von Franz von Reber
Kostümiercii ist ja aiich eine künstlerische That imd soll
nicht blos skliwisches Ropiercn scin. llkamentlich bei solchen
Gestalten. die nicht durch erhaltene Porträts in ihrer ein-
stigen Erscheinnng jedein Gebildeten sa geläufig sind, wie
z. B. die fürstlichen nnd geistlichen Herren des Reforma-
tionszeitalters. bleibt iinmerhiii der Frciheit der Erfindiing
großer Spielraiim geboten.
Jm ganzen wird die Gebimdeiiheit immer strenger,
je mehr sich die Zeit der Handlung der Gegenwart nähert,
weil damit die Tisharmonie zwischenTenk- niid Empfindiings-
iveise wie Sprache des Tichters einerscits und dem Geiste
wie der Erscheiming derZeit anderseits sich vcrringert iind
cndlich aufhebt. Eine leichre Uusicherheit schadet übrigens
U5
auffallend sein würde: so ein gewisses Dandytum im
Salonkleide der Herren und ein Vorgrcifen der Mode-
eutwicklung in jeiieiu der Damen, ein kleiues Plus der
Erscheiuuug im Lebeu, uud maucher Versuch, deu eiuzeluen
Häßlichkeiten der Modeerscheinung aus dem Wege zu geheu
und ueue Ziele zu zeigen.
Fassen wir das Gesagte zusammeu, so ergibt sich auch
für das Kostüm wie für die Dekoratioueu die Forderung:
Man gebe anf den Bretteru, welche die Welt bedeuten
und nicht sind, zwei Dingen nicht allzubreiten Raum, näm-
lich dcr archäologifihen Wahrheit uud dem illusorischen
Effekt. Die erste stellt sich uur zu oft in Widerspruch
mit deni Haupterfordernis aller Kuust, soniit auch der
Palmsonntag in altchristlickirr Zrit. Fragment des Vlgemäldes von w. Gentz
auch im 18. Jahrhuudert noch keineswegs. Wird z. B.
die hüßliche Frauentracht dom Anfang des 18. Jahrhunderts
durch die graziöse Eutwicklung der Zeit Louis XV. ersetzt,
oder wird allenfalls Watteau etwas über seine Zeit hinaus
festgehalten, so stört das ja nicht. Die Aktricen werden
nur dafür dankbar sein, wenn sie einerseits der steifen
Korsage, den Rockwulsten und häßlichen Frisnren der Zeit
Louis XIV., anderseits den kümmerlichen Vorläufern des
Empire aus dem Wege gehen können, und die denkenden
Zuschauer, denen es mehr um Schönheit, Charakterzeichnung
und dramatische Wirkung zu thun ist, als um Unterricht
in der Kostümkunde, werden über kleine Zeitverschiebungen
nicht unglücklich sein. Selbst im Kostüm der unmittelbaren
Gegenwart ist manches zu wagen, was auf der Straße
Bühneukuust, nümlich der Schönheit. Auch deckt sie sich
nicht immer mit der Auffassung des Dichters und seines
jeweiligen Publikums und erregt außerdem für sich ein
Jnteresse, das von jenem, das der Dichter gewollt, ab-
leukt und überhaupt, weil wissenschaftlich, darum prinzipiell
uukünstlerisch ist. Ebenso verhält es sich mit der Realität,
mit der auf Jllusion abzielenden Wahrheit. Der Eindruck
wird nicht selten um so unwahrer, je mehr Mittel auf-
geboten werden, Jllusion zu erzeugen, indem unvermeidliche
Lücken bleiben, welche dann neben dem Täuschenden nur
um so empfindlicher und disharmonischer wirken. Je
mehr Aufwand an Personal, Kostüm, Waffen u. s. w.
gemacht wird, nm z. B. eine Shakespeare'sche Schlacht
zu inszenieren, desto übler wird uns das Gerenkel und Ge-
IS'
Kostümiercii ist ja aiich eine künstlerische That imd soll
nicht blos skliwisches Ropiercn scin. llkamentlich bei solchen
Gestalten. die nicht durch erhaltene Porträts in ihrer ein-
stigen Erscheinnng jedein Gebildeten sa geläufig sind, wie
z. B. die fürstlichen nnd geistlichen Herren des Reforma-
tionszeitalters. bleibt iinmerhiii der Frciheit der Erfindiing
großer Spielraiim geboten.
Jm ganzen wird die Gebimdeiiheit immer strenger,
je mehr sich die Zeit der Handlung der Gegenwart nähert,
weil damit die Tisharmonie zwischenTenk- niid Empfindiings-
iveise wie Sprache des Tichters einerscits und dem Geiste
wie der Erscheiming derZeit anderseits sich vcrringert iind
cndlich aufhebt. Eine leichre Uusicherheit schadet übrigens
U5
auffallend sein würde: so ein gewisses Dandytum im
Salonkleide der Herren und ein Vorgrcifen der Mode-
eutwicklung in jeiieiu der Damen, ein kleiues Plus der
Erscheiuuug im Lebeu, uud maucher Versuch, deu eiuzeluen
Häßlichkeiten der Modeerscheinung aus dem Wege zu geheu
und ueue Ziele zu zeigen.
Fassen wir das Gesagte zusammeu, so ergibt sich auch
für das Kostüm wie für die Dekoratioueu die Forderung:
Man gebe anf den Bretteru, welche die Welt bedeuten
und nicht sind, zwei Dingen nicht allzubreiten Raum, näm-
lich dcr archäologifihen Wahrheit uud dem illusorischen
Effekt. Die erste stellt sich uur zu oft in Widerspruch
mit deni Haupterfordernis aller Kuust, soniit auch der
Palmsonntag in altchristlickirr Zrit. Fragment des Vlgemäldes von w. Gentz
auch im 18. Jahrhuudert noch keineswegs. Wird z. B.
die hüßliche Frauentracht dom Anfang des 18. Jahrhunderts
durch die graziöse Eutwicklung der Zeit Louis XV. ersetzt,
oder wird allenfalls Watteau etwas über seine Zeit hinaus
festgehalten, so stört das ja nicht. Die Aktricen werden
nur dafür dankbar sein, wenn sie einerseits der steifen
Korsage, den Rockwulsten und häßlichen Frisnren der Zeit
Louis XIV., anderseits den kümmerlichen Vorläufern des
Empire aus dem Wege gehen können, und die denkenden
Zuschauer, denen es mehr um Schönheit, Charakterzeichnung
und dramatische Wirkung zu thun ist, als um Unterricht
in der Kostümkunde, werden über kleine Zeitverschiebungen
nicht unglücklich sein. Selbst im Kostüm der unmittelbaren
Gegenwart ist manches zu wagen, was auf der Straße
Bühneukuust, nümlich der Schönheit. Auch deckt sie sich
nicht immer mit der Auffassung des Dichters und seines
jeweiligen Publikums und erregt außerdem für sich ein
Jnteresse, das von jenem, das der Dichter gewollt, ab-
leukt und überhaupt, weil wissenschaftlich, darum prinzipiell
uukünstlerisch ist. Ebenso verhält es sich mit der Realität,
mit der auf Jllusion abzielenden Wahrheit. Der Eindruck
wird nicht selten um so unwahrer, je mehr Mittel auf-
geboten werden, Jllusion zu erzeugen, indem unvermeidliche
Lücken bleiben, welche dann neben dem Täuschenden nur
um so empfindlicher und disharmonischer wirken. Je
mehr Aufwand an Personal, Kostüm, Waffen u. s. w.
gemacht wird, nm z. B. eine Shakespeare'sche Schlacht
zu inszenieren, desto übler wird uns das Gerenkel und Ge-
IS'