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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0143

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104

Unsere Bildcr — Apliorismen. von I. I. Mohr

gelehrten Herren sind abcr mit einer meisterhaft kecken
Jndividualisierung dargestellt, die den pikantesten Gegen-
satz zn der bestechenden Schbnheit der beiden weiblichen
Jdealfiguren in der Mitte bildet. Auch an dem für die
Heimat Scheffels unerläßlichen Humor fehlt es nirgends.
wie denn besonders die Eule der Minerva und der
badische Greif, welche sich vorn gegcnübersitzen, einander


Das Ecliv. von ks. löultzsch

mit so wcnig Wohlwollen behandeln, das; man dicse sym-
bolischen Biester nicht ohne Lachen betrachten kann. —
Überhanpt weht nns aus dem Ganzen ein Geist frvhlicher
Lust nnd Heiterkeit an, wie er für die Anla der reiz-
vollsten aller deutschen Universitäten nicht passender gedacht
werden kann. Das; die alten Perrücken auf der einen
Seite nnd die lnstige Jugend auf der andern nnr durch
die siegende Schönheit in der Mitte zusammengehalten
werden, das begreift sich vor dem Bilde nicht weniger,
als in „Altheidelberg, der feinen" selber, eben weil hier
ein so lebensprühendcs, aumntsvolles Kunstwerk gelungen
ist, wie deren seit dcm Papa dicser, Wahrheit und Dich-

tung so köstlich verbindenden Gattung, deni Meister Rubens,
nicht allzuviele mehr gelungen sind. — Borab seit Makart
keines mehr, welches uns so glücklich in die phantastisch-
heitere Welt der Poesie zu führen, all den triumphierendeu
Jubel eines solchen sestlichen Einzuges zu verbildlichen ver-
standen hätte. Solche Fülle echt küiistlerisch veredeltc»
sinnlichen Reizes, anmutig spielenden Humors, beraujchcn-
der Pracht konnte eben nur am schönsten Flecke Deutsch-
lands, in der somiigen Heimat Scheffels entstehen, und
daß das Bild auch das Gepräge derselben überall trägt,
das ist gerade sein größter Vorzug!
Meister Andreas Achenbach führt uns dagegen
in die wilde Brandung des deutschen Meeres, an den
Eingang eines Hafens, in den sich eben einige Fischer-
barken schutzsuchend von einem Dampfer bugsieren lassen.
Das Bild zierte die Berliner Ausstellung und gehört un-
streitig zn den besten dcs Meisters durch das wilde, aber
gesunde Stück heinüschen Lebens, das es so packend und
mit unnachahmlicher Frische zu schildern versteht. Dabei
ist es in den Massen so wohl abgewogen, so frei von
störendeu Linien, daß es neben der unübertrefslichen Darstellung
des Elementes selber, schon dadurch einen hohen Wert erhält.
Wie eine solche große Schaustellung, als die Berliner
es war, oft gerade die besten Bilder in ihrer Wirkung
beinahe zu vernichten im stande ist, sobald dieselben
Stimmung, Ernst nnd Hineiuleben in die Llnschanung des
Künstlers verlangen, also Dinge, die fast nie zu erlangeu
siud iu solchem Gewühl, das konnte man sowohl an der
wuuderbareu Astarte als am Gekreuzigten des Gabrie!
Max sehen. Freilich waren beide gleich schlecht gehängt;
aber selbst wenn das besser gelungen wäre, so würde es
doch nie vollständig genügt haben bei Kunstwerken, die
nun cinnial dnrchaus allein nnd ohne zerstreuende Nach-
barschaft geseheu sein wollen. Wir gebeu deshalb hier
wenigstens den Kopf des Christns, den sich jeder nur
einmal länger zu betrachten die Mühe nehnien nchge, wo
ihm denn alsbald die Tiefe und Originalität dieser Auf-
fassnng nicht entgehen wird. Gedankentiefe und Stärke
der künstlerischen Empfindung vereinigen sich bei Mar
gleich sehr, um ihn für solchen Vorwurf nngewöhulich gc-
eignet zu machen. Erst stvßt dieser blntüberströmte, mehr
slavische als jüdische Tote fast zurück, bis wir bei näherer
Betrachtung eine so unendlich milde und wehmütige Ent-
sagung aus dem Gesicht sprechen sehen, daß uns kein
Zweifel bleibt, wie diescr Mann nicht um sich, sondern
um die trauert, die ihn in ihrer Verblendung so gemartert.
Das „Herr, vergib ihueii, denn sie wissen nicht, was sie thun"
ist so vollkommen deutlich in diesem edlen Kopfe ausge-
sprochen, das; es anch uns bald mächtig ergreift, denn es
ist nicht Schwäche, sondern der Edelsinn einer hohen Seele,
welche diesen Märtyrer leideu und doch verzeihen ließ.
Die Textbilder auf dieser und der vorigen Seite sind
bereits in nnseren Berichten über die Jubiläumsausstellung
S. 2 und 34 d. I. anerkeiinend besprochen. -t

Mjlhvrisincn. von I. I. Mohr

Ghne verachtung dcs publiknms ist uoch kciner ein
Aünstler geworden.
Menschen von entschieden praktischcm Sinn habcn nicht
selten einen richtigen Blick in Angelegenheiten der Aunp, den
hundert Pcdantcn cntbchren.

In der Iugend sehlen uns nur dic Gesäße zuin
Schöpfcn; im Alter habrn wir sie, aber dcr Stroin ist versiegt.

Ivie wenige kommen dazu, zu ernten, was sie gesäet;
und dann ift cs iminer noch cin weiter Schritt bis dahin, die
Lrntc zn genießen.
 
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