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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Bernstein, Max: Von einem Panorama: Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0148

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voil Nar B ernstein


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L„t — das lvtr Nieer. Die Reisenden betrcichteii eo
uiid zwei twn den Herrcn widersteheii der Versiichniig
nicht, sich badeiid in seiiie Fluteii zu stürzeir Ter
gute HLna sieht schweigscim zir Er weiß, dcis; das
scilzige Wasser llvii Bahr Lut eiuige Zeit nach dein Bade
gaiiz abschculich breuut uud juckt, weun mau cs uicht
safort in der rascheu Flut des Jordan wieder abspülb
Aber er schweigt — uud erst die llerspäteteu Klageu der
Geiuartcrteii cutlvckeii ihm die stoische Beiuerkuug: „Jst
iiumer so."
Bald macht dcr Eiudruck der grvßartigen Eiusaiukeit
dieser Laudschasl jedes alltägliche Wvrt uud Gcfiihl ller-
stuiuiueii. Ter Regeu begiuut wieder zu strviucu. lluter
Dvuuer uud Blitz, llvllig durchuäßt, geiaugt maii au das
griechisch-kathvlische Wcihehaus des heiligeu Sabas, das
Kioster Mar Saba. Ju der Rähe des Klosters, welches der Fuß eiues Weibes uicht betreteu darf, werdeu die Zelte
anfgeschlageu Ju der Nacht fcgt der Sturm sie beiuahe >veg, Eiu svuuiger Tag folgt. Mau ziuiiuert eilig eiucu
Tisch und trägt ihu auf die Spihe eiues Hügels. Ter photographische Apparat, der uueutbehrliche, alles uotiercude Be-
gbchLr.der „Zcegistratvr aus Reiseu", ivird auf deu Tisch gestellt. Weiter soll ja dic Wauderung uicht ausgedehut
werdeu. 'Also frisch aus Werk — „riugsumher licgt schvue grüue Weide" für das Malerauge! Uud iu dem Augeu-
blicke, wo der Registrator thätig Iverdeu soll, macht Häua, der „uiithilft", eiue uugeschickte Bewegung uud wirft —
v Häua, hast du sv geriuge Teiluahiue für das Paiivraiua in der Goethestraße? — die gauze Alaschiue heruntcr!
Ju dieseui Augcublickc, aiu räuuilicheu Eudpuukte uud zeitlicheu Mittclpuukte der gauzeu Reise, war es. wv dic ciuzige
Ohrfeige gegebeu wurde, auf dem ganzen Wege iu zwei Weltteileu die eiuzige. Der Vertreter des Architektouischeu
war, mit Bräsig zu redeu, „der Nächste dazu" — uud er gab sie. Nach diesem Höhepunkte und nachdem der
wieder aufgestellte Apparat seiue Tienste gethau, wurde gegeu Eude April die Rückreise augetreteu. Zurück uach
Jerusalem. ?lbschied llou Baurat Schick, der über die sllekvustruktivu der alteu Stadt lliel Schätzcuswertes mit-
geteilt hatte. Eiu herrlicher Ritt uach Jaffa. Zusammeiitreffeii mit Baueriifeiud, dem „Orieutiualcr", der seiu
^Lekt^aber eiu steiueru Zelt, iu Jaffa aufgeschlagen uud sich eiu reizvolles Atelier ciugerichtet hat. Vou Jafsa
eiue erguickliche Seereise uach Kviistaiitiuopel, so gauz ohue Beschwerdcu, daß uusere Maler bereits aufaugeu, Nelsvu
und Nordeuskjöld als schwächliche Landratteu zu bezeichnen. Vou Koustantiuopel mit dem Blitzzug über Varua uach
München.
Vom Münchener Zeiitralbahnhof iu die Moethestraße Nr. 45, Da steht schon, festgemauert in der Erdeu,
der Rohbau des Pauoramas. dluch die Leinwand ist bereits aiigekommen. Eiu riesiges Stück, eiu kkngetüm wie
aus einer vorsiiitflutlicheii Leiiiwaudperiode. Weithiu wälzt es sich über den Bodeu — das gewobeue Mammut mißt
15 Meter in der Höhe und 120 Meter iu der Läuge. Es wird aufgchängt, im Kreise, so daß der gauze iuuere
Raum dcs Panoramagebäudes wie ein Chliuder eingefaßt ist. Dann wird die Leiuwaud geuäßt uud durch schwere
Gewichte, die au ihrem uutereu Saume befestigt sind, gedehnt. Jst sie auf diese Art eudlich gauz glatt gespaunt, so
wird sie weiß grundiert. Dies alles ist gleichsam ihre mädchenhafte Erziehuug. Nun harrt sie, wie eiue weißgekleidete
Braut, des buuteu Lebens, das noch komuieu soll. Das ist iuzwischeu iu Piglheins Atelier llorbereitet worden: die
Skizze des ganzeu Bildes ist iu Maßstab cntworfen uud in zehu Blütter geteilt, die in hochzeitlich frohem Zuge
ins Pauorama gebracht werden. Turch eineu zu diesem besonderen Zwecke eingerichteten Apparat, uicht uiiähulich der
magischen Laterue, wird iiuu die Skizze auf die Leiuwand llergrößert. Die Kontureu werdeu auf der Leiuwaud uach-
gezogeu uud die Grundlinieu des künftigen Bildes siud da. Freilich erst schatteuhaft: wie sichs dereiust ausnehmen
wird, läßt sich uoch so wenig sageu, wie man aus den Flitterwocheu auf die Ehejahre schließen kann. Tas Bild wird
jetzt angetuscht, die Lciuwand iu Lokaltönen dünu gedeckt. Die Ausführung begiunt. Die Luft — die erste Lebens-
bediugung aller Menscheu uud aller Laudschaftsbilder — bietet grvße Schwicrigkeiteu. Sie ist wvlkenlos, gauz rein:
die rechte Flitterwochen-Luft. Sie so zu erhalten, braucht es eiu feines, wohlbedachtcs Mischen der Farbeu. Die?lb-
stufungeu llvn Dunkel bis Hell, die fortschreitende Vermiuderung der Töne iu dieser Skala macht eine cigeue perspek-
tivische Berechnung notweudig. Es ist keiue geringe Arbeit, bis jedes Atvm llvn 500 Kilo Kremser Weiß uud
70 Kilv klltramarin ein Teil eiues wirklicheu Kunstwerkes geworden ist. Auch der Vvrbau nmß noch ersvuuen und
errichtet werdeu.
Arbeit, Arbeit, Arbeit! heißt die Losung für die nüchsten drei Vierteljahre. Zu jeder Tageszeit, welche das
notwendige Licht gewührt, finden wir P iglheiu und seiue Genossen an der Arbeit; ihu sclbst bald mit Pinsel uud
Palette im ersten vder zweiten Stockwerke eines der kvlossaleu Fahrgcrüste, die auf Schieueu llvr der Leiuwand entlang
geschvben werden, bald auf dcm erhöhten Podium iu der Mitte des gauzeu Raumes, das Werk seiuer Helfer übcr-
blickend, dies und jenes bemerkend oder verbesserud — eiu Feldherr, der zugleich befiehlt uud iiiitkümpft. Manchnial
erscheint seiue Gattiu, kommeu seine Freunde und Bekanuteu, um uachziifragen, wie die Schlacht steht, wic lauge es
noch währt, bis dieser große Sieg der Kunst errnugeu ist. Anch die Mitstreiter halteu sich ivacker dazu: Krieger
uud Heiue behaudelu die Laudschaft, Frosch die Architektur, Block (eiu Schüler Piglheins) greist eiu, wo mau
seiuer bedarf. Sv fiießt die Arbeit munter.sort, nach bewührter Nkegel vou „guteu gieden" bcgleitet. Oft vou heitereu,
oft ciuch vou sehr ernsten uud gründlich gelehrtcn Nedeii, Tenn die Kreiizigung uud die Stadt Jerusalem mit ihrer
kkmgebung svllen ja uicht nur künstlerisch, sondern auch geschichtlich richtig dargestellt werden. Wie die meuschlichen
 
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