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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0316

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lvie Scheffel Maler wcrden wollte . . von Iohaiines Proelß


Was hatte er nicht Alles gesehen und studiert! Er war
so ziemlich in allen Sätteln gerecht; er wußte mit den
Archäologen über Altertümer, mit uns Malern über Kunst,
mit den Historikern über Geschichte, mit den Poeten über
Litteratur zu' sprechen, zu disputieren, als ob er jedes
einzelnen spezieller Berufsgenosse wäre; nie war er um
ein Faktum verlegen, und sein Standpunkt war stets ein
geistreicher, ja nicht selten ein ganz origineller. Aber viel-
leicht das Beste daran war die Art, wie er sich gab —
so durchaus natürlich und anspruchslos. Der Mann war
nicht geistreich, weil er es
sein wollte, er sprach nicht,
um audere zu überglänzen,
sonderu weil es ihm Be-
dürfnis war, sich mitzu-
teilen — ein Mensch voll
der reichsten Gaben, voll
überschäumender Kraft, eine
reine, schöne, groß ange-
legte, glücklich entwickelte
Natur: so ist Scheffel uns
allen erschienen. Und da-
bei als ein harmloser,
munterer, bescheidener
Mensch! Er war unter
uns fröhlichem Künstler-
volk vielleicht der Fröh-
lichste, jedeu Tag wie ein
Fest genießend, die Arbeit
sowohl, wie die Erholung.
Kein Wunder, wenn uns
allen etwas fehlte, so oft
»Lir jusepps«, von seinem
Arbeitseifer hingerissen, zu
spät oder gar nicht beim
Mitiagsmahle erschien."
„Gleichwohl verließ
uns ihm gegenüber eine
zwiespältige Empfindung
nicht; wir freuten uns des
prächtigen, erquicklichen
Genossen und dabei mußteu
wir doch immer denken:
„Jammerschade, wenn aus
diesem ungewöhnlichen
Menschen nichts weiter
werden soll, als nach
langen Jahren harter
Arbeit ein Landschafts-
maler, wie viele audere."
Gegen die Vernünftigkeit seines Entschlusses, jetzt noch
Maler zu werden, schien so ziemlich alles zu sprechen:
nicht blos, daß er alles hatte aufgeben müssen, was
er an Wissen und Arbeit für seine Zukunft angelegt;
nicht bloß der entschiedene Widerspruch der Eltern, von
denen er materiell ganz und gar abhängig war, sondern
hauptsächlich sein Alter und die geringe Stufe der künst-
lerischen Vorbildung, auf der e>r stand. Fünfundzwanzig
Jahre alt, war er eben erst dazu gekommen, nach der
Natur zu zeichnen, an Pinsel und Palette durfte er noch
lange nicht denken. (Jch gebe den Wortlaut des Engerth'-
schen Berichts; daß Schefsel schon inseiner Schüler- und Stu-
dentenzeit das Skizzenbuch und später auch der Farbenkasten

aus seineu Wanderungeu ins Freie begleitet hatte, darf wohl
als bekannt vorausgesetzt werden, ebenso die Unterstützung
seiner Pläne durch die Mutter.) Das war selbst bei
außergewöhnlicher Begabung spät, vielleicht zu spät. Und
lag hier eine solche Begnbung vor? Wir konnten es
nicht finden; unleugbares Talent war ja vorhanden,
bei einem Tilettanten hätte man es sogar ein sehr her-
vorragendes Talent genannt, aber ungewöhnlich war an
diesem Schüler der Kunst nicht die künstlerische Kraft,
sondern nur die Begeisterung, der eherne Wille. „Jch

will und muß ein Maler werden", sagte er und handelte
darnach; an Fleiß und Energie übertraf ihn niemand.
Gegen welche Hindernisse er, dem seit der Knabenzeit das
Landschastszeichnen das höchste Vergnügen gewesen, es sich
endlich erkämpft, seinem Trange folgen zu dürfeu, erzählte
er gerne immer wieder und ohne Verbitterung; so spricht
einer, der nach harten Kämpsen einen Sieg errnngen,
ein Glücklicher, der auf die Zeiten des Unglücks zurück-
blickt. Schon der bloße Entschluß habe ihn zu einem
anderen Menschen gemacht, versicherte er. Kurz — wenn
je ein Künstler seiner inneren Stimme, seinem „Dämon"
vertraüen durfte, so war Schefsel auf dem rechten Wege,
als er unter Willers Anleitung streng stilifierte Landschafts-


Aus Alexander kvagners Skizzenbuch
 
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