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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [22]
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Pecht, Friedrich: Frank Kirchbachs neuestes Werk
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Pecht, Friedrich: Die Meisterwerke des Rijksmuseums in Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0345

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2S8 Fraiik Uirchbachs neuestes Werk — Die Meisterwerke des Rijksmuseums in Aiiisterdam

jetzt ruhig cinsargcu kauu. Wv Kaiscr uud Päststc Uer-
gehen, da bleibt der Bureaukrat doch immer bestehen —
diesseits wie jeuseits der Alpen!
Aus seiuem Bilde des Lalon cmrre im Louvre hat
eudlich der Berliner Schlomka die oerschiedcucn Haupttypcu
der sich da beini Schlußruf hiuausdräugeuden Menge mit
Humor und Geschick charaktcrisiert, womit deun auch >vir
unseren Bericht schließen wollen.

Lrank Kirchbachs neuestes werk
or kurzem war in München das längst erwartete Kolossal-
bild Kirchbachs ausgestellt, welches uns Christus borführt,
wie er die Verkäufer aus dem Tempel trcibt. Spricht sich
das Talent eines Künstlers uuter audcrem auch recht schr
in der Wahl seiucr Stoffe aus, so hätte Kirchbach sich
gewiß keinen zeitgcmäßereu Vorwurf wählen können, dcnn
Iver zweifelt, daß, wenn dcr Heiland heute wiederkäme,
er gernde uach dicser Seite hin mehr als je zu thun
fäudc? Kirchbach bewies daun aber auch zunächst sclber,
daß er eiu volles Recht habe, sich dicseu Gegenstaud aus-
zusucheu, da er ihu mit eiuer Strenge des Süidiums, mit
ciner künstlerischcn Gewissenhastigkeit bchandelt hat, die
sich nie genug thaten und klar bewiesen, daß er ganz ge-
wiß nicht zu den „Verkäufern und Geldmachern" gehört.
Das Bild ist durch diese edle nnd unter uns leider nicht
allznhäufige Gewissenhafllgkeit, durch den Respekt bor der
Kunst, den es bon eincm Ende zum anderen zeigt, geradezu
ein Ereignis geworden, da es eine Fcinheit der Turch-
bildung und besouders dcr Mvdellieruug des Nackten auf-
weist, vor der mau manchmal meinen könute, daß sie der
Schule ganz abhanden gekommen. So viel hat er denn
auch unbedingt erreicht, daß sein Werk schon durch die
Solidität dcr Ausführung, die Meisterschaft der Mache
einen nicht geringen selbständigen Wert erhält, ganz ab-
gesehen von der „Auffassung und geisllgen Bewältigung
des Stoffes", mit der wir uns heute, genau wie bor
sechzig Jahren, regelmäßig zn trösten pflegen, weun wir
recht schlecht gezeichnet, bunt und schreiend gemalt haben.
Nur daß ninn das jetzt „Jmpressionismus" tanft, was
man früher für „Stilisierung" ausgab und beidemal Pfuscherei
hätte nennen sollen. — Wenn aber die vollkommene Har-
monie aller Teile eines Knnstwerks unter sich wie mit
dem Ganzen „Slll" heißt, so hat unser Bild denselben
ohne Zweifel, nm so mehr, als auch die Komposillon in
wohlthueuden Linien aufgebaut, überdies sehr klar und
verständlich ist. Der die Mitte des Bildes eiunehmende
Chrisllis tritt, gefolgt von den Apiosteln, eben zum Tempel
heraus, nachdem er die Verkäufer vor sich her getrieben, die jetzt
dcn Vordergrund füllen, schimpfend und flnchend, daß mnn
ihr „Geschäft" so unnötig gestört habe. -— Die Rasse ist hin-
reichcnd deutlich bei allen ausgesprochen, aber sehr niannig-
faltig nüanciert; Neger, Araber und anderes internattonales
Gesindel von den eigentlichen Juden gut uuterschieden.
Um Christus drängen sich ihm anhängende nnd anch einige
feindliche Frauen, die, gut erfunden, nur etwas zu viel
Familienähnlichkeit unter sich haben, wie wir auch dem
sonst schön gedachten Messias noch etwas mehr edlen Zorn
wünschen, die geistige Macht vielleicht noch überwälttgender
ausgesprochen sehen möchten. — Schwächliches und Senll-
mentales gibt es aber nichts auf dem Bilde, wenn die
frappante materielle Wahrheit und Greifbarkeit des Vor-
gangs den geisllgen Gehalt ein klein wenig überwiegt, wie

bei solch realistischer Anffassung fast unbermeidlich, so hat
doch der Künstler den lehtercn offenbar wohl verstandcn,
und uns so dcutlich gemacht, als ihni uur irgend möglich
war, da er seiuem Christus wohl so viel Adel und
Hohcit zu sichern wußte, um ihn uns als Vertreter
des Jdeals gegenüber dem gemeinen Eigeunntz glanblich
zu machen.
Dem Bild kann daher bei seinem bevorsteheiiden llm-
zug uni die Wclt ciu bedeuteuder Erfolg, Ivcuigstens in
Deutschlaud, um so sicherer in Anssicht gestellt werden, als
sein Verdienst gcradc nach der Seite hin liegt, die bei
uns ani seltensten zu genügen pflegt. Hier kann man es
nm so mehr als eiucn wirklichen Fortschritt dcr Schiile
bezeichneu, als es keinerlei direkte Ilnlehuung au alte oder
neuc Muster, wcun auch ciuen am besten geschulteu Gcschmack
uud eine ausgesprochcue Eigcnart zeigt. Wir siud dahcr
überzeugt, daß Kirchbach durch die Solidität scincs Könnens
sich besondcrs zu ciuem akadeullschen Lehrer ganz vor-
züglich eignen würdc, der mehr als die mcistcn zur Aus-
rottuug der bci uns so tief eingcrisscuen Stümperei zn
thnn und sv wenigstens zur Reiuiguug des Tempels der
Kuiist beizutragen vermöchte. Fr. Prchk

Aie Weisterrverke des Wizksnruserrrrrs
irr Arrrstevöcrrrr
Photogrcwiirc-Prachtwcrk von Franz Hanfstäiigl mit Tcxt von Sl. Brcdius
ie in Rembrandt ihren höchsten Ilnsdruck findende holländische
Knnst des siebzehnten Jahrhunderts ist eiue so einzige Er-
scheinung iu der gesamten Kunstgeschichte, weil sie den natioualen
Boden, auf dem sie erwachsen, die sozialen nnd politischen Zn-
stände, deren Ausdruck sie ist, deutlicher iviederspiegelt, als dies
jemals eine andere Kunstschule gethan. Weder die Schulen von
Florenz, noch die von Venedig, ja selbst nicht die gleichzeitige
aristokratische belgische Schwester vermögen dies in solchem Maste,
weil bei ihnen die allen gemeinsame Religion immer noch die
Hanptrolle spielt, während sie in der holländischen nur Nebensache
bleibt nnd der Schilderung eines nationalen Lebens den ersten
Platz einräumen muß, die in dieser Periode höchsten Ilnfschivungs
an Gesundheit und demokratischer Freiheit bis heute unübertroffen
geblieben ist. Das holländische Volk ist, zum erstenmale seit den
Hellenen, nur fnr sich da, nicht für Priester vder Adelskasten.
Das gibt der Kunst dieses kleinen gernianischen Stammes ein
llefes Jnteresse für die ganze gebildete Welt, weil sich hier zuni
erstenmal ein ganz modernes Staatswesen in mustergiltigen Kunst-
werken ausprägt. Der gegenwärllge Mittelpunkt dieser demokra-
tischen Kunst ist aber das Rijksmuseuni in Amsterdam. Findet
man doch da viele Meister, die man anderwärts kaum kennt nnd
ebenso eine lange Reihe jener bernhmten Schntzenbilder, die so charak-
teristisch für die holländische Kunst und ihren Znsammenhang mit
der Demokratie stnd. Es war daher ein guter Gedanke der Firma
Hanfstängl, die im ganzen doch recht ivenig bekannten Schätze dieses
neuen, gegen daS alte Trippenhuys ungleich wichtigeren Museums
durch in ihrer ?lrt vortreffliche Abbildungen zugänglich zu machen,
nmsomehr, als das kleine, längst von der Weltbühne abgetretene
Holland aufgehört hat, ein hüufiges Reiseziel zu sein. Die An-
wendung der Photogravure für die Wiedergabe der Bilder war
um so natürlicher, als sich dieselbe mehr und mehr in den Vorder-
grnnd der heutigen Reprodullionsmethoden gedrängt hat. Sie
verdanft das vor allem der größeren Haltbarkeit nnd ihrer Fähigkeit,
sich gewisser Mängel des Lichtbildes durch Retonche zu entttußern.
So sind denn auch viele Blätter in den bis jetzt erschienenen drei
Heften unseres Werkes wahre Meisterstücke der Wiedergabe, die
anderen wenigstens vollkommen genügend und nur bei der be-
rühmten „Nachtwache" des Rembrandt bedauert man, dah die
Verlagshandlung dies Bild nicht ausnahmsweise doppelt so groß
gegeben hat. Ein besonderer Reiz dieser Ausgabe ist dann der
begleitende Text des bekannten Forschers A. Bredius, der seiner
Aufgabe, dem Leser den Zusammenhang des einzelnen Meisters
mit der ganzen Schule und die Geschichte der verschiedenen Kunst-
werke kurz darzustellen, in ungewöhnlichem Maße gewachsen erscheint.
Kr. -Pcckit
 
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