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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1887, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0371

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II. Iahrgang. Left ;g

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Kevclusgegeben vorr IvieöricH 'DecHL

„Tic Kunst siir Alle" erscheint in halbmonatlichen veften von t>/-—s Bogcn reich illustricrten TestcI und ca. 4 Bilderbcilagen in Uinschlag. Slbonnemenispreis im
Buchhandel odcr durch die Posl lReichsposwerzcichniS Nr. SIÜI. balir. Verzeichnis 4lü> a M. Sü Pf. für das Vierteljahr l6 Hefle); das einzelne Hefl
7S Pf. — Jnserate lnur durch R. Mosfc) die vicrgcspailcne Nonpareillezeile so Pf. tü.üüü Brilagcn Sü M., bei grösterem Format oder Umfang Preisausfchlag.

Drr Pariftr SaLon 1887
von Gtto Lrandes (paris)
(Forts. von S. 26 ()

(Nachdruck verboten)

/-^in vornehmer Stempel ist dem diesjährigen Salon
durch einige hervorragende kulturhistorische Bilder
aufgedrnckt. Jn erster Linie rechne ich dazu die Gemälde
Meister von Payers. Die durch ihre Rundreise bekannt
gewordene „Bai des Todes" und die neueste Schöpfung „Die
Schlittenreise", das Ende und das vorletzte Bild aus dem
viergliederigen Cyklus, welchen der große Künstler und
ebenso große Nordpolsorscher der Franklin - Expedition zu
widmen gedenkt. Payer ist als Maler ein Schüler der
Münchener Akademie. Das ist ein Rechtstitel, aus welchein
ivir Teutsche uns ihu als Künstler ein wenig annektieren
können, wenn wir auch den in Teplitz geborenen Nordpol-
fahrer, den Entdecker von Franz-Josephsland, gauz seiner
österreichischen Heimat überlassen müsseu. Gesteht er doch
selbst zu, daß Professor Wagner in München, von welchem
er mit den Ausdrückeu hochachtungsvollster Verehrung zu
redeu pflegt, einen entscheidenden Einfluß auf seine künst-
lerische Laufbahn ausgeübt hat, daß seine Kunstheimat
also Jsar-Athen ist. Wer aber je mit Payer als Menschen
in Berührung kommt, der anuektiere ihn uur gleich ganz,
denn es gibt keine liebenswürdigere, bescheidenere, reinere,
edlere und treuere Natur, als dieseu Künstler und Ge-
lehrten zugleich. Über die „Bai des Todes" hier noch
zu schreiben, darf ich unterlassen. Das Bild ist, wie ge-
sagt, allerwärts bekannt. Anders verhält es sich mit
der „Schlittenreise", ein Gemälde, welches 4,6:3,6m
mißt. Es ist vielleicht weniger elementar packend
wie die „Bai des Todes", aber doch immer ergreifend.
„Man erzielt eine Wirkung nur durch die Wahrheit",
sagte mir einst der Künstler. Das ist das geheimnisvolle
Agens, welches uns immer wieder vor diesen Bildern fest-
hält. Mutet uns diese Wahrheit, die sich in der Land-
schast der arktischen Gegenden unter Schnee und Eis, unter
jenem düstern Wasserhimmel, inmitten dieser trostlosen
Einöde notwendigerweise anders manifestiert, auch fremd
an, sie bleibt doch immer die Wahrheit, die uns sinnend
vor ihre Tiefen lädt. Vor allem ist es aber der Mensch
mit seinem Märtyrertum für einen Gedanken, der uns
auf den Payer'schen Bilderu fesselt. Die „Bai des Todes"
Die Aunst für Alle H.

ist das wissenschaftliche Golgatha der Franklin-Expedition,
„Die Schlittenreise", der schmerzvolle Gang dahin. Doch
erwarte man nicht eine theatralische Begeisterung in den
Figuren des Bildes zu finden, nein, wie in dem „Lu
uvurit" Rolls handelt es sich hier um Mänuer, die nichts als
die Pflicht kennen, für die es nur ein, wenn auch lang-
sames und mühsames, Vorwärts gibt, weil das Rückwärts
unmöglich, der sichere Tod ist. Gelegenheit genug hat
Payer gehabt, auf seinen eigenen Nordpolreisen hierüber
Betrachtungen anzustellen. Hat er doch selbst in solch'
einer Reihe von Männern gestanden, die nach dem Ver-
lassen der vereis'ten Schiffe m den Booten ihr Hab und
Gut niitziehen. Auf unserm Bilde sieht man im Hinter-
grunde die verlassenen Fahrzeuge Franklins, den Erebus
uud Terror, von denen dem Maler für das vordere größere
Schiff der bei seiner ersten Expedition verlassene Tegetthof vor-
geschwebt habeu mag. Das Fahrzeug ist dem Zusammen-
bruch nahe uud von allen Seiten gegen das Kentem ge-
stützt. Von den Schiffen bewegt sich in langer Kette die
Kolonne mit den Booten fort. Jm Vordergrunde sehen
wir 16 Mann an einem der größten ziehey. Dasselbe
ist auf einen Schlitten gestellt. Ein kleines Segel ist auf-
gezogen, neben welchem die englische Flagge fiattert, in
ihrer wunderlichen Buntheit sich selffam gegen den düstern
Wasserhimmel abhebend. Um die Monotonie der Schnee-
und Eisfiächen zu unterbrechen, läßt der Künstler das
Boot auf einem Terrain angekommen sein, welches von
Eisthälern und Klüften durchzogen ist: links gegen den
Horizont zu eine dunkle Fläche kurz vorher noch offenen,
jetzt leicht vereis'ten Wassers, weiter vorn eine Wand
Süßwassereises, rechts ein Treibholzstamm und von den
Möven abgenagte Wallroß-Skelette und Überreste von
Wirbeltieren: hinter dem Boot ein Matrose mit einem
von Hunden gezogenen Schlitten.
An dem Boote selbst zieht allen voran wie ein ge-
wöhnlicher Arbeiter Fitzjames, der Kapitän des Erebus,
und zwar hat Payer ihn mit demselben Anzuge bekleidet,
den er bei ähnlicher Gelegenheit getragen, neben ihm im
Seehundskostüm Blanky, der Eismeister des Terror, der
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