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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsre Bilder, [10]
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Brandes, Otto: Bei den Inkohärenten
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Personal- und Ateliernachrichten - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0089

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Ilnsere Bildcr. Bon Fr. pecht — Bei den Inkobärcnten. von Vtto Brandes — Personal- u. Ateliernachrichlen 6i


lediglich aus Gefälligkeit gegen cine schlechte Modcrichtung
iu der Architektur. gauz aus die Malerei des ZopfcS eiu-
gelasseu haben. Dicsclbe charakterisiert sich bcsvnders da-
diirch, das; sie es »ieiuals der Mühe wert fiudct, sich auch
n»r im iiiiudesteu daruiu zu bekümiiierii, was ihre iu der
Luft heruinfliegeudeu oder die Beine über Ballustraden
herabhäugeiideu Meuscheu uud nus der Froschperspektioc
betrachteten Göttcr deuu cigcutlich wolleu. Charaktcre,
Geniüt, Leidenschast gibt es iu dicser lediglich schlechte
Kviuvdie spieleudeu Malerei übcrhaupt nicht, wclchc deu
Meuschen au deu Fußsvhlcu betrachtet und ihiu statt ius
Herz iu die Naseulöcher hiuein sieht. Daher köiiueu wir
uus bei solcher Erleichteruug uuserer tllufgabe daiuit be-
guügcu, das malerische vder dvch weuigsteus dckorative
Köuueu zu bezeugcu, das au diese iiudaukbareu slcach-
ahiuuugeu vergeudet wordeu, was hiermit gcscheheu seiu soll.
Lei dcn Znlohärciitrn.
Boil 6)tto Irandes (Pan'S).
Man darf sclu gcspannt scin, wic die französischc Akndcmic,
ivcnn sie bei der Bearbcitung ihreS DiktivnärS an dcin Buch-
stabcn „I" angekvininen, das Wvct: ,,lncokerent" nüt Nücksicht
auf die künstlerischen Manifestntionen, die wir unter dieser Be-
zeichuiuig hier sast alljährlich erleben, definieren wird. Aach dein
geivvhnlichcn Wvrterbuch dcr Sterblichcn, welches aber die „Un-
stcrblichcn" des Jnsütules nicht gelten lassen, heisst i „lncoliörenü'
das, was keiue Verbindnng hat. Wenn jeniniid seine Schwieger-
nintter liebt, so wäre das „inLoböre-it '. Die Jncohürenz in
der Kunst, wie lvir sie hier in Paris versteheu, ist eine Art
wilder Ehe der Kiinstlcr nüt dieser. Es kann daher nicht Wunder
nehiuen, daß die Kinder aus solcher Ehe wilde Rangen sind und
oft aitjungfeiliche Geister beleidigen! Sie haben aber alle etwas
von der Mnina, und wer die Ku»st liebt, uiust sie geru babeu.
Alles, was die inkvhäreuten Kiinstler bieten, ist austcrge-
wvhnlich: das Ausstellungslvkal, ein Foper des bekanntcn Ballet-
bauseS dcS Edentheaters, welches Tag und Nacht erleuchtet werden
niust, der Katalvg nüt der Bivgraplste der ausstelleudcn Kiinstler
nnd seinem hiiinoristischeu Uiuschlnge, der Eintrittspreis, welcher
einen Frank und siinf Cenümen beträgt. Auf der einen Seite
dieses Katalog-UinschiageS spiingen die Jnkohärenten in wilder
Jagd durch den lustig lächelnden Mond. Auf der Riickseite
balancieren sie auf einem sich drehenden Kreisel, mahrscheinlich
uin danüt aiizudeuten, welches Gesiihl inan hat, wenn nian ihre
illuSstellung verlässt. Eine kleine Probe auS dieseni Katalvg:
„A. Arthus, Vize-Konsul der Jnselu des Ilois <1e Loulogne, in
der Nühe der Republik Audvue, Schüler Succis". Derselbe stellt
ciuen (Schaukel-) Pferdeinarkt und ein flott gcinaltes Bild:
„Kouget äe I'lsle, die Malionuaise kvinpoiüereud", aus.
Kauin habeu wir das Tvurniguet hinter uus, sv steheu wir
vvr den 10 Geboten der Jnkvbärcnten, vou denen ich nnr die
bcidcn Hauptsachlichsten, iu dcncii das Geseh der Jnkvhärenz
hängt, hierher setzen will:
Eiu einzig Ziel niusst Du Dir steckeu
Herzliches Lachen svllst erwecken.
Ausstellen magst nach Deinem Siun,
Doch sei vor Staunen jeder hin.
F-indeu wir nun unter den ausgestcllteu Gegeusläuden auch
eine Menge Lffenbarungen des hvheren Blödsinus und hnrm-
lvse „Chargen", so wcrden dvch auch in arislvphanischer Weise
Vvrkvmmuisse und Jnstitutionen gegcistelt, die in der letzten Zeit
von sich reden gemacht, sv dast diese Aiisstellung der Jnkvhüren-
ken in mancher Bezichung den in den Pariser Theatern üblichen
'Revuen ähnclt.
Deu Preis der Ausstellung verdient vielleicht Caran d'Achc,
der bekannte Karikaturist des Figarv. Er erfreut uns durch ein
iuimeuses Schlachtbild, welches alS Titel iu aphvristischer Kürze
die Jahresznhl „1811" nüt dem Mottv Viktvr Hugos trägt:
„Es schueit." Es stellt uns Napoleon 1. nüt seinem Stabe und
seinen Truppen wtthrend der Nacht im Schnee dar. Die Miltel,
mit denen der Künstler den grostartigen Eindruck der Lde und
Verlasjenheit der Landschaft hervvrruft, sind ebcnsv eiufach wie
zweckmästig. Sämtliche Figuren sind auS schwarzem Glauzpapier

geschnitten, auf iveisteu Grund geklebt, und unter das ganze ist
ein Stiick Musjelin gespannt, desseu iveiste Tüpfel das regel-
müstige Eiucrlei dcr falleuden Schneeslocken nül erstauulicher
Wahrheit ivicdergebeu. — Die Frage des I'erpetuum mokile,
die sv vieleu schvu die Köpfe verdrcht, lösen die Jnkvhürenten
mit spiclcndcr Leichtigkeit. Sie malen uns eiufach die Znnge der
F-rnu Pitauchard, die L>unge einer Pariier Pvrüersfrnu. Ties
eruste LebenSlvahrheilen sagen uns die Jukohürenten. Kickenüo
eustigunt innrus. Ein dreigeglicderteS Bild stellt uns „das Leben"
dar. Erstcr Tcil: jswci brennende Herzen vvn demselbcu Pseile
der Licbe durchbvhrt, Hanrlvcken uud Medaillvns — die Ver-
gangenheit. Lauler schwarze Punkte — die Gegeuwart. Ne-
vvlver, Bilrivl n»d Dolch — die jsukunst. — Zur Sitten-
geschichte dcr Pariser F-ran erzäblt uns ein anderes eben-
falls dreigeteilles Bild, daS sich als der Entwurf eines Gemäldcs
fiir eiu staudcsamtlicheS Ebescheidungs-Zinimcr ankündet, ein
Stückchen. Auf dcm ersteu Bilde lüinmt der Gatte, der zu eincr
Militür-Dienstleistung eingezogeu, Abschied. I'ro kairiu heistt cS
fvrsch darunter. Auf dem zweiten Bilde steht der Gatte „iu
sinslerer Milternncht so einsam auf der stillen Wacht" und deukt:
Wie mag sie sich langweileu ? Auf dem dritteu Bilde sehen wir
„die arme Verlassene", oder tvir sehen sie vielmehr nicht. Die
Vorhänge des Betthiminels sind dicht gezogen, und vor demselbcu
stehen neben zwei Pantöffelcheu zwei Stiefel — die arme Ber-
lassene!
BonKünstleru werden Puvis de Chavanues mitgenommen,
in dessen Manier Diana uud Niimpheu, vou einem Jagdhüter
abgefastt, gemalt siud. — Natürlich hat Sarah Bernhard, die
Karikaturistiu, wie immer eiuen erwüuschten Stoff geboteu.
Eiue Trpptik Tragödie, Komödie uud Drama ist ihrer llteit-
peitscheu-Birtnvsitüt gewidiuet, die sie bekanntlich seiner Zeil an
ihrer altcn Frcundin Marie Cvlombier, dann auf der Reise iu
Amerika au eiucr Kvllegin probiert hat. Das dritte Bild stclli
Sarah nüt der Reitpeitsche iu der Haud dem Sensenmanue
gegenüber. — Albert Wvlff, der bekannte Kunstkritiker des
Figarv, ein schr beleibter, hvchstimiiüger Hcrr, wird im Damenbad
abgewiesen, nachdem man ihn auch aus dem Herrenbassiu aus-
geschlossen. — Sehr lustig ist der Gatte der VenuS vvn Milv,
eiue bürtige, kahlköpfige Greiscngestalt ohne — 'Arme.
Charakteristisch sür die hiesigen Berhältnisse siud die zahl-
rcicheu Bilder, welche deu „Stützeu" der Halbwelt gewidmet sind.
Es ist das ein Bcweis, wie diese schlimmen Subjekte nüt der
hohen Seideiimülie und den gestickteu HauSschuhen, die absolut
nichts komisches, sondern nur widerwartiges haben, die öffeutliche
Nceinung beschnfügcn.
Jch weist nicht, vb ich leider oder glücklicherweise sagen
soll, ist nüt dem gröstten Teil der Bilder ein Wortspiel ver-
buuden, welcheS sich deutsch nicht wiedergebeu lüstl. So wird
die Lxposüion ck'^nvers, welche durch eiue Damen-Touruüre
dargcstellt wird, vielleicht nicht allen verstündlich sein.
O! Natur, man kann dich nicht in einen Rahmen fassen,
lautet die Überschrift eines F-lustlandschaft-Bildes, austerhalb desseu
Rahmen eiu Fischer nüt einem Huude sitzt. Sv möchte ich auch
sageu, v! AilSstelluug der Jnkohäreuten, ich kanu dich dvch nicht
ganz in deu Rahmen, der nür hier bewilligt, unterbringen, und
lasse daher der Phautasie mcincr Leser, bezüglich des Restes
derselben, deu weitesteu Spielraum.

Perlonal- und Alelier-Nnchrichten
* Die Dresdener Kunstgenosseuschaft feierle am
2Z. Oktvber das 10jährige dlmtsjubilüum des PrvfcssvrS
Hugo Bürkuer. Derselbe gehört bekauntlich zu den verdieust-
vollen Mäuuern, die in der ersteu Hälfte dieses Jahrhunderts
den nlteu echtdeutscheu Holzschnitt, wie ihn die Dürer und Holbeiu
ausfastten, zu ueuem Lebeu erweckleii. 1846 an die Spitze der
Ütkademie der Holzschneidekunst berufen, die in Dresden auf An-
regung der Leipziger Bnchhündler begrüudet wurde, trat er in
innige Bezichungen zu Ludwig R'ichter, Alsred Rethel, Bende-
maun, Schnorr von Carvlsfeld und anderen Dresdener Künstlern
und schuf teils selbst, teils mit Hilfe zahlreicher Schüler eine
Fülle tresflicher Hvlzschnitte. Weltbekaunt siud z. B. seiue herr-
lichen Schnitte des lliethel'schen Tvtentanzes, der in den Revolu-
tionsjahren 1848 und 1840 so bedeuleudes Aufseheu erregte; die
Mehrzahl der Werke Ludwig Richters, die Schnorr'sche Biider
bibel u. a. siud aus seiuem Atelier hervorgegangen. Späterhin
wandte er sich mit Glück der Radierung zu uud kauu jetzt ein
stattliches Werk vou gegen 200 Blüttcru aufweisen. ttuter
anderem sind iu dicser Techiük die Bendeinanu'schen Bilder im
 
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