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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Lindenschmit, Wilhelm von: Gedanken über Reform der deutschen Kunstschulen
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Fitger, Arthur: Bildhauer August Sommer
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0185

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fZ8 Gedanken über Reform der deutschen Aunstschulen. von W. Lindenschmit — Bildbauer August Sommer
Die Hochschule besteht aus einem achtjährigen Kurs und umfaßt außer deu allgemeinen Gegenständen
die vier Fachschulen. Allgemeine Studien sind: Aktzeichnen, Zeichnen aus dem Gedächtnis in Anatomie,
lebender Natur und Perspektive, Kompositionsübungen und Stndium der alten Kunst (Antike rc.). Fachschulen
sind 1. Malerschulen mit Zeichnen nnd Malen nach der Natnr in jeder Technik, sowie Komponierschnle.
2. Bildhauerschnle, Zeichnen nnd Modellieren nach der Natur nnd Komponierschule. 3. Kupferstichschule mit
Zeichnen nach der Natur, Stechen und Radieren. 4. Architekturschule mit Stilnbungen und Komponieren.
Jn solchem oder ähnlichem Rahmen könnte mit Sicherheit unter den Schülern der Waizen von der
Spreu gesondert werden. Der talentvolle Teil würde nach den Anforderungen der modernen Verhältnisse in
der Vorschule eine sichere Grundlage dnrch Erwerb der realen Wissenschaften seiner Knnft legen und dann
ungehindert, in einheitlicher, für Lehrer und Schüler gleich erfreulicher Weise seine Ausbildnng in der Jdeall
welt der Knnst anstreben können, während der nnbegabte Schüler dem realen Leben znrückgegeben werden
könnte, ehe er durch den gefährlichen Reiz der höheren Kunststudien für trockenere Beschäftignng verloren ist,
während er doch immerhin mit einer Smnme nützlicher Kenntnisse ausgerüstet wurde, welche ihn zu will-
kommener Verwendung im praktischen Leben befähigten.
Überblicken wir nochmals den Ursprung und die Entwicklnng drr Akademien, so sehen wir, daß sie
in der besten Absicht, die große Kunst zu fördern, gegründet, aber durch den Unverstand der Zeit, durch die
Mangelhaftigkeit der angewandten Mittel an der Erreichung ihrer Ziele gehindert waren. Wir sehen sie von der
Einseitigkeit systematischer Theorie in die der technischen Praxis, aus dem von den Stilisten begangenen Fehler
gehalt- und körperloser formalistischer Nachahmung, in den eines systemlosen Naturalismus verfallen. Doch
hat uns die Übung des letzteren die Erkenntnis der Mittel die Herrschaft über die Technik wieder einigermaßen
zurückerobert. Jetzt wäre die Zeit, die gewonnene Erkenntnis zn verwerten, die alten unpassenden Jnstitutionen
in einheitlicher Weise umzuarbeiten, Zweck und Mittel, theoretisch und praktisch in Einklang zu bringen und
durch harmonisch und hochgerichtete Ausbildnng der Talente, der Reichhaltigkeit und Sicherheit in Beherrschung
des Materials eine würdige Anwendung zu schaffen!

--
WiLöHcruert Augrrst Sorunreu

eben der großen architektonischen Verwandlnng, welche
gegenwürtig die Siebenhügelstadt durchzumachen hat,
vollziehen sich auch zahireiche geistige, moralische Metamor-
phosen und ändern nach und nach den Charakter der ewigen
Roma. Lassen wir aber die große Welt nur sausen, die
ja doch viel zu groß ist, um an diesem Orte mit weuigen
Zeilen geschildert zu werden, nnd sehen uns iu unseren
nächften Kreisen um, in den Werkstätten und Trattorien
der Künstler, betrachten wir ihre Erscheinnng an öffent-
lichen Plätzen, belauschen wir ihre Uuterhaltungeu auf
Spaziergängen und iu deu Vignen, so werden wir einen
gewaltigen Abstand gegen ihr Thnn und Treibeu, wie es
noch vor zwanzig Jahren fast das allgemeine war, be-
merken. Zwar jener höhere Bauernfang, wie er in manchen
komfortable ausgestatteten, auf Soireen mit Thee, Musik
und Whistspiel eingerichteten Ateliers mit Hilfe einer auf
Gegeuseitigkeit gegründeten Lobversicherungsgesellschaft an
den armen reichen Fremden ausgeübt werdcn soll, welche
Gott danken, wenn sie au deu langen Winterabeuden ftatt
ihrer Hotels einmal einen andereu Ort wisseu, wo sie die
Zeit totschlagen können, jenes Geschäftstreiben, bei welchem
die führenden Lohndiener eincu Auteil am Gewinn erhalten,
steht wohl noch zum Glück ziemlich vereinzelt da. Andrer-
seits aber verschwinden sie auch alljährlich mehr, die Küustler,
die in trotziger Einsamkeit nur ihren Jdealen und ihrem
ernsten Streben und Schaffen leben, unbekümmert, ob der
allmächtige Reisekourier oder der Domestico di Piazza
ihnen nordische Käufer und Auftraggeber über die ent-
legene Schwelle führt. Und doch verlohnt es sich nächst
den großen Heroen eines Weltruhms am meisten, gerade
zu diesen durchzudringen, die ihre Schätze anspruchslos in

die Welt senden, ohne ihnen eine andere Protektion mit-
zugeben als ihren eigenen Wert.
Der Bildhaner A. S o m m e r, ein geborener Koburger,
der sich vom Stuckateur zu eiuem unserer originellsten und
geistvotlsten Künstler emporgearbeitet hat und nnter den
deutschen Bildhauern Roms wohl uustreitig ganz im
Vordergrnnde einen Platz behanpten darf, gehört zn diesen
einsamen, abweisenden Naturen, und während andere, die
nicht wert sind, ihm die Schuhriemen aufzulösen, einen
Marmorblock nach dem anderen verhanen, ist Sommer
genötigt, seine Schöpfungen in bescheidenstem Maßstab in
Bronzeguß auszuführen und auf gut Glück auf die erste
beste Ausstellung zu schicken. Dieser harte Kämpf mit der
Welt, dieses unbeugsame Bestehen auf der eigenen Art,
dieses Verachten aller Hintertreppen sind Züge, die Sommer
mit Böcklin gemein hat; — wer gedächte nicht der Berge
von Schwierigkeiten, ivelche dieser aus dem Wege zu
räumen hatte, ehe das Gestirn seines Nuhmes frei auf
leuchtender Bahn einherziehen konnte! — aber jene Züge
sind nicht die eiuzigen, die bei Sommer an den großen
Baseler Meister erinnern; die vollkommene Glaubwürdig-
keit der fabelhaftesten Kreaturen, das Mittel, sie uns glaub-
würdig zu machen, nämlich der Hnmor, die hohe künstlerische
Vollendung, welche die Negel, und die seltsame Unzulüng-
lichkeit, welche gelegentlich einmal die Ansnahme macht, —
das alles zeigt, ohne daß von bewußter Nachahmung anch
nur entfernt die Nede sein dürfte, eme interessante Geistes-
verwandtschaft der beiden Künstler, soweit eben von Geistes-
verwandtschaft mit dem einsamsten, visionärsten Tranm-
wandler der Malerei die Rede sein kann. Ein Blick auf
Sommers hervorragende Arbeiten wird diese Austässung
 
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