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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [20]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0306

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Unsere Bilder. vom kerausgeber

227


Möhrrn. Ans ksans Bartels' Skizzenbuch

auch nachtschwarzes Haar, lange Angenwimpern, ein klas-
sisches Profil nnd das Portamentv einer Jnnv haben.
Anders that man's nicht nnd ließ sich weder von Rasfael,
der seine Umbrierinnen nnd Florentinerinnen alle blond,
noch von Titian, der sie brann malte und mit allerliebsten
Stutznttschen ausstattete, belehren. Lndwig Passini
war der erste, der dieser halb antikisierenden, halb schleckt-
weg idealisierenden Darstellnng ein Ende machte nnd die
Töchter Hesperiens so malte wie sie sind, d. h. ganz anßer-
ordentlich verschieden und jedenfalls mit mehr naiver
Anmut und lveniger Göttlichkeit ansgestattet, als es jener
konventionelle Jdealismus je erlaubte. Seit einer Reihe
von Jahren hat sich Eugen v. Blaas, der wie Passini
in Venedig seinen Wohnsitz genommen, dieser wahreren
Auffassung angeschlvssen nnd gibt, wie man ans unserem
hentigen Muster sieht, seinen köstlich frischen Mttdchenköpfen
wieder ihre Stutznäschen und selbst den srischen Teint
zuriick, mit denen sie seit Tizian und Palma so viele Sterb-
liche bezaubert. Freilich verlieren sie dadurch für glttubige
deutsche Gemüter einen guten Teil ihrer Anziehungskraft,
da dergleichen ja ganz ebenso hübsch aüch daheim zu finden,
wührend sie dvch mit ihrem Rundreisebillet immer erst über
den Brenner gefahren waren, um ganz Unerhörtes zu sehen
und den Lauren und Beatricen anf Schritt und Tritt zu
begegnen. kknd da sollen sie mitch einem solchen Strudel-
köpfchen vorlieb nehmen, dessen Zunge nötigenfalls mit
sabelhafter Geschwindigkeit einen wahren Sprühregen von

Älnzüglichkeiten über die nordischen Barbaren auszuschütten
droht! Aber Palmas lieblichen Töchtern steht diese
Furlanerin drum viel ntther als alle Damen des melaucho-
lischen Robert.
Ganz die alte Anffassung Jtaliens, aber auch mit
all' seiuem wirklichen Zauber zeigt uns dagegen das
„Varenna" des trefflichen Aguarellisten Hans Bartels,
der hier die Reize des Comersees mit derselbeu breitcn
Meisterschaft schildert, wie morgen die Meeresbrandnng
an den einsamen Felsen von Rügen, dessen Bilder wir
schon bei Gelegenheit der Berliner Ausstellung nach Ver-
dienst hervorgehoben haben.
Den allerdings sehr großen kknterschied zwischen
Jtalien und Deutschland lernen wir erst aus den nun
folgenden, das letztere schildernden Bildern kennen. Von
der angenehmen Seite durch Gotthard Kuehls „ Waisen-
kinder in Lübeck", die offenbar erstens viel besser gewaschen
und zweitens viel fleißiger sind als ihre wülschen
Genossinnen. Das wirkt nun um so wohlthuender, als
hier offenbar die ttußere Reinlichkeit nur der Spiegel der
innereu ist. — Man glaubt, die zum offenen Fenster ins
Gemach hereindringeude Frühlingsluft zu atmen, ivenn
man die guten Kinder da so emsig arbeitend sieht, während
die Sonne auf den Boden scheint und die Katze mit dem
Garnknttuel spielt. Denn es weht nns da eine Atmosphäre
der Ordnung, Reinheit und heiteren Pflichterfüllung aus
 
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