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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [20]
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Brandes, Otto: Die Impressionisten in der Ausstellung der "Indépentants"
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunst-Literatur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0307

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Unsere Bilder — Die jZinpressionisteii rc. von Vtto Brandes — personal- und Atelieniachrichten

dem Ganzen an, die überaus wohlthätig amnutet, uns alles
das zeigen, was die sicherste Bnrgschaft für das Gedeihen
unseres Staatswesens bildet: Der allen anderen sv über-
legene Schatz von bürgerlichen Tugenden — bei Franen
nnd Münnern.
Daß Kuehl das selbst in Paris nicht vergessen hat,
wo er seit Jahren lebt, gereicht ihm zu großer Ehre.
Die Kehrseite dieser Eigenschaften sehen wir auf
Alexander von Wahls Bild „Zu spät". Denn hier ist die
Sparsamkeit und Mäßigkeit, welche das Fundament jedes
guten Haushalts bilden, bei dem alten Vater in schnöden
Geiz ausgeartet. Er hat so lange gewuchert, sich und dcr
Tochter alles vom Mund abgedarbt, bis diese darüber ge-
storben ist, da er selbst den Arzt für überflüssig hielt. Jetzt
sitzt der versteinerte Alte verzweifelnd inmitten seiner Schätze
an der Leiche des Kindes nnd kann dasselbe mit all' dem
Golde, an dem der Fluch so vieler haftet, nicht mehr ins
Leben zurückrufen. — Wahl, der von der Bildhauerei
weg erst Maler gcworden, hat mit diesem Werk jedenfnlls
einen guten Wurs gethan nnd bewiesen, daß er ein den-
kender Künstler ist. Zur Ehre unseres Volkes wvllen
wir aber gleich bcmerken, daß dicse Gattnng alter Wucherer
in Jtalien nnd Frankreich, ja überhanpt im Süden vicl
häufiger vorkommt, für dieselben viel bezeichnender ist, als
für uns.
Wir schließen nnsern Bericht mit dem köstlichen
Bildnisse, welches Prosessvr Max Thedy, den nns Weimar
Vvr einigen Jahren entführte, von einem dortigen Knnst-
freund gemalt und eben jetzt im Wiener Künstlerhaus
ausgestellt hat. Das ist doch einmal eine wirkliche
Eharakterschilderung, wo man dem Dargestellten ins Herz
zu sehen glaubt. Offenbar sieht er aber gernde einen
zweifelhasten Raffael auf seine Ächtheit an. klnd wie
vvrtrefflich ist auch alles andere, so speziell die Hände, ge-
macht. Das Bild gehörte denn auch zu den besten
derartigen auf der letzten Berliner Ansstellnng, ja cs könnte
sich anch unter den Alten behaupten.

Die Imprrstionisten in der Ansstellung der
„Indrpenksnts".
von Gtto Rrandes (Paris)
Vermutlich um nicht den Schein zu erwecken, als sei ihre
Ausstellung nur die des von der Salon-Kommission zuriickgewie-
senen Ausschusses haben die „Jndependants", die sonst erst nach
dem Salon dem Publikum das Resultat ihrer Thätigkeit vorlegten,
diesesmal schon im April ihre Thore geöfsnet. Es handelt sich
nach wie vor dem Salon aber um eine Anzahl sehr sragwür-
diger Leistungen, aus denen immer nur wieder die Jmpressio-
nisten ein wirkliches Jnteresse erwecken. Obwohl die Tendenz,
wie wir gleich sehen werden, alS eine irrige anzusehen, so lätzt
sich doch anders uicht in Abrede stellen, das; in diese dlrt inimer
eine neue Bervollkommnung hineingetragen wird. Das Kriterium
fiir die Jmpressionisten ist der Ausschlup des dltelierlichtes, infolge
dessen kommt in die Zeichnung etwas Verschwimmendes und in
die Farbe ein bläulicher Ton. I-enier sucht ein Teil der Jm-
pressionisten durch Auflösung unsereS gewohnheitsmäßigen Sehens
in die rein optische Thätigkeit, wie sie sagen, der Wahrheit der
Darstellung näher zu kommeii. Kiinstler wie Seurat, Signac,
Lucien Pissarro, denen sich Angrand zugesellt, bedienen sich
nämlich nicht der auf der Palette hergestellten Farbe fnr einen
gesuchten Ton, sondern setzen neben einander eine Anzahl kleiner
polychromer perlengroßer Punkte, — weswegen man heute fiir
diese Künstler unter den Jmpressionisten den Beinamen der „Der-
listes" vorschlägt — die in der Entfernung in einanderlaufen und
in einem gewissen optischen Effekt den gesuchten Ton hervor-
bringen.

Auf einem Quadratzentimeter Bild sind daher zahllose
polychrome Punkte vereinigt, unter denen dasjenige Pigment
numerisch vorherrscht, welches den Gmndeffekt hervorbringen soll,
das aber durch die Reaktion und die Mischung mit anderen
Tönen nach der gewünschteu Richtung hin modifiziert wird. Das
Verfahren ist unzweifelhaft geistreich und hätte, wenn die Thevrie
Recht behielte, unbestreitbare Vorteile. Man kommt damit der
Natur sehr nahe, deren Farbe in der That aus einer optischeu
Mengung der verschiedensten Farbenmoleküle besteht. Es ist
ferner durch die Physiker nachgewiesen (Rood, tbeorie scientiügue
äes couleurs), daß die optische Mengnng, die durch Nebenein-
andersetzen der „reinen" Farben erzielt wird, ein leuchtenderes
Kolorit ergibt, als der durch die Mischung auf der Palette gewon-
nene Farbenton.
Nun ist es aber eine Thatsache, daß unser Iluge nur homo-
gene Farbenmassen in der Natur zu sehen sich gewöhnt hat. Es
ergibt sich daher, daß das ganze Bemühen dieser Perlisten ein
überflüssiges ist. Der Künstler, der, um eine staubige Straße zn
malen, sich abquält, den Staub in seine Moleküle auszulösen, um
für jeden das äquivalente Farbentüpschen hinzusetzen, erscheint
einsach lächerlich, denn ivir sehen cke tucto diese Zusammen-
setzungen eben so wenig, wie wir den einzelnen Grashalm mit
dem verschiedenen Griin in der Wiese sehen.
Diese Künstler erreichen aber auch nicht einmal, was sie
anstreben. Jhre Figuren ermangeln des Lebens, ihre Töne haben
im Gegensatz zu der Theorie dnrchaus nichts Leuchteiides. Man hat
bei dem Anblick den uiiangenehmen Eindruck des gemalten Gobelin.
Aber schon ergehen sich diese Künstler in allerhand Kunststücken
mit ihrem in den Windeln liegenden Verfahren. So finden wir
in der diesjährigen Ausstellung Porträts in Fleckennianier auf
bunten Tapeten. Jnteressant war auf einem Bilde Angrands
ein Schimniel, der den vollen Eindruck der Weißheit hervorrief,
bei eineni Minimum von weißen Punklen.
Dubois-Pillet, der mit größeren Flecken operiert, kann
uicht eigentlich zu dieser Gattung der Jnipressionisten gerechnet
werden. Seine Bilder zeigen um vieles künstlerischere Empfindung
und weniger Befangenheit bezüglich des Verfahrens. Die PorträtS
verraten sogar ein bedeutendes Können, und es ist sast bedauer-
lich, daß der Künstler aus diese Bahn geraten. Das hervor-
ragendste Kunstwerk in impressionistischer Manier unter dlnwen-
dung größerer Flecken ist von Henri Croß: „Ein Nachmittag im
Luxembourg." Das im Vordergrunde im Sand spielende, natürlich
en plein jour gemalte Kind ist von einer geradezu erstaunlichen
Modellierung, bei einer liebenswiirdigen Naivität der Tluffassung.
Jn der Lust webt eine erstickende Augusthitze, und die Schatten,
die die großen Bäume wersen, sind von einer seltenen Transparenz.
Auch nach den Ergebnissen der diesjährigen Ausstellung
der Jmpressionisteu ist mir der Nutzeu dieser Richwng nicht klarer
geworden, ja ich komnie sogar davon zurück, daß, wie ich wohl
srüher angenommen habe, der Keim zu einer Umwälzung in dieser
Manier stecke. Es handelt sich meiner Slnsicht nach lim nichts,
als um eine geistreiche Spielerei. Es wird uns die Natnr durcki
dieselbe weder der Form noch der F-arbe nach näher gebracht.
nvch verfügen die Jinpressionisten über die Mittel oder suchen
ne»e Sitiiaiivnen, um uns nach der einen oder anderen gtichtung
hin zu packen. Es ist der Jmpressionismus eine künstlerische Be-
wegung, die ini Sande verlaufen wird.

Personsl- und Akeliernschrichken
-i Dem Vernehmen nach beabsichtigt Fritz v. Uhde
seinen Wohnsitz von München nach Berlin zu verlegen, was umso
begreislicher ist, als nacheinander sowohl die dortige Nationalgalerie
als auch die Leipziger u. a. größere Bilder von ihni erwarben,
während man hier bis jetzt gar nichts für ihu gethan hat. Dies
erscheint aber umso bedauerlicher, als Uhde denn doch unstreitig
sowohl der kiihnste als auch der unzweifelhaft begabteste Vertreter
einer neuen Richtung ist, sein Weggang also unter allen Um-
ständen ein Berlust sür München genannt werden müßte.
— Arnold Böcklin hat am 16. April nach einer Mitteilung
des „Berl. Tagbl." in Berlin einen Vortrag über die Lösung
des Flugproblems gehalten. Es dürfte wenig bekannt jein, daß
der pbantasievolle Maler sich schon seit dreißig Jahren nüt der
Konstruktion einer Flugniaschine beschäftigt. Während seines
Aufenthalts in Weimar, wo er auch an der Kunstschule als
 
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