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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Voss, Georg: Das Berliner Lessing-Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0161

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Das Verlinor §essing-Denknial
Vv» Gcvkg Vvß

, ^ s ist eine nierkmürdigc Erscheiming, dns; die Regicrmig
uisteres große» Svldatenkaisers i» der Berliiier stniist-
geschichte geradc die Epvche derjeiiige» Denkmäler l'edcutet,
welche de» Akännern des Friedens gewidniet sind. Aus
der stolzeu Reihe dieser Werke sei nur genmint Reinhold
Begas' Schillerdenkinal, Schapers Goethe, Ranchs
Thaer, Kiß' Benth, Drakes Schinkel, die Statuenreihe
in der Vorhalle dcs alten Museuins, ferner die beiden
Hnmboldt von Reinhold Begas und Paul Otto,
sowie Sicmerings Gräfe-Denkmal. Harinonisch schließt
sich ihnen an Enckes Standbild der Kvnigin Louise und
die Aussührung twn Ottos Lutherdenkmal ist bereits im
Werke. Deniiiüchst wird iiunniehr auch über das Lessing-
Deiikmal entschieden werden.
Die am 15. Dezcinber in der Akadcmie der Kiinste
eröfsnete Ausstelliing dcr Konkiirrenz-Entwürfe weist unter
den 26 eingegangeneii Arbeiten einige recht gute Lvsnngen
auf. kknter deu Verfassern derselben besindcn sich Nainen
von altem, guteni Klang, dvch auch einige jnnge und kanin
bekannte Krüfte. Die Ansstclluiig ist daher aus doppelten
Gründen erfreulich, denn sie läßt nicht nur ein befrie-
digendes Resultat erhofse», svnderu hat nns schon jetzt init
dem Ergebnis überrascht, daß die schönc Aufgabe einige
neue Taleute in unsereni jnngen Küiistlernachwiichs er-
weckt hat.
Die Aiisstcllung kann diesnial fast ganz als Leistnng
der Bcriincr Bildhauerkuiist gelten, denn niit dlusiiahnie
der Entwürse von Donndors und Vvn Cnrfeß, beide
aus Stnttgart, sind alle Arbeiten ans der Berliner
Künstlerschast hervvrgegangen. Jn dcn letztercn Ent-
würfen eine einheitliche Berliner Schule erkennen zu wollen,
ist freilich nicht niöglich. Seit Rauchs Tode sind die
Wege der Berliner Plastik auseinandergcgangen, nnd nn
Stelle der geschlvssenen Schuie von ehedein, iveiche begneni
und sicher iu den bewährten Traditionen ihres großen
Meisters weiter schuf, ist eiu Bild vielseitiger nnd selbstän-
diger Entwickelnng getreten. Nnr in der üußeren An-
vrdnnng scheinen die einzelnen Meister diesinal fast alte
deniselbeu Ziele ziizustreben: Ein von wenigen Fignren
nnigebener Svckel, auf dem der Dichter in der Tracht
seiner Zeit peht. sDie stehende Haltnng war übrigens
durch das Progranini vorgeschrieben.) Die dadnrch ent-
standene Silhonette ist fast stets die einer schlanken
Pprainide. Tas Vorbild für diese Anordnnng war vfseiibar
Schapers Goethe, in dessen Nachbarschaft anch das Lcssing-
denkmal ebcnfalls am Rande des Tiergartens nnd zwar
in der Mitte des Lenns-Straße aufgestellt werden soll.
Gerade diese Skachbarschaft des Goethedenkmais hätte für
das neue Staudbild e.nen künstlerischen Kontrast dnrch eine
andere Lösung dringend wünschenswert gemacht. Doch
auch die wenigen Versnche, eine neue Äuderung zu sinden,
sind diesmal inißglückt.
Die bedeutendste Lösung dieser Art ist entschiedcii die
von Sieniering. Jn der Mitte eines dnrch mehrere
Stufen erhöhten, von eiuer einfachen Süulenhalle nm-
gebencn laugrnnden Platzcs steht anf einfachem Sockei das
Standbild des Dichters. Dic Haltung ist erust nnd
würdig, doch die Art, wie er sich nach hinten mit dem

Arni auf einen krumiiicn Baumast stützt, ist gezwuiigen.
Ziidem gehört dieser krumine Banmast nicht in die seier
liche kkmgebung einer Sänlenhalle, in der jede Linie nach
deu Gesetzen des römischen Stils entworfen ist. An den
Schmalseiten des Platzcs stehcn zwei große Bildnischen,
die mit ihren bekrönenden Gesimsen die Höhe des ganzen
Denkmals crreichen. Jn jeder dieser Nischeu befindet sich
ein flaches Relief mit einer allegorischen Tarstellnng. Die
Ansführiing der Reliefs ist wohl für die Mitwirknng der
Majolikamalerei bcstimmt, mit deren Berwendung der
Künstler bei seinem Gräfedenkmal so crfolgreich vorgegaugen
war. Bei der so cntstandeiicn dlnordnung wird die Statue
selbst für den vorüberschreitenden Verkehr zu sehr verdeckt.
Das Bctrcten des Säulenplatzes dürfte aber, iiamcntlich
für Damen, wenig gennßreich sein, da die den ganzen
Platz nmgebende und lanschig vor jeder Zngluft geschützte
Bank mit ihren Stainmgästen eine für das Dcnkmal keineS-
wegS wünschensiverte Stassage bilden kann.
Die einfachste Aiiordniing zeigt der Entwnrf dcs
Bildhauers Otto Lessing, eines Nachkoinmen des
Dichters; Lessing hat für seinen Sockel auf jcdc Frcisigur
verzichtet und gibt nichts als ein schlichtes mit eiiigelassenen
Büsten ansgestattetes Postamcnt, auf dem die Statne steht.
Die reichen zur Verfügung stehenden Geldmittel würden
dadurch unbenutzt bleibeu. Die Statue ist mit großer
Meisterschaft cntwvrsen. Die ciue Hand hült cin Buch,
die andcre Haud ist gegen die Hüfte gelehnt. Die Figur
mit dem kurzen dicken Halse ist durchaus Porträt. Ein
freieres Herausheben des Kopfes hätte die Statue vielleicht
geistig bedeuteuder erscheinen lassen. Die für eine Fignr
in Rokokotracht so charakteristischen Beine wirkeu iu der
Silhouette leider nicht mit.
Bei der Anordnung der Sockelsiguren tritt der viel-
fach auf malerische Zieie hinarbeitende Zng der heutigen
Berliner Plastik namentlich an drei Beispielen hervvr.
Nikvlaus Geyer hat seinen Figuren wohl das äußerste
Akaß von leideuschaftlicher Bcwegung gegeben. Dasselbe
gilt von der wild erregten Figur des Dichters, der die
Feder wie einen Dolch gezückt hält, als ob er Herrn nnd
Frau Gottsched und seiue sonstigen litterarischen Feiude
alle anf eiumal ausspießen wollte. Jn Erdmann Enckes
Entwnrs siud die graziös bewegteu Sockelfigureu mit der
Freiheit des lebenden Bildes gestellt. Von einer Ver-
teilung nach inonumentaleii Axen ist hier keine Rede. Dar-
gestellt sind die drei Grazien. Die eine steht vorn an
der Seite in deklamatvrischer Haltung. Ju den Händen
trägt sie einen Lvrbeerkranz und cinen Myrteuzweig, desseu
Bcdeutung als „Symbvl der Lauterkeit und Reinheit" der
Bildhauer besouders hervorhebt. Tie audere Grazie ist
dabei, die rechte Seite des Sockels mit eiuer Guirlande
zu schmücken. Die dritte der Frauen sitzt halb versteckt
hintcr der ersten auf der Pliuthe des Sockels und hält
eine Leier. Die Statne des Tichters hat manche schöuen
Züge; uur die nntcre Partie ist uugünstig. 1km die Figur
von hinten zu stützcn, wächst aus dem Sockel der berüch-
tigte Baumstainm hoch, auf den die Rockschöße anfstoßeu.
Gerade von vorn aus sieht man diesen Baumstaniiii
zwischen den Beinen, wodurch dieselben iu der zierlichen
 
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