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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Paul, Richard: Eduard von Steinle
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0076

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Lduard von Steinle


unerläßlich hielt, mit der aber der heutige Künstler seinc Liebhaber nicht mehr belästigt und die auch das Pub-
likum von seinen Knnstlern nicht mehr tzerlangr und sich auch nicht mehr gefallen ließe, weil es gut zahlt und
dafür vernünftigerweise das verlangt, was
es selber gern hat, — also auf besagte Zn-
mulung gingen unbegreiflicherweise damals
die Leute ein. Zu glauben, daß vor 40
Jahren die Menschen um vieles dümmcr
gewesen als wir, ist von dem Zeitalter
Platens und Heines nicht gerade anzunehmen
und verbietet uns sogar die eigene Be-
scheidenheit. Nun müßte weiterhin die Er-
wägung stutzig machen, wie Künstler, die
nicht einmal malen konnten, — was man
nämlich heut so malen heißt — die Wclt,
nicht nur ihr Vaterland allein, mit dem
Rnhme ihrer Werke erfüllten und mit diesen
einen Enthusiasmns erregten, für den nnser
exaktwissenschaftliches Zeitalter wcdcr Sinn
noch Verstündnis hat. Daß die Wcrke
dieser Männer nnn dem hentigcn Geschlechtc
und vor allcn den Künstlern selber ferncr
stehen als der Sirius, das kommt gewiß
nicht davon hcr, daß diese Werke schlechter
geworden. Es kann aber daran licgcn, daß
wir in der Kunst so ganz abnormc nnd
gewaltige Fortschritte gemacht habcn, was
nns berechtigt, die Arbeiten unscrer Vor-
gänger sür verfehlt und geschmacklos zn cr-
klären — eine Behauptnng, die sich bei
der allgemein eingcrisscncn Vernachlüssigung
nnd geflissentlichen Verachtung der formalcn
d. h. zeichnerischen Ausbildnng wohl eher
mit einer gewissen Unverfrorenheit aufstcllen,
als durch Beispicle erweisen ließe.
Wenn nun schließlich aber ein Künstlcr
wie Steinle eine nnabsehbare Zahl von
Schöpfungen in Kohle, Stift und Farbc
hinterläßt, die alle aus eincm sich gegen
allen Wechsel des Geschmackes, der Ansichlen
undRichtungenablehnend vcrhaltendenPrin-
zipe hervorgegangcn, so drängt sich selbst
dem Blöden die Frage auf, warnm hat
nun der Mann, den kein Mensch mit ge-
sunden Sinnen für talentlos bezüglich dcr
Erlernung des sogenannten technischen Gc-
schickes halten kann, zeit seines langen
Lebens auf einem der modernen Richtung
nicht nur feindseligen, sondern sic geradczn
verachtenden Standpunkte stehen bleiben
können? Die Antwort liegt eigentlich
schon in der Frage, aber die beste Ans-
Drr Tiirmrr. von Ld. von Steinle kunft geben die Arbeiten des Meisters selbst,
Das Drigina, im Stif, N-nbura selbst sogar die wenigen, die hier mitzu-
teilen der beschränktc Ranm gestattet. Wem
aber auch diese keine Antwort licfcrn, dem kann sie mit dürren Worten kurz so gesagt werden: Wer so viel
gelernt hat, so viel Genie, Geschmack und Phantasie besitzt, wer sich so viel Kenntnis des menschlichen Organismns
angeeignet, so dic Gesetzc der Draperie bcherrscht, — daß cr sich nicht damit zufricden gibt, wie der Lappcn
 
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