Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Franz von Lenbach: zu seinem 50. Geburtstage am 13. Dezember 1886
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0120

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von Friedrich pecht

85


Bilder den Kcmzler in der Familie, beim Lesen, auf der Rednerbnhne, bei Konferenzen, knrz in allen mög-
lichen Thätigkeiten nnd immer gleich sprühend von Leben darstellen. Kein künftiger Geschichtsschreiber wird
daher dereinst diese Bildnisse übersehen dürfen, welche so kostbare Zengnisse und Quellen für die Benr-
teilung des Charakters nnseres großen Staatsmannes bilden, wie sie kaum von einem zweiten Zeitgenossen
existieren.
Bei der anscheinenden Sorglosigkeit und kalten Verachtnng, mit welcher Lenbach alle Nebcndingc
behandelt, muß man, nm zum Bewnßtsein ihrer Vortrefflichkeit zn kommen, seine Bildnisse erst mit denen
anderer Zeitgenossen vergleichen. Obwohl viele derselben besser zeichnen nnd modellieren, alles Stoffliche mit
grvßerer Bravour behandeln,
sieht man bei ihren Bildern
fast immer erst den Maler
nnd dann erst den Dar-
gestellten, wührend die seini-
gen, in ihrer Anspruchs-
losigkeit den besten Alten
ähnlich, uns jenen ganz ver-
geffen lassen. Die vollkom-
mene Nnbefangenheit seiner
Personen erinnert manchmal
umsomehr direkt an Titian
oder Rnbens, als er diese
Meister wenigstens in der
Lebendigkeit nnd Unmittel-
barkeit der Darstellnng, in
dem Verständnis des Charak-
ters vollkommen erreicht,
wenn er anch in allem dem
hinter ihnen znrückbleibt,
was nnr dem großen
Historienmaler möglich ist,
was aber auch den Dar-
gestellten in eine gewisse
Ferne von uns rückt, wie
sie die historische Betrach-
tung bedingt.
Seit einigen Jahren
zwischen Rom, Berlin und
München bestündig wechselnd,
kann man nur erst jetzt,
wo er sich ein Haus zu banen
beabsichtigt, hoffen, den
Künstler wieder dauernd da-
dnrch in München gefesselt
zu sehen. Wie vor der
Staffelei ist Lenbach auch im
Leben so wenig glatter Hof-
mann und so ganz Künstler,
daß es andere Jntereffen kanm für ihn giebt als künstlerische. Bei aller anscheinenden Herbheit und dem stolz
Ablehnenden seines Wesens doch innerlich warm, teilnehmend und mitleidig, wird er auch ebensowenig durch
jene Habsucht entstellt, die so viele Künstler alter wie neuer Zeit vernnzierte, sondern zeigt hier dieselbe groß-
artige Sorglosigkeit und Opferfühigkeit, wie sie nur der hat, dem die Kunst alles ist. Deßhalb, und weil er
ein ganzer Mann, ein so kantig und schroff ausgeprägter Charakter ist, wie wenige, wird er immer eine Zierde
der Münchener Künstlerschaft bleiben, der er, so auf der Höhe der Äraft und des Ruhmes stehend wie hente,
hoffentlich noch recht lange erhalten wird.

Mimster Winghriti. Glgeinälde von Franz von Lenbach
 
Annotationen