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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0069

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XIII. Scblußbetrachtung

13



Gehen wir nun zu den Einzelheiten über, zunüchst dazu, wie sich das Verhaltnis unserer Knnst zu der
der sremden Nationen stellte, die zu uns als Gäste gekommen waren, so kann gewiß niemand behaupten, daß
deren Werke sich den unsrigen nach irgend einer Seite hin überlegen erwiesen hätten, wie achtbar auch vieles
war, was uns vorgeführt ward. Ja man kann im Gegenteil sagen, daß, selbst wenn die französtsche Kunst
mit vertreten gewesen wäre, dies sich kaum viel geändert hätte. Denn das Hauptverdienst der deutschen liegt
nicht wie bei jener in der vollendeten Beherrschnng der
Form, sondern in der Kraft und Frische der Empfin-
dung, der Mannigfaltigkeit der in den Werken aus-
gesprochenen Jndividualitäten, der Menge der ausstreben-
den jungen Talente. — An Schulung würden wir
noch heute gegen die Franzosen eben so weit zurück-
stehen, als wir ihnen in der Ursprünglichkeit und dem
Reichtum der künstlerischen Begabungen, der energisch
ausgesprochenen Eigenart voraus wären. Das, was
man beim Kunstwerk Poesie, Natnrlaute nennt, das
würde bei uns unbedingt häufiger zu finden sein, je
sicherer wir in der Eleganz der Erscheinung hinter jenen
znrückblieben. Der bald demokratische bald bürgerliche
Charakter ist unserer Kunst ebenso bestimmt aufgeprägt,
als der aristokratische der französischen. Ohne Zweifel
hängt das mit der außerordentlichen Förderung zn-
sammen, die jene vom Staat genießt, und zu der unsere
Behandlung dieser Dinge den traurigsten Gegensatz
bildet. Selbst in Preußen ist das der Fall, obwohl
es doch mehr thut als alle anderen zusammen, ohne
deshalb nur die einzige Stadt Paris zu erreichen.
Der Gegensatz liegt aber auch tief im Charakter der
beiden Nationen begründet und wird darum wohl
immer so bleiben.
Dies bringt uns nun zum Schluß auf die
ideale Welt, die sich in diesen Kunstwerken malt. —
Da mnß man denn sofort gestehen, daß sie sich gewiß
nicht erhöht hat, daß wir aber jedensalls wahrer und
ehrlicher, wenn auch nicht höflicher oder glatter ge-
worden sind. Gemalte Phrase — in Paris so häufig
— findet man fast gar nicht mehr bei nns, höchstens
tritt sie als Sentimentalität auf, die wir, wie es
scheint, nie ganz loswerden sollen, wenn sie sich auch
gar sehr verminderte. Dazn war der Naturalismus
immerhin gut. Dagegen wird selbst ein Klassizist vom
reinsten Wasser wie Geselschap wohl gelegentlich dunkel
nnd nnverständlich, aber nie leer. Dies blieb einer
gewissen Richtung in der Skulptur allein vorbehalten,
bei der sich allerdings infolge ihrer Verbindung mit
der zum Barockstil neigenden Baukunst eine sehr bedenk-
liche Neigung zur Phrasenhaftigkeit und trostlosen Leere
des Zopfes offenbart, die glücklicherweise in der Malerei
noch keine Nachfolge gefnnden hat. — Offenbar weil
das nicht znr Ausstellung kam, was in dieser Art in
Herrenchiemsee und anderwärts arg genug gesündigt ward.
Niemand aber wird unsere Ausstellung be-
suchen können, ohne gehobener und stolzer, mit größerem
Vertrauen auf die Zukunft unseres Volkes aus ihr herauszugehen, als er zu derselben gekommen, da sie als
Ganzes einen höchst glücklichen Fortschritt bezeugt. Aber auch im Einzelnen neben vielem Gewöhnlichen und
selbst Trivialem jedenfalls eine Anzahl ächter Kunstwerke enthält, auf die jede Zeit und jede Nation stolz sein
könnte, und die das innerste Wesen der unsrigen mit ungewöhnlicher Energie aussprechen.

XR8 V101KIX. Deckengemälde für den Festsaal des
Architektenhauses in Berlin von ksermann prell
Berliner Iubil.-Ausstellung
 
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