einem or-
dentlichen Auftrag kam, und siebzig, bis man in weiteren
Kreisen begriff, wie viel man ihm verdankte. Jn, fast
alle nnsere großen Baumeister haben wie er darunter
gelitten, daß ihnen die Jugend in fruchtlosem Ringen ver-
strich. — Daß sie, wie Ferstel, im achtundzwanzigstcn
Jahre schon zu eineni mächtigen Bau kämeu, dazu braucht
es schon eine Revolution, wie die von 1848, die vor
ihm erst Müller, dann Van der Nüll und Siccardsburg,
endlich Hansen obenauf brachte. — Glücklicherweise ist
das auch nicht nötig, ja kaum zu wüuschen, da ein großer
Bau eiue solche Summe von praktischen Erfahrungen und
technischen Kenntnissen voraussetzt, wie sie die Jugcnd
selten oder nie alle erwirbt. Man mnß aber anch alt
werden, uni sich in einer Kunst, wo alles Überliefernng
scheint, jene Unabhüngigkeit des Geistes zu erringen, die
einen wirklichen Fortschritt erst möglich macht.
Doch sncheu wir nun zu bestimmen, worin unseres
Meisters Verdienst hauptsächlich besteht, der doch ganz
gewiß nicht zu den Romantikern, sondern eher zu den
Klassizisten gehört, unter seinen Münchner Borgängern
weder Gärtner oder Bürklein, sondern unzweifelhaft Klenze
inimer noch am nüchsten bleibt. — Sowie man das sagt,
so fällt einem aber gleich der große Unterschied ein, der
selbst zwischen dicseni größten Meister der Münchner Schule,
dessen glänzende Leistnngen schwerlich je überboten werden
dürften, und ihm besteht. Offenbar wurzelt er im grund-
verschiedenen Naturell beider, und kann man ihn als die
innere Kälte des einen und die heitere Wärme des andern
bezeichnen. Die lebensvolle Wärnie ist es nun gerade,
welche so vielen Münchener Bauten bis zu Neureuther
fehlt, mit Ausnahme der Glyptothek, Klenzes frühester und
glünzendster Schöpfung, wo sie uns wenigstens an der
Fassade erquickt. Jm Jnnern freilich auch nicht. Das
hat nun zunächst seinen Grund darin, daß eine gute Zahl
dieser Bauten, die keine bestimmte Persöulichkeit mit ihren
Fehlern und Vorzügen, sondern als bloße Jmitationen,


Das Trepprnhaus drr nruen WünchenLr KunstakadLmir
Lrbaut von G. Neureutber

wie sie es gar oft sind, nur ein Schema aussprechen, ab-
solut nichts Naturwüchsiges, sondcrn im Gegenteil etwaS
durchaus Willkürliches haben. Das heißt also, weder
den nationalen und lokalen Boden, auf dem sie gewachsen,
noch die Zeit, in der sie enfftanden, oder auch nur ihre
Bestimmung mit Sicherheit aussprechen. Doch giebt es
auch andere, die, wie die Pinakothek, wenigstens das letz-
tere wirklich und in sehr großartigen Formen thun, wie
denn eine unbestreitbare Größe und Erhabenheit sast alles
adelt, was Klenze gebaut hat. Wenn affo seine Gebäude
dennoch oft einen auffallend kalten Eindnick machen, so
hat das keinen anderen Grund als die Lieblosigkeit, ja
 
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