Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Widmann, Joseph Viktor: Der Monumental-Friedhof (Cimetero monumentale) zu Mailand: eine Reise-Erinnerung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0122

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2er Monumental-Friedhof zu Mailand. von I- v- widmann

87


Glsdstone und Döllingrr. Blskizze von Franz von Lenbach.

während bei cindern über den liegenden Steinen riesen-
große Gestalten, Symbolisierungen der Ewigkeit, (Saturne,
Engel n. s. >v.) ihre Hünde oder ihre Fittige schntzend
nusbreiten. Was seelischer Schmerz einem Menschen vvn
seinster Empfindung eingeben kann, >vas die Liebe im Bnnde
mit der Phantasie zn ersinnen vermag, was zuin Herzen
des fremden kältesten Beschauers sprechen muß, was rnhrt
und erhebt, was edel ist und lieblich, jedes höchste Ge-
fühl, jeder kühnste Flug der Erfindung hat hier im harten
Marmorgestein jene Geivalt des Ausdruckes erlangt, die
uns berechtigt, das Wort 8axa lo^uuntnr (die Steine
reden!) auf diese wahrhaft heilige Stütte der in edler
Kunst sich läntcrnden nnd befreienden Trauer anzuwenden.
Wie der Mensch mit dem Tode sich abfindet, ist ja über-
haupt eines der interefsantesten Probleme im Studium der
menschlichen Psyche. Hier nun kann der Dichter, kann
der Philosoph tansend feine Züge individuellsten seelischen
Lebens mit Bezug auf den Tod entdecken. Nicht dreiste
Sprüche mit der von niemand ernstlich geglaubten Be-
hauptnng, hier liege nur der Staub, und die Seele lebe
irgendwo in ewiger Glorie, stören die wahrhafte, schöne
menschliche Trauer. Wo hier eine solche Hofsnnng über-
haupt zum Ausdrncke gelangt, hat sie sich wenigstens nnr
andentungsweise in die zarte Huldgestalt cincr mit lcichtcm

Fnße dem Sarkophag entschwebenden Psyche gekleidet.
Meistens aber haben die 'Angehörigen sich begniigt, die
Liebe darzustellen, die sie im Leben so innig verband, das
gemeinschaftlich genossene Lebensglück. Und in letzter Be-
ziehung darf sogar, wie ich oben andeutete, von einer ge-
wissen Lebenslnst nnd Ivirklich heitern Kunst die Rede
sein, die selbst hier auf den Gräbern Ausdruck gefnnden
hat, selbstverständlich, ohne das Frivole auch nur mit
einem Hauche zu streifen. Nur ein Volk, deni seit Jahr-
hunderten das Schönheitsgefühl so in Fleisch nnd Blnt
übergegangen ist, wie dies beim Bolke Jtaliens der Fall,
dnrfte in dieser Richtung solche Freiheiten sich nehmen,
die doch nirgends den Bann des Schicklichen verletzen.
- Da ist z. B. eine etwa sechs oder acht Fuß über
dem Grabe sich erhebende offene Dorische Sänlenhalle auf
festem llnterban, das Grabmal der Familie Nasoni. Die
Verstorbenen dieser Familie sind daselbst in lebensgroßen
Porträtstatuen versammelt und zwar so, wie sie etwa, da
sie noch lebten, ain Gebnrtstagfeste der nlten Mutter sich
alle ziisammenfinden nwchten. Einzelne sitzen in Lehn-
stühlen, andere, in natürlicher Haltnng und scheinbar im
Gesprüche begriffen, stehen daneben. llnd — was das
Merkwürdigste ist — der noch in Mailand lebende Herr
Vincenzo Nasoni hat sich selbst hicr cbenfalls bereits in
 
Annotationen