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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsre Bilder, [10]
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60

Unserc
vcm Fr.
a Steinles Leben der heil. Euphri'sync schvn vvn
miderer Seite gewnrdigt wi'rden. sv beginne ich gleich
init dem zweiten Tvtenvpfer, ivclches diescs Heft zn bringcn
hnt, init Karl v. Pilotys „Abtissin von Herrcnchicmsee".
Wir haben dieses frühe Bild des Meisters gewählt, weil
es zu seineii am wenigsten bekaiinten gehört, da es gleich
bei seinein Erschcincn uin 1804 fnr die Galcrie in Kvnigs-
berg angekanft und seither unseres Wissens nirgends inchr
ausgestellt ward. — Sein Jnhalt bernht anf der Sage,
daß die Äbtissin dcs dortigen Klvsters bei einem ilbcrfall
durch schwedische Plünderer iin dreißigjährigcn Kricgc
dicselbcn dadurch zurückgeschreckt habe, daß sie ihnen niit
all' ihren Noiinen in feierlicher Prvzession ans der Kirche
entgegcnzog, nachdem schon die schützenden Gitter er-
brochcn waren. Also ein dnrchaus roinantischcr Stoff bei
dem Realisten!
Auch hier sieht man znnüchst die grvße malerische
Bcgabnng des Kiiiistlcrs, die ihn lehrt, nns dcn Vorgang
ebensv dcntlich als zngleich rcizvoll nnd lebendig darzn-
stellen. Das Auge haftet fast mit gleichem Vergiiügen anf
der schönen Architektnr der Kirche, wie anf dcm Znge der
daraus hervorkomnicnden fromnien Frauen, oder den
Grnppen der wildcn Krieger. Daß er seine Noiinen, ja
sogar die Abtissin selber, alle jnng und schvn dargcstcllt
hat, was die zuchtlosen Plündercrbanden doch schwerlich
sv abgcschreckt hättc, als überirdische Hoheit nnd Strcnge,
welche diese Wirknng offenbar wcit eher ausüben mnßtcn,
da sie den Zug wie die Botschaft eincr hvheren Welt
hättcn erscheinen lassen, das zcigt uns die eigene Jngend
des Künstlers. Wie. dem auch sei, nian bewnndert das
Talent des Jüngliiigs, der so frühe schon so fertig anf-
trat. Dcnn die Zeichnung ist weit älter als das ans-
geführte Bild, ja miiidestens zchn Jahre srühcr entstanden,
wo ich sie schon sah. — Jn dem hintersten der Schwedcn
mit der Stnrmhanbe erkennt nian anch noch das Gesicht
ves Malers v. Ramberg und in ihrem mit cntblößtem
Hanptc dastehendcn Führer das des Bildhaners .4'aver
S chwa n t haler, dcr schon 1854 starb.
Unstreitig malt sich die Jiigend dcs Malers anch in
der glcichniäßigcn, fast an die Altdentschen crinnerndeii
Sorgfalt, mit der allcs, selbst das iinbedentcndste, aus-
gcsührt, aber aiich beseelt ist, wodurch wir zwar oft von
der Hanptsache abgezogen, aber doch anch iinmer wieder
zn ihr hingcführt werden. Sv ist die Gruppe mit den
geplündertes Geflügcl ic. tragenden beiden Eseln links
überaus pikant geraten und maii wird hicr dirckt an
Pctcr Heß nnd scine Art, diese Dinge zu inachen, er-
innert. Wie denn das Ganzc die nun schon ein Menschen-
alter znrückliegende Zeit des Ansgangs dcr Romantik, in
der es cntstand, noch gar dcntlich ausspricht, samt ihrer
naiven Frende an der Wicdergabe des Stosflichen, was sie
bercits sv gründlich von der Cornelianischen Schule nntcr-
scheidct und den anftanchendcn Realismns vcrkündet.
Zeigt uns Pilotys Bild trotz sciner großcn künst-
lerischen Eigcnschaften doch cinc in der Hanptsache schon
übcrwundene Periode. so meint nian bci Gudes „Nach
dem Sturni an der schottischen Küste" unbedingt vor eineni
jcner Knnstwcrke zu stehen, die nie veralten. Denn hier
ist eine großartige, crgreifendc Naturszenc mit einer hin-

^5 i t d e r.
pecht
reißcndcn Wahrheit nnd Kraft wiedergegeben, ivelchc in ihrer
Konzentricrnng anf einen einzigen Aioment hochpoctijch wirten.
Wer hätte jemals das ivild cmpörte dentsche Mcer
geschen nnd fände es hier nicht nnübertrefftich gejchildert
wieder? — Es ist eine Rastlosigkeit, eine leidenschaftlich
zitternde Wnt in diesen Wogen, wie sie nic besscr geschildert
worden. Man glanbt, das rasende Brüllen dcr Brandnng
zu hören, die von feinem Wasserstanb getränkte feiichtc
Luft zn atmen. Die starre Lde der hinten sich erheben-
den knhlen nnd fclsige», von eineni flüchtig dnrch das
Gcwölk dnrchbrcchenden Svnnenstrahl crhelltcn Küste, wie
der granen, kalten Lnft mit ihrcm nnheimlich drohend am
Horizont hinabziehenden, dcn voiübcrgegangcneii Stnrm
anzeigenden Dnnkel crhöhcn nvch die Großartigkeit des
Ganzcn, wie der Anblick deS hilflos den Klippen zn-
treibcnden Dreimasters, dcr vvn dcn nvch ininier ivild
empörten Wogen wie cin Ball hernmgeschlendert wird.
Die Unermeßlichkeit des Ranmes, wie die finstere Tücke
des tvbenden Elementes nnd däs Wilde, Unwirtliche dicscr
nordischen Natnr, ja der losgelasscnen Natnrgewalten über-
haupt, konnten nicht grvßartiger und erschüttcrnder gc-
schildert werden, als es hier dnrch den Altmeister Gnde
geschieht, dessen Kraft die Jahre nichts anhaben zn können,
sondern sie nur zn ininicr größerer Mcisterschaft gelangcn
zu lasseu scheinen.
Wir knüpfen an diese Besprechnng nnsercr nciiesten
Bilder nvch die einiger älteren, die in unserer Schildernng
der Bcrliner Ansstellung nicht erwähnt ivnrdcn, weil sie
zum Teil erst nach dcm Erscheinen der betrcffenden Kapitel
unseres Textes cingeschoben wnrdcn. Sv gleich im Heft l!1
dllb. Schröd crs iAiünchen) „jnngcr Tasso", wo die bciden
Leonoren jedensalls noch besser charakterisiert sind als dcr
vorlesende Dichter selber, der blond und harmloser als der
Jtaliener ins Dentsche übersetzt erscheint, wie die Architektnr
des Zimmers selber: cine Übertragnng, die übrigens dnrchans
nicht ohne malerischen Reiz und vollkommengerechtfertigtist. —
Ungcfähr dasselbc köniitemanvvn Lonis A lvarez' „Flittcr-
wochen" sagen, die vffenbarnnr gemalt wnrden, nni dic nnleng-
bare Bravonr des Malers in Darstellnng von Rvkoko-Möbcln
und Empire-Kostünien zn zcigcn, da dic, welche drin steckcn,
sich kanni viel läppischer beiiehmen könnten. Charakteristisch
für die Nachahmcr des Fvrtuny ist dics Bild aber im
hohen Gradc.
An die Süßigkeit der italienischen Skulptur klingt
Robert Caners Mädchen an, dic mit Amors
Bogen Schießübnngen treibt, wahrscheinlich wcil der bvs-
hafte Gott, der ihren Lehrer spiclt, sie selber schon ver-
wundet hat. Ohne nns bei des talentvollen Müiichcncrs
Otto Strützels ganz holtändisch aninutenden Szene
vor dcm Dorfe anfznhalten oder bci dcs Norwegers
Larsson artiger kleiner Snsannc, crwähncn ivir nnr noch
ein Grnppe Müiichener Maler, von dcnen nns Anton
Seitz gleich zwei kleine Meisterstücke in seiner „Lnack-
salberin" nnd der „Marktszene" gab, die alle seine alten
Vorzüge der liebenswürdigen Sauberkeit nnd gemütvvllen
Huniors nnvermindert zeigen, wührend ein neues Talcnt
aus Ernst Hansmanns „Stnrmflut" anstancht.
Nnr bedanern kann man endlich, daß zwei so unleugbare
Talente, wie Hermaiin Prell und Fischer-Körlin, sich
 
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