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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Franz von Lenbach: zu seinem 50. Geburtstage am 13. Dezember 1886
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0117

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von Friedrich pecht

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Ein Hirtenknsbr. (1860.) von Franz von Lenbach.

mit den Schöpfern unserer Einheit; erst als er der Maler Kaiser Wilhelms, Bismarcks und Moltkes geworden
war, öffneten sich ihm alle Thüren, sogar die des Vatikans.
Daß er das aber ward, daß ihm vergönnt wurde, seinen Namen an diese größten der hentigen Welt
zu knüpfen, das ist denn doch ganz sein eigenes Berdienst! Dies bringt uns nun auf die spezifische Art
seines Talentes. Dieselbe hat sich nur langsam ausgebildet, und man kann drei verschiedene Perioden in der-
selben erkennen. Die erste, die in der Pilotyschule beginnt, charakterisiert sich durch den entschiedensten Natu-
ralismus, wo aber alsbald auch die energische und rücksichtslos aus das äußerste hindrängende, bis zur Härte
gehende, kühne Art des Künstlers sich geltend macht, wie man sie in seinen ersten Sittenbildern trifft, von
denen unser Blatt den im Grase liegenden Hirtenbuben bringt. Kleinliches und Schwächliches wird man da
vergebens suchen; es ist unläugbar eine eiserne Faust, welche so die Natur zu ergreifen trachtet. Daß aber
Natur nnd Kunst zwei verschiedene Dinge sind, und man sich vor allem der Mittel der letzteren, auch der
schon aufgespeicherten, zu bemächtigen habe, das konnte einem so scharfen und bewußten, weltweit von aller
Naivetät entfernten Geiste, wie dem Lenbachs, nicht lange entgehen. Seiner naturaliststchen Periode folgte
daher bald die auf dem Studium der klassischen Meister, zunächst Rembrandts, dann Titians, Giorgiones,
Rubens' nnd Velasquez' fußende, wo er zugleich in richtiger Erkenntnis seiner wahren Begabung das Sitten-
bildmalen mit dem Kopieren der alten Meister vertanschte. Jn deren jeweilige Eigentümlichkeiten hat er sich
denn auch mit einer kaum je von einem andern erreichten Elastizität und Feinfühligkeit hineinstudiert. Da-
neben lieferte er aber auch selber beständig Bildnisse, in denen er bald Rembrandt, bald Giorgione oder
Titian, ja, wie unser Mönchskopf zeigt, selbst Murillo sehr reizvoll nachschuf, wie denn zwei Mädchenköpfe im
Geschmack des ersteren, aber auch das Bildnis W. Buschs, wahre Meisterstücke von Feinheit und Verständnis
des großen Holländers sind, so daß einer davon selbst auf der Pariser Weltausstellnng von 1867 schon
Aussehen erregte, neben dem vielbewunderten Bildnis des Malers v. Hagn.
Jn dieser etwa zwölf Jahre, von 1865 bis 1877, dauernden Periode gewann auch Böcklin mit seiner
beständigen Experimentierwut großen Einfluß auf unseren Künstler, was sich bei dem 1873 vollendeten Porträt
des Kaisers von Österreich nicht gerade günstig äußerte, wo seine zugleich anf der Weltausstellung in Wien
produzierten Franenköpfe sehr viel mehr Glück machten und durch ihre tiefe, seelenvolle Auffaffung anch ver-
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