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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Köhler, Robert: Der amerikanische Kunstzoll
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Adelmann, Alfred: Des Genius Flug: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0434

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Der amerikanische Uunstzoll. von R. Röhler — Des Genius Flug. Don Alfred Graf von Adelmann f . Zll

vorhält. Allein wir lasscn die Hossnung nicht falle»; die
„chinesische Bianer zum Schutze amcrikanischer Kunst"
wird so lange berannt werdcn, bis sie fällt. An den
nötigcn Werkzcngen dazn wird beständig gearbeitet und
der Angriff in jeder Kvngreßsession crncuert. Der ver-
storbene Konsul Harper hat in seinen Berichtcn an die
Negicrnng wicderholt auf die Unpopularität der Maßrcgel
aufmerksani gemacht, wie anch der gegcnwärtige Konsul
in Tüsseldorf es sich angelegen sein läßt, dicsclbc in
ihrem wahren Lichte erscheincn zn lassen. Soebcn
werden in Mnnchen abermals Unterschriften für cine
Petitiou an den Kongreß der Vercinigtcu Staatcn ge-
saiumelt, in welcher die Frage des Kunstzolles in cincr
klarcu nnd durchaus würdigcn Weise bcleuchtet wird. Zur
Unterzeichnung werden nicht nnr die Künstler, sondern alle
zur Zeit in München domizilierenden Anierikaner aufge-
fvrdert. Aus Jtalien komint zudem die Nachricht, daß
die rönüsche Akademie di San Luca ini Begrifse stche,
sämtliche europäische Knnstakadeniien zn gemeinsamen Vvr-
stellnngen bei der amerikanischen Rcgierung zu veran-
lasscn. Obwohl der gegenwärtig tagende Kvngreß nicht

geneigt scheint, die in der letzten Botschaft des Präsidenteu
abermals vvrgeschlagcne Zollrcvision vorzunchmen, so
dürfte doch zu erwarten sein, daß die Erfahrungcn der
letzten drei Jahre svwohl, als auch die unermüdliche Agi-
tation in der Prcsse und von Sciten der Künstlcrschaft nicht
ohne wirkfamen Einslnß auf die gcsetzgebende Körperfchaft
bleiben werdcn. Die Maßregel hat sich ja in kciner Weise als
vorteilhast bewährt: sie hat weder einen nanihaften Zuschnß
zu den Staatseinnahmen geliefert, noch hat s!e den ein-
heimischen Künstleru in finanzicller Hinsicht Borteil gcbracht.
Wenn sie vielleicht dcn Bildermarkt vor eincr Überflutung
mit den Erzeugnisscn enropäischer Bkittelniäßigkeiten ge-
schützt habcn svllte, so überfüllt sie ihn dagegen mit den
Werken heimischer Unreife — und die Käufcr bcidcr
Gattnngeu werdeu vvn Jahr zu Jahr iveniger, in demsclben
Verhältnisse, wie sich das Verstäudnis für wahre Kunst
ininier weiter vcrbreitet. Einen leichtcn Sieg könneu wir uns
sreilich nicht versprcchcn: allein von der Gerechtigkeit nnsercr
Sache überzeugt, und der moralischen Unterstütznng der ge-
samten gebildetcn Welt sicher, iverden wir in nnsern Bemüh-
uiigcn nicht eher rnhcn, als bis unscr Ziel crreicht scin wird.

Drs Gernus Flug
Novellette
Alsred Sraf von Adelmann ff

war gegen Mittag eines strahlenden Augusttagcs.
" Jm Schatten der einzelstehendeu alten Fichte inmittcn
einer der höchstliegenden Matten der „Wandfluh", welche
in gewaltigen, trotzigen Felsmassen aus dem Thuner Sce
schroff und steil zu ihrer mächtigen Höhe eniporsteigt,
saß, den Rücken an den mvosigeu Stamiu gelehnt, ein
Fremder bon noch jugcndlicheni Alter, in der Vvllkraft
der Mannesjahre. Die ganze Erscheinnng dcs Mannes
war vornehm, die Gestalt mit der breiten Brust groß
und schlank, und die Züge des in diesem Augenblicke unbe-
deckten Kopfes von edlem, kühnem Schnitte. Das dunkle,
volle Haupthaar war, wie der schwärzliche Vollbart, knrz-
gehalten und unirahmte die hohe Stirn, nnter welcher in
der Beschattung der kräftigen Brauen und starken Wim-
peru geistvolle, feurige Augen hervorschauten. Ju Ge-
danken verloren blickte der Fremde in die Pracht der im
Sonnenlicht leuchtenden Alpenlandschaft hinaus.
Drunten, am betrüchtlich entfernten östlichen Waldes-
ende der Matte, stand eine Sennhütte. Zwei Älpler
saßen, die kurze Holzpfeife rauchend, im Schatten des weit
vorspringenden, mit Steinen beschwertcn Daches, und rings
uni die Hütte weideten Kühe und Rinder, deren Schcllen-
geläute friedlich durch die Bergesstille klang.
Ein tiefer Ernst war über das Gesicht des Manncs
nnter der Fichte gebreitet, doch gemildert dnrch den Ans-
druck einer gehobenen Stimmung, welche in den Augen
erglänzte. — Ein Adler strich zu seinen Häupten dahin;
das Rauschen der müchtigen Schwingen war vernehmbar.
Weiter und weiter zog das stolze Tier im Äther dahin;
—- — jetzt, über der Mitte des tiefliegenden, smaragd-
grünen Sees hemmte es seinen Flug in die Weite und
stieg, Kreise beschreibend, höher uud höher. Die Seele
des den Adler niit dem Blick Verfolgenden zog mit dem

frcien König der Lüfte anfwürts zu deu nncrmeßlichen
Höhen des lichtdnrchflossencn Naunies. — — — Nur
noch wie ein winziger Punkt erschien der Adler nunmehr
dem Auge .... und jetzt war cr der Sehkraft völlig
entschwunden.
Das Auge dcs Schaucnden senkte sich wieder, schweifte
über die im Sonneiilicht glitzernden Schneefelder der Jung-
frau, welche mit dem Silber- und Schneehorn in ihrcr
ganzen Herrlichkeit nnd Majestät, anscheinend greifbar nah,
gegenüber lag, schweifte über die Bergriesen der Hunnen-
sluh, der Sulegg, des Abendbcrgs, ivelche das Lütschinen-
thal bewachend, über die Pyramide des Riesen, welcher
den Thuner See beschützt, über den Harder, zu dessen
Füßen der wilde Bambach aus romantischer Schlucht
schäumend hervorbricht, schweifte über die lieblichen Ufer-
gefflde, über die schillernde, blitzeude Fläche des Sees
tief unten und dann wieder zur freien Höhe der gewal-
tigen Bergeshäupter mit ihrer stillen erhabenen Größe.
Fernab die Menschenwelt mit ihren herben, schnei-
denden Vorurteilen; mit ihren Tngendcn und Lastern,
mit der machlvollen Größe und der gcmeinen Niedrigkeit
ihres Geistes, mit ihren hohen Jdeen und ihreu falschen
Götzeu, mit dem göttlichen Fnnkeu in ihr, womit sie Un-
sterbliches schafft, und den körperlichen Fesseln, welche die
hochstrebende Seele am Stanbe festhalten, erbarmungslos
ininier und immer wicder zn ihm nicderziehen.
„Mit ihren gransamcn Vorurteilen, — ja!"
Er hatte den Gcdanken lant mit Worten wiederholt
und strich sich dabei mit einem schwercn Senfzer über die
Stirn. Und als er die Hand jetzt wicder sinken ließ, da
hntte er sie zur Faust geballt, und blitzte der Ansdruck
des Zorncs, — des wildcn Hasses sast aus seinen
Augen.
 
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