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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1887, [3]
DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [25]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0403

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Der pariser Salon ^887. von Gtto Brandes — Unsere Bilder

gefangene Elsässerin mit der traditionellen Schleife ist vor-
handen. Sie schielt auf einem Auge! Vermutlich uach Frank-
reich. Amüsanter sind für den Salonbesucher schon die ver-
schiedenen Dianen, ich zähle deren fünf oder sechs, die die
Skulpturengalerie unsicher machen. Das sind wohl modellierte
Frauenleiber, nur haben sie nichts von der Sehnenstärke der
Wald und Feld durchjagendeu Tochter des Olymps. Wir
haben es vielmehr mit Dianeu von der Lutte Llontmartre
zu thun, mit Körperchen, die vollständig die Spuren nnserer
modernen Zivilisation tragen. Selbst die beste derselbcn,
die Falguiäres, macht hiervon keine Ausnahme. Mit
ihren wohlgeformten, ziemlich fetten Beinen dürfte sie
schwerlich auf der Jagd etwas erlegen. Auch das kleine
feine Köpfchen hat nichts von der Strenge der Diana,
wie sie uns die Antike überliefert. Hals, Nücken, Vauch,
Hüften sind mit großem Fleiße und treuer Anlehnung an
die Natur modelliert, das Fleisch ist mürb nud lebeudig.
— Geromes Omphale ist ein elegant üppiges Weib.
Die lydische Königswitwe stützt sich in der Haltung des
Farnesischeu Herkules auf Herkules' Keule, während in der
über derselbeu häugendeu Löwenhaut sich ein jugendlicher
Amor verbirgt, andeutend wie Omphale zu den Attributen
des Zeussohues gekommen. Sehr richtig bemerkt ein hie-
sigcr Kritiker, daß diese Figur vielmehr ein Epigramm als
eiue Statue sei. Unstreitig das bedeutendste Werk der Aus-
stelluug ist das Fremiets, eines Schülers Rudes, des
frauzösischen Michelangelo: „Eiue Frau, von einem Gorilla
geraubt". Die Gruppe, welche die Jury mit einer ersten
Medaille gekrönt, hat ihre Geschichte. Dieselbe Gruppe,
oder vielmehr eine ähnliche wurde im Salon 1859 abge-
lehut. Die „Pompiers", die steifleinenen Mitglieder des
„Jnstituts", die damals in der Jury saßen, wareu über
die Kühuheit einer solcheu Konzeption entrüstet. Es be-
durfte der persönlichen Jntervention des Direktors der
schönen Künste, Nieuwerkerke, um der Arbeit Fremiets,
deren Bedeutung der kunstverständige Freuud Napoleons III.
erkannt hatte, die Pforten des Salons zu öffnen. Sie
durfte an der Ausstellung allerdings nur osfiziös teilnehmen.
Als Modell für uusern lieben entfernten Verwandten, deu
Gorilla, hat Fremiet ein solcher gedient, der dem hiesigen
naturwissenschaftlichen Museum in einem Faß Spiritus
überschickt wurde. Der Affe wog 360 Pfund. Die Abgüsse,
die von ihm genommen wurden, befinden sich in dem genannten
Museum. Die Bewegung studnrte Fremiet nach lebenden
Schimpansen. Das Uugeheuer läuft nicht, wie in der
ursprünglichen Gruppe, es trägt, wobei es sich in der
Defensive hält, seine Beute langsam fort. Die nackte Frau
widerstrebt, aber der furchtbare Räuber preßt sie fest unter
seinen Arm, ihr die Seiten fast zerdrückend. Welch' eine
wunderbare Fleischgebung in diesem Frauenleibe! Die
Brust quillt uuter dem Arme des Tieres fast wie warmes
pulsiereudes Fleisch hervor. Jn der That ein Meisterwerk.
Als Modell hat eine Tänzerin vom corps cke dallet der
Gaiete gedient, welche durch ihre Körperschönheit be-
rühmt ist.
Mit bewährter Meisterschaft ist Merciers wei-
nender Genius, eiu kleiner nackter Knabe, auf dem Sockel
eines Grabdenkmals sitzend, modelliert. Ein kleines Lkek
ck'oeuvrs ist auch die Kinderstatue Mozarts vou Barriat.
Des jugendlichen Schäfer Jupille Heldenmut, der
einen tollen Hund, um andere Kinder vor seinem Biß zu
retten, mit einem Holzschuh erschlug, hat zwei Künstler
zu einer Gruppe inspiriert, von welchen diejenige Trufsots

die lebensvollere ist. Jupille war bekanntlich einer der von
Pasteur zuerst geimpften Knabeu.
Roufosse zeigt uns ein junges Mädchen, in wel-
chem eine erste Unruhe, ein erster unbestimmter Wnnsch
erwacht, „Der erste Schauer", neunt er seine Arbeit. Das
Körperchen ist nicht älter als 15 Jahr. Der Künstler hat
mit großer Genauigkeit und zarter Beobachtung die unge-
wissen Formen wiedergegeben, welche der Franenkörper
auf der Schcide zwischen Kind uud Jungfrau zeigt. Der
Kopf scheint mir nur etwas älter als der Körper. Jn
der Beweguug auch sehr inleressant und gewissenhaft mo-
delliert ist eiue sitzende nackte Statue „Die Woge" von
Morea u.
Zahllos ist die Reihe der Büsten und Medaillous,
ohne daß etwas Außerordentliches darunter wäre. Ein
ganzes Boulanger - Museum ist an Vüsten von dem
General vorhanden und man frägt sich, was wird der
Exkriegsminister mit allen diesen Büsten anfangen.
Von den Büsten hat die polychrome von Cros mit
dem Motto: „Veniet ckies", auf welchem die Farbeu uoch
mit großer Schüchteruheit angegebeu siud, bereits eine
intcressante Disknssion übcr die Polychroniie in der Skulptnr
hervorgerufen.
Sehr merkwürdig sind auch die in Medaillengröße
gemachteu Modellierversuche mit polychromem Wachs.

unsere Bllder
vom kserausgeber
^l^bun wir heute in Plockhorsts Engel Michael, der
mit dem Satan um die Leiche des Moses kämpft,
ein schon älteres Bild geben, so geschieht es, um zu
zeigen, daß in der Kunst das wirklich Gute niemals
veraltet. Es ist um so nützlicher, daran zu erinnern, als
besouders junge Künstler das nur zu oft vergessen und
meinen, daß es ihre dringende Verpflichtung sei, jeder
neuesten Mode nachzulaufen. Natürlich, um dann schon
morgen selber im Hintertreffen zu stehen, wenn sie nichts
Besseres gelernt haben.
sptPlockhorst nun gehört zu jenen Künstlern, die wie
Wislicenus, Grosse, Heinr. Hvsmann, Kreling u. a. m.
in den fünfziger und sechziger Jahren den Klassizismus
mit den realistischen Anforderungen der Neuzeit an besseres
Kolorit u. dgl., zu versöhnen trachteten. Man muß deun
auch zugeben, daß ihm das oft, hier aber mit ganz beson-
derem Glück, gelungen sei. Die Großartigkeit seiner Kom-
position ist ebenso unbestreitbar, als daß hier, was die Cor-
nelianische Schnle sonst gar nicht verstand, durch die rich-
tige Licht- und Schattenverteilung die Wirkung noch
gewaltig gesteigert wird, so daß die mit unwiderstehlicher
Macht nach oben ziehende Gruppe uns sofort deutlich macht,
wer siegen wird. Das sonst im Kölner Museum hän-
gende Bild machte darum in der historischen Abteilung der
letzten Berliner Ausstellung eine vortreffliche Wirkung wie
hier in unserer Abbilduug, wo es durch den Schwung und die
streuge Erhabenheit seiner Auffassung an die besten alten
Jtaliener erinnert. Weun aber unsere neuesten Götter
und Götzen doch nur auch recht oft an etwas Gutes erin-
nern wollten!
Eine andere, höchst sympathische Form des Klassi-
zismus, finden wir in Ludwigs ernster, ja ergreifender
Auffassung des Gschnitzthales in Tirol. Selten gelingt
 
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