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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Fitger, Arthur: 29. Frühjahrs-Ausstellung des Hamburger Kunstvereins
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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0315

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2y. Frühjakrs-Ausstellung in ^amburg. von A. Fitger
zum Kunstwerk genüge, wenn es nur mit Farbe aus die
Leinwand gebracht worden; soll noch ein Übriges gethan
werden, so sucht man nach einem interessanten Stoff. Ünd
doch liegt der Schwerpunkt der Malerei niemals im Stoffe:
der dümmste Reüut kann malerisch betrachtet ein tausend-
fach schöneres Kunstwerk anregen als der ruhmvollste Feld-
herr, sowie ein schattiger Waldweg wahrscheinlich ein
besseres Motiv für eine Landschaft abgeben wird als
sämtliche Schlachtfelder Frankreichs. Es kommt ja alles
anf die Behandlung an und der Mangel an malerischer
Vision wird nie durch die Bedeutung des dargestellten
Gegenstandes ausgeglichen. So wird auch dadurch, daß
dasselbe ein Stück Natur rein schildert wie es ist, ein Bild
noch kein Kunstwerk im höheren Sinne, wir wollen dem
Kunstwerk anfühlen, daß der Meister „in sein Herz die Welt
zurückgeschlungen hatte", wir wollen fühlen, wie er eins
geworden ist mit seinem Stoffe und, indem er ihn dar-
stellt, sich selbst und sein innerstes Empfinden darstellt.
Die bloße Wahrheit sagen, macht noch nicht deu Dichter.
Und so macht auch das bloße Kopieren dcr Natur nicht
den Mäler; es gibt eine Welt des Malerischen, es gibt
eine Freude, die nur durch das Auge nns vermittelt werden
kann, eine Freude an Farben und Linienverbindnngen, die
ausnahmsweise und unter Umständen so weit gehen kann,
daß der dargestellte Stoff ein unlösliches Rätsel bleibt,
wie z. B. Tizians irdische und himmlische Liebe. Dieser
rein malerischen Freude trägt die moderne Kunst im Jn-
und Ausland wenig Rechnung.
Da an diesem Orte doch nur ein Bruchteil der Ham-
burger Ausstellung besprochen werden könnte und sich unsere
Besprechung noch dazu sehr häufig Bildern zuwenden
müßte, über welche schon bei anderen Gelegenheiten das
Wort genommen ist, so müssen wir uns ein näheres Ein-
gehen versagen. Jndessen mag es entschieden betont werden,
daß die Hamburger Künstler selber in einer Gruppe hier
vereinigt sind, die wahrhafte Hochachtung fordert. Wir
haben sie auf anderen Ausstellungen nie so geschlossen, so
gleichsam Schulter an Schulter zusammengedrängt gefunden

— lvie Scheffel lllaler werden wollte . . von I. Proelß
wie hier und wollen nns des freudigen Gefühles nicht
erwehren, daß wir hier einer Korporation gegenüberstehen,
die anch ohue offiziellen Mittelpunkt in sich so gesund und
kernig ist, als irgend eine in Dentschland. Namen wie
Balentin Rnths, Lntteroth, Bartels, Oesterley sind
frcilich längst in ganz Deutschland uud darüber hinaus von
bestem Klange, aber wir lernen hier auch neue kennen, die
jeder größeren Kunststadt Ehre machen würden, z. B. den
vortrefflichen Tylander, Kallmorgen, den geborenen
Altonaer, werden wir auch hierher rechneu dürfen, sodann
Gogarten, Leitner, Meinzolt und noch so viele andere
repräsentieren die Kunst der großen Handelsstadt an der
Elbe in würdiger Weise. Jm Ganzen haben 45 hiesige
Maler und Bildhauer 118 Werke ausgestellt. Leider muß
ein Karl Gehrts, leider ein Bruno Piglhein vermißt
werden. Ein anderer Künstler, dessen Talent vorzugs-
weise auf dem Gebiete der Dekorationsmalerei zn liegen
scheint, Paul Duyffke, ist auf der Ausstellung nicht
sowohl zu würdigen, wie in dem neuen Reichspostgebäude,
wo er zwei außerordentlich liebenswürdige, flotte Wand-
gemälde ausgeführt hat, welche die Triumphe unseres
Postwesens gar anmutig auf die Märchenwelt übertragen.
Die Sknlptur ist wie gewöhnlich zum großen Teil
italienisch und zeigt mehr virtuose Technik als plastische
Größe und Einfachheit; glänzend aber heben sich aus den
Reihen des Mittelmäßigen einige Werke wahrhafter Meister-
schaft hervor: Max Kruses Siegesbote von Marathon,
Harters Achilles, die reizenden Bronzen von Sommer
und einige vorzügliche Porträtbüsten von Bruno Kruse.
Dergleichen machen die Jtaliener doch noch lange nicht,
trotz aller Eleganz ihrer Arbeiten. Der beste hamburgische
Bildhauer, Peiffer, hat leider nicht ausgestellt.
Möge der geneigte Leser aus dieser mehr als
flüchtigen Skizze sich ein Bild der Ausstellung mit eigener
Phantasie ergänzen und herstellen. Möge besonders die
Künstlerwelt dem vortrefflichen Hamburger Jnstitut einen
freundlichen Sinn bewahren.

wie Scheffel in Rom Maler werden rvollte und Dichter ward
von Iohannes proelß

n Scheffel waren überhanpt ritterliche Liebenswürdig-
keit, feine gesellschaftliche Bildung nnd natürlicher
Takt in frappierender Weise gemischt mit einer naiven
Freude an urwüchsiger Kraft in Rede und Thun, einem
innigen Behagen an volkstümlicher Gemütlichkeit und den
freien Sitten der deutschen Kneipe. Wie er es liebte,
auch in gelehrten Gesprächen semer Rede ihre heimatlich-
dialektische Färbung zu lassen, so zeigte auch sein ganzes
Wesen eine ähnliche Mischung von Rauhem und Zartem
auf. Die damalige Mischung von beiden Elenienten gab
denn auch einen gar guten Klang und der ebenso lebens-
heitere wie gescheite voütor juris, der hier im italienischen
Süden znm Maler sich umwandeln wollte, war bald der
Liebling und geistig belebende Mittelpunkt der ganzen
fröhlichen Künstlerkolonie. So war es in Albano gewesen,
so in Olevano. Hatte er tagsüber noch so fleißig ge-
zeichnet, der Abend sah ihn nie ermüdet; und wenn die
Herzen über dem Berichten des am Tage Erlebten warm

geworden waren, da war's als ob sein Geist nuu erst
recht mnnter würde, und er war unerschöpfllich ini Er-
zählen von ernsten und heiteren Erlebnissen und Anekdnten.
Und wie erzählte er! Eduard von Engerth, der bereits
in Albano ähnlichen Symposien mit seiner jungen Frau
präsidiert hatte, hat in seinen dur'ch Karl Emil Franzos
in der „Nenen Jllustrierten Zeitung" (Jahrg. 1886,
Nr. 31) veröffentlichten Erinnerungen ein gar anziehendes
Bild von Scheffels damaligem Wesen, und vor allem seiner
elementaren Begabung für die mündliche Erzählung ge-
geben. Wir kennen den Weg, auf welchem er sie geschult
hatte; 'die Heidelberger Allemauia und Frankouia, der
Karlsruher Falstaff-Club, der Heidelberger „Engere" hatten
sie reifen sehen. „Wie er früher und später war, weiß
ich nicht, mir lebt Scheffel als einer der liebenswürdigsten,
anregendsten Menschen, die ich je kennen gelernt, in der
Erinnerung fort. Er sprach nicht blos gern und viel,
sondern auch ganz ausgezeichnet in Form und Jnhalt.
 
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