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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Bernstein, Max: Von einem Panorama: Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0146

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von Mar Bernstein

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Vrim FÄrbenrribrn. von F. wahle
seufzt. Das Johanniterhospiz — ein Konglomerat von breiten Gebäuden und weiten Höfen — gewährt bescheidenes,
aber angenehmes Quartier. Der Himmel beschert demnächst drei Wochen Regen. Da ist's nicht biel mit der Arbeit
und den Studieu. Man sieht sich um, sucht Land nnd Leute kennen zu lernen, wie sie sich bei nassem Wetter aus-
nehmen. Zweierlei ist hier bei jeder Witterung in Übersluß zu haben: Konfessionen und Modelle. An der geweihten
Stätte der Einen Religion richtet sich jeder sein Religivncheu ein; es wiederholt sich im kleinen, was die Welt so oft
im großen gesehen hat: daß geringe Unterschiede im Glauben den Stoff zu einem neuen Glauben liefern. Ein Hotel-
besitzer gründet eine Sekte; ein spiritistisch erleuchteter Kaufmann macht ihm Konkurrenz; ein schwärmender Pilger
füngt gleichfalls an, zu „stiften" — und so fort. Hier könnte Goethes Ahasver gedichtet sein:
Wo, rief der Heiland, ist das Licht,
Das hell von meinem Wort eiitbronneil!
Weh! nnd ich seh' den Faden nicht,
Den ich so rein vom Himmel 'rab gesponnen.
Und, ach, wohin der Geist, den ich gesandt!
Sicher ist dieser Geist nicht in den Menschenkindern, welche Tag für Tag in allen Höfen und Stockwerken
des Hospizes herum stehen, gehen und liegen und ein buutes, doch nicht stets erfreuliches Bild gewähren. Sie wollen
als Modelle dienen und Handel treibeu, mit ihrem Aussehen oder ihren Waren. Eine Pfiffigkeit, die ihren Ursprung
'ebeusogut in angeborener Begabung wie in europüischen Beispielen haben kann, hat sie bereits erkennen gelehrt, was
diese deutschen Künstler wollen. Das für die Malerei so bedeutsame Wvrt „Modell" fehlt ihiien noch, aber der Be-
griss ist bereits da — und das mit diesem Begriffe auch in zivilisierteren Ländern verbündene Streben, sich möglichst
gut zu verwerten. Unter vielen andern stellt sich ein alter Rabbi der spanischen Juden vor, einer schönen und sfür
Mälerl) sehr angenehmen Menschenklasse, welcher für eine einzige Sitzung 100 Frs. verlangt. Andere sind nicht be-
scheidener. Auch hier, wie in Europa, stimmen die verschiedenen Konfessionen in dem Dogma überein, daß es gut
sei, so viel Geld wie möglich zu erwerben. Wo allerdiugs des Geldes Macht versagt, stoßen die künstlerischen Pläne
unserer Freunde auf starken Widerstand. Ein frommes Borurteil gegen bildliche Darstellungen beherrscht die Gemüter
der Eingeborenen, soweit sie inehr gläubig als habsüchtig sind. Deren Konterfei ist nur durch List zu erlaugen. Von
München hatteu die Reisenden einen photographischen Apparat und Trockenplatten mitgebracht; nun wird den porträt-
feindlichen Orientalen gesagt: „Wir müssen im Auftrage der türkischen Regierung das Terrain aufnehmen!" Die
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